Mittwoch, 24. November 2010

Momentaufnahmen (14)

Frauen, die ohne Netz arbeiten

Hohe Straße, zwei Frauen vor H & M
Erste Frau: Mensch, du siehst ja supererholt aus.
Zweite Frau: Ja, ich war in Urlaub.
Erste Frau: Und? War schön?
Zweite Frau: Ja, so ohne Mann ist wunderbar.

Kneipe, Nordstadt, 20 Uhr
Frau am Telefon: Hier is die Jabi, hörma, happt Ihr mein Umhängetäschchen jefunden?
Kellner: Klar, Gaby, hier kommt nichts weg.
Gaby: Oh boah na jottseidank wie jeil da war alles drin wat isch happ. Komm isch gleich vorbei, ja?
Kellner: Ich werde hier sein, Gaby.

Café in der DDR
Stark geschminkte Kellnerin mit jodverfärbtem, labbrigem Verband am Fuß: Mir war der dicke Onkel über die anderen Zehen gewachsen und da mussten die alle durchgesägt werden, damit das wieder geradewächst.
Die drei Gäste: Ohlala!
Stark geschminkte Kellnerin: Und Sie wissen ja, was das Schlimmste ist für eine Frau.
Die drei Gäste: Was denn?
Kellnerin: Ja, wenn sie keine hochhackigen Schuhe mehr tragen kann.


... und für die Füße.

Gästebuch der Homepage eines Kölner Wirtshauses
10.30 Uhr, Jessica: Hallo, war zur Neu eröffnung mit meiner Freundin bei euch war sehr schön wahnsinns Stimmung !!!! Nette Menschen! Habe mir gerade die Bilder angeschaut da ist mir der Mann wieder in den Sinn gekommen mit dem Jeanshemd und der schwarzen Weste wie hies der noch gleich? kann mir da jemand helfen?
Ansonsten kommen wir immer wieder gerne wenn wir in der nähe sind wohnen zzt in Portz Viele Liebe Grüsse Jessica
17.20 Uhr, Herbert: Hallo Jessica ich bin der Mann im Jeanshemd und der Schwarzen Weste. Wer bist du den da du mich kennen lernen möchtest möchte ich mal gerne ein Foto von dir haben!!! Würde mich freuen wenn du mir ein Bild schickst.
21.20 Uhr, Vicky: Hey, die Rumpsteaks waren lecker, richtig super und das Gemüse erst. Bis demnächst.

Kneipe, Nordstadt, 2 Uhr nachts
Andere Frau am Telefon: Is der XX da?
Kellner: Nee, der hat gestern gearbeitet.
Frau: Is denn dann der YY da?
Kellner: Nee, der arbeitet morgen.
Frau: Ja, die zwei, die zapfen mir nämmisch nix mehr.
Kellner: Das wird dann wohl seinen Grund haben.
Frau: Ja, ich arbeite eben manchmal ohne Netz, verstehste.


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Mittwoch, 17. November 2010

Thekentänzer (37)

Von verschwundenen Pferdetränken, Tanzsälen und Kneipen

Der alte Kerl soll mir etwas über die Geschichte seiner Stammkneipe erzählen. Aber weil er weiß, dass ich ihn brauche, verarscht er mich erstmal vor seinen Würfelkumpels.
„Wie lange verkehren Sie hier denn schon?“
„Ich verkehre he janit, ich suffe he nur.“
Die restliche Bande lacht. Zwei weitere Ü-70-Kerle am Würfelbrett, im Verlauf der Theke noch drei Männer und zwei Frauen. Wir haben 4 Uhr nachmittags, der Laden ist völlig zugequarzt, und die Kellnerin saß hier schon als Baby bei ihrer Mutter auf dem Schoß.
„Zig fuffzich Johr jonn ich he hin“, sagt Gustav. „Do wor he noch dä Schmitze Häbäät hinger d´r Thek.“
„Und was war das für einer?“
„Dat wor ene Joode. Trinkfest un arbeitsscheu.“
Die ganze Kneipe schüttelt sich vor Lachen. Ausrufe wie „Nä nä, dä Justav, dat iserer einer“ machen die Runde. Ich lache mit.
„Und sah der Laden damals schon genauso aus?“
„Dat wor he immer esu. He is noch nie renoviert worde. Vürm Kreech hät he vüür d´r Pooz en Päädstränk jestande. Die es ävver fott.“
Gelächter: „En Päädstränk, en Päädstränk. Dä Justav, ich jlöuv et nit.“
„Un die ahle kölsche Kneipe, die sinn jo suwiesu all fott. Do sinn jo jetz överall Türke dren.“
„Jo“, stimmt einer der Würfler zu, „un Rumäne.“
„Jenau“, sagt Gustav, „un Rumäne.“
„Wie war das denn hier in der Nachkriegszeit?“ frage ich beflissen.
„Do hinge wor en Kegelbahn, ävver die wor ze koot.“
„Zu kurz?“
„Jo, deshalb wor dat kein Bundeskegelbahn. Die wor ze koot. Un rääts öm de Eck wor dä Tanzsaal.“
„Was lief da für Musik?“
„Alles.“
„Auch Rock´n´Roll?“
„Rock´n´Roll, Schlägereien, alles.“
„Wer hat sich denn da mit wem geschlagen?“
„Jo, die einen mit den anderen.“
Heiseres Gelächter rundum. Einer der Würfler hat eine verblasste Narbe auf der Stirn. Ich bedanke mich für die Auskünfte und gehe raus zu meinem Motorrad. Plötzlich steht Gustav neben mir.
„Luur, do hinge, do woren och noch zwei kölsche Weetschafte. Ävver do sinn jetzt och Ausländer drin.“
Ich betrachte das Vereinslokal-Schild neben der Tür. „Und bei euch treffen sich die kölschen Mongolen, wie ich sehe.“
Gustav folgt meinem Blick auf die Messingplatte. Er scheint kurz nachzudenken und sagt dann: „Dat sinn ävver kein Mongole. Dat sinn alles Kölsche.“


Reguläre Bundeskegelbahn


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Mittwoch, 10. November 2010

Fundstücke (9)

Bier macht dick, dumm und faul (und andere Vorurteile)

"Schwindel ist es, wenn Bierbrauer und Wirte behaupten, Bier sei flüssiges Brot. Bier ist flüssiger Tod.
Bier macht dick, dumm und faul.
Der Bierphilister ist der Feind jedes Fortschrittes. Warum? Weil er nur noch sich selbst mästen mag, weil er zu dumm ist, den Fortschritt zu begreifen, weil er zu faul ist, sich für etwas Rechtes anzustrengen.
Arbeiter, hütet Euch vor den Bierphilistern unter Euch!"
(Sozialistische Agitation gegen das Biertrinken um 1900, aus: Kneipen, Kotelett, Karneval, Band 9 der Werkstatt für Ortsgeschichte Köln-Brück)

"Es ist eine Minderheit von Aussteigern, Asozialen, Pseudointellektuellen und ideologischen Schwärmern. Eine Minderheit, die uns ihren Willen aufzwingen will, die nicht besser ist als jeder Erpresser."
(der ehemalige Chef des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins Hanns Schaefer über Hausbesetzer, in: Engelbert Greis: Die Stollwerck-Story, 1980)

"Sozialschmarotzer tragen nicht nur Trainingsanzug, sondern auch Nadelstreifen."
(FAZ vom 20.10.10)

Biertrinkende, rauchende, dicke, dumme, faule Hausbesetzer

"Ich hab´s mit Ratten. Als ich auf dem alten Trawler gefahren bin, hab ich wie besessen Ratten gejagt. Wenn ich ein paar zusammenhatte, hab ich sie in den Heizkessel oder ins Meer geworfen. Ins Meer werfen, wenn es ruhig ist, ist unterhaltsamer. Du hältst ihnen einen Bootshaken hin, und sie kommen raufgekrochen. Wenn sie fast oben sind, schlägst du mit einem anderen Bootshaken dagegen, und sie plumpsen wieder ins Wasser. Man darf sie nur nicht zu nah rankommen lassen, dann springen sie und beißen dir ins Gesicht. Sind ekelhafte Biester."
(Aus dem Roman „Gran Sol“ von Ignacio Aldecoa)

"Ich fühle mich ins Dritte Reich zurückversetzt. Es ist eine Schande, was hier gegen Raucherkneipen abläuft." (Waltraut Jost-Meurer)
"Unfassbar. Raucher werden verfolgt, aber unsere Kinder verfetten." (Ulla Schäfers)
(Volksbefragung, Express vom 8.10.2010)

Frage: "Welche Vorstellungen hatten Sie von Deutschland, als Sie im Sommer kamen?"
Antwort: "Bier und Würstchen."
(Borussia Dortmunds Japaner Shinji Kagawa im FAZ-Interview vom 31.10.2010)



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Mittwoch, 3. November 2010

Deutschlandreisen (5)

Bürgerbräu in Bad Reichenhall

In Bad Reichenhall trinkt man Bürgerbräu, und so heißt auch das, ja, „urigste“ Hotel am Ort. Aus allen Brunnen der Stadt fließt Salzwasser, das von der Saline kommt. Bad Reichenhaller Salz kennt jeder:



... und bei einer Saline handelt es sich um folgendes: Erst war das Meer da, vor Jahrmillionen. Und als es sich zurückzog, hinterließ es Salz, das irgendwann durch tektonische Verwerfungen von Stein eingeschlossen wurde. Der Wasserlauf, der dieses Salz wieder aus dem Felsen wäscht und in sich aufnimmt, heißt genauso Saline wie das Bergwerk, das dieses „Weiße Gold“ wieder dem Wasser entreißt. Schon die Römer (wie oft fangen Sätze eigentlich mit „schon dier Römer“ an?), schon die Römer also, und auch vorher die Kelten, wussten den Schatz im äußersten Südosten Bayerns zu nutzen. Und übrigens: Auch das Wort „Hall“ bezeichnet ursprünglich ein Salzvorkommen, und von hier aus entwickelte sich auch der Stadtname: Reich an Hall.


All dies erfährt man bei einer Führung durch das alte, wunderbare, noch immer intakte und aktive, als Unesco-Welterbe firmierende Bergwerk. Aber dafür muss man auch, so die Führerin, 300 Stufen erklettern.
„Ich habe die Knie kaputt, dann will ich mein Geld zurück“, sagt eine der alten Frauen um mich herum. Klar, Wochentag und Mittagszeit, welcher Nichtrentner will jetzt schon ins Salzbergwerk!
„Für meinen Mann ist das auch nichts mit dem seiner Raucherei.“
Und so bleiben von zehn Anwesenden nur zwei übrig, zum Glück ist mein Kompagnon ein rechtschaffener Bildungsbürger.


Die Salzprobe war sehr dursttreibend. Kaum auf dem Rathausplatz hingesetzt und ein Bier geordert (Bürgerbräu), kommt auch schon eine Kapelle anmarschiert. Interessant ist: Die Dicken mit den dicken Trommeln (Sechs an der Zahl) stehen in der ersten Reihe, die anderen, die sich immerhin mit der Melodie abmühen, müssen in diesem Landstrich nach hinten. Nach dem Holzmichel widmet man sich John Denvers Country Roads, und nach dem zweiten Halben suche ich das Weite.
„Ich bin beim Barras“, sagt der junge Kerl im Pazzo. Genau wie die Kellnerinnen kommt er aus der DDR. Was in Köln die Türken und in Luxemburg die Portugiesen, sind in Bayern die Ossis: billige Fremdarbeiter. Ansonsten ist es noch leer hier im Club, aber „Eye of the Tiger“, volle Motte laut, abends um 7 in Bayern, hat mich reingelockt. Die Kellnerinnen flüstern, ich fühle mich ein bisschen alt hier: „Sind Sie von der Lebensmittelaufsicht?“
Nein, das hat sie nicht gefragt.
„Kriegst du noch eins?“
„Ja.“
Letztens am Westwall sagte einer zu mir: „Ich bin ungedient.“ Jetzt ist einer „beim Barras“. Deutschland ist groß und verfügt über einen reichen Sprachschatz. Abends im Bürgerbräu werde ich an einen dieser riesigen bayrischen Brauhaustische gewiesen. Sechs Menschen aus Velbert setzen sich dazu, Delegation einer bergischen Tambourtruppe. Nächstes Jahr wollen sie auf dem Reichenhaller Rathausplatz spielen.
""Haben Sie auch John Denver im Repertoire?" frage ich.
"Nein", sagt der Wortführer, bei uns geht das eher so´n bisschen Richtung Jazz."

Bayrische Haxe



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