Mittwoch, 30. April 2014


Interviews (27)

Heute: Der Musiker Arno Steffen (Zeltinger Band, L.S.E.)

„Verdamp lang her“ sind keine verdammt langen Haare.

Arno Steffen wurde 1953 im Severinsviertel geboren. Nach Anfängen in diversen Kölner Gruppen gehörte er 1978 zu den Gründungsmitgliedern der Zeltinger Band, die im selben Jahr mit der LP „Live im Roxy“ deutschlandweit berühmt wurde. 1981 wechselte Steffen kurzfristig zur Prog-Rock-Band Triumvirat, bevor er 1983 erstmals als Solokünstler unterwegs war. Zusammen mit der Studio-Legende Conny Plank produzierte er u.a. den Hit „Supergut, ne?“. Kölsche Musikgeschichte schrieb er ab 1992 gemeinsam mit Tommy Engel und Rolf Lammers. L.S.E.-Songs wie „Sein Lassen“, „Kopfe Sneide“ und „Saunaboy“ wurden zu Evergreens. Heutzutage schreibt Steffen zahlreiche Filmmusiken, u.a. für diverse Tatort-Folgen und den letzten „Schimanski“. 2013 erschien sein Soloalbum „Hop Hop“ mit dem er zur Zeit auf Clubtournee ist.
Arno Steffen lebt mit seiner Frau in der Südstadt.

Um 1976 herum habe ich im Jugendzentrum Meschenich die Band Jennifer gesehen, deren Mitglied Sie waren. Erinnern Sie sich an den Gig?

Nein, obwohl wir nicht viele Auftritte hatten. Einmal haben wir in einem Schützenheim gespielt, wo uns der Hausmeister den Strom abdrehte, weil wir angeblich zu laut waren. Zum Essen nach dem Konzert hatten wir uns Currywürstchen bestellt, die flogen dann jenem Hausmeister hinterher.

Das Konzert in Meschenich wurde damals nach drei Songs wegen Regen abgebrochen. Aber ich habe mir Ihre Single gekauft.

Zum Beweis lege ich Arno Steffen die 38 Jahre alte, recht zerkratzte Seven Inch vor.

Oh, super! Weil ich mit dem Chef Horst Leichenich befreundet war, gab es diese Single in der Musikbox vom ehemaligen Roxy.

Der legendäre Kneipenclub lag ursprünglich an der Maastrichter Straße, dort traf sich die Kölner Musiker-, Künstler- und Lebenskünstlerszene.

Die beiden Songs waren in einem Pseudo-Englisch verfasst, das waren alliterierte Blendax-Texte. Eines Tages standen zwei englische Musiker im Roxy und hingen ewig über der Musikbox, um zu verstehen, was da verdammt nochmal gesungen wurde.

Haben sie es herausgefunden?

Irgendwann wussten sie, dass ich es war, der da sang. Da dachte ich nur: Oh Mann! Seitdem versuche ich, meinen Texten einen gewissen Sinn zu geben.

Die meisten Ihrer bekannten Texte sind kölsch. Wie haben sie den Dialekt gelernt?

Ich bin in der Südstadt aufgewachsen, in der Zwirnerstraße. Meine Eltern haben kein Kölsch mit uns gesprochen, denn das stand für eine niederen sozialen Status. Aber wenn es zuhause Auseinandersetzungen gab, verfiel man stets in den Dialekt. Und Kölsch wurde natürlich auch auf der Straße gesprochen.

Südstadt-Impressionen (1)

Auch in Lindenthal, wohin Ihre Familie dann zog?

Das war ein Sanella-Viertel, so genannt, weil sich die Leute angeblich die Butter sparten, um ihr Häuschen zu bauen. Für mich war Kölsch später eine Protestsprache, damit war man anders als die anderen. Richtig gängig wurde der Dialekt eigentlich erst mit dem Auftauchen der Bläck Fööss.

Sind Sie Purist, was das Kölsche betrifft?

Wenn ich an Karneval die Leute vor den Kneipen singen höre, dann ist das schon oft ein fürchterliches Falschkölsch. „Verdamp lang her“ sind keine verdammt langen Haare.

Wie kölsch ist die Südstadt heute noch?

Wolkenhaft! (lacht) Vor 40 Jahren war die Südstadt rein proletarisch und zu 95 % kölsch. Hier lebte man total solidarisch, da konntest du als Kind überall schellen, kriegtest was zu trinken oder ein Butterbrot. Das hat sich über die Jahrzehnte extrem verändert.

In welche Richtung?

Das hatte hier etwas beinahe Dörfliches. Sonntagsmorgens wurden das Kissen ins Fenster gelegt und gequatscht. Denken wir an das „Veedel“ das Bläck Fööss: „Die Stündche beim Klaafe, es dat vorbei?“ Ja, das ist vorbei.

Man nennt das heute gern „Gentrifizierung“.

Rechtsanwälte, Lehrer, der bildungsbürgerliche Mittelstand hat den einst billigen Wohnraum erobert. Die selben Leute, die damals Stollwerckbesetzer waren, haben später als Etablierte den Kneipen hier das Leben schwergemacht.

Linksalternatives Spießertum?

Das ist das IKEA-Establishment. Aber was ich mit „wolkenhaft“ meine: Die Kölschen, das Kölsche ist noch nicht völlig verschwunden. Manchmal, wenn ich hier durch die Straßen gehe, weht mir aus einem Hauseingang, aus einer Kneipe heraus eine sprachliche Kölschwolke entgegen.

Jürgen Zeltinger ist Ende der 1970er durch die Stadt gelaufen und hat seine Bandmitglieder zwangsrekrutiert. War von Anfang an klar, dass das Kölschrock wird?

Dem Jürgen schwebte eigentlich so eine Combo à la Crosby, Stills, Nash & Young vor. Aber vor allem zu ihm passte das gar nicht, der ist ein reiner Rock´n´Roller. Zur zweiten Probe habe ich direkt die komplette Band mitgebracht.

Die Hoch-Zeit der Zeltinger Band verlief parallel zur Neuen Deutschen Welle. Wo würden Sie NDW heute musikhistorisch einordnen?

Owei. Darunter wurden Schlagersänger wie Markus, Nena oder Hubert Kah subsummiert, aber auch Avantgardebands, Max Goldt, DAF und Liaisons Dangereuses zum Beispiel.

Sie selbst haben Anfang der 1980er den Song „Supergut, ne?“ herausgebracht: einerseits moderne Sample-Technik, andererseits ein geradezu provozierend primitiver Text. Ist das typisch Arno Steffen?

(lacht) Ja. Das entspricht meiner Art, Dingen Ausdruck zu geben. Ich vergleiche das manchmal mit Igeln, an die du nicht so einfach drankommst. Weil sie ihre Stacheln ausfahren.

Südstadt-Impressionen (2)

Sie haben mal eine Dokumentation über den Affen Petermann gemacht, der als TV-Star begann und später den Zoodirektor anfiel und erschossen wurde. Wie war das mit Ihnen und dem Affen?

Da hat mich mein Freund Georg Roloff drauf gebracht. Damals stand an vielen Mauern der Spruch „Petermann, geh du voran“, und das hat uns neugierig gemacht.

Petermann ist angeblich mit gereckt-geballter Faust in den Tod gegangen ...

Ist klar ... Jedenfalls enthält Petermanns Leben diverse Parabeln. Der wurde geschlechtsreif und schwierig, der wurde im Alter vergessen, und als sie im Zoo das neue Affenhaus bauten, musste Petermann mit seiner Freundin Susi im alten Gebäude bleiben. Obwohl der Neubau u.a. mit Petermanns Sparbuch finanziert worden war.

Vom Affenhaus zum Hummerbecken: „Sein lassen“ ist eines jener L.S.E.-Lieder, die inzwischen zum kölschen Evergreen-Gut gehören.

Früher gab´s bei der EMI Kassetten mit Songideen, und der Rolf Lammers (das L in L.S.E.) hatte mir eine davon zugesteckt. Aus Versehen habe ich die falsche Seite aufgelegt, aber da war dann dieser hummelflug-artige Song drauf, der zu „Sein lassen“ wurde.

Aber die Textidee war von Ihnen?

Der Text ist final in L.S.E.-Zusamenarbeit entstanden. Als ich das Lied im Studio einsang, sah ich plötzlich niemanden mehr im Regieraum, die Aufnahme lief aber weiter! Ich also da hin, und dann entdeckte ich Tommy und Rolf: Die waren vor Lachen von ihren Stühlen unters Pult gerutscht.

Haben Sie die Geschichte vom kleinen Ralf im Hummerbecken in Wirklichkeit erlebt?

Nicht genau so natürlich. Aber eigentlich ist die Frau in dem Song meine Mutter. Wenn einer ihre Pänz anmachte, gab es Kasalla. Aber zuhause dann: „Wat häs do jemaat?“ - Da gab´s dann auch Kasalla, die konnte ziemlich rabiat sein.

L.S.E. war großartig, aber nicht von Dauer. Wieso?

Ich glaube, L.S.E. gibt es noch. Das ist ein Geist, der nicht vollends verschwindet. Ich sage immer: Wir haben unsere L.S.E.-Karriere allrdings mit einem St.-Pepper-Album angefangen. Alle Hits auf der ersten Platte, das ist eine verdammt hohe Latte.

Ist es nicht eher so, dass man sich als kölsche Band ohne Karnevalsauftritte nicht lange hält?

Ich stimme in soweit zu, als es ohne Karneval schwer wird, sich langfristig von kölscher Musik zu ernähren. Aber deshalb braucht man ja dennoch keinen so genannten Karneval zu machen.

Auch das berühmte Arsch-Huh-Konzert 1993 war kölsch, aber nicht karnevalesk. Kaum jemand weiß, dass es eigentlich zwei Arsch-Huh-Hymnen gab. Die bessere, musikalisch deutlich härtere, stammte von Ihnen, wurde aber nie groß vermarktet.

Danke für das Lob, das Stück von Niki und Wolfgang ist großartig. Ich hatte aber einen anderen Druck bezüglich dieses Themas Ausländerfeindlichkeit. Den Titel spiele ich auch zur Zeit in meinem neuen Programm.

Wie würden sie dieses Bühnenprogramm beschreiben?

Man kann einknicken und Lieder mit Schunkelfaktor schreiben, aber soweit bin ich noch nicht. Ich will die Leute nicht da abholen, sondern suche eher welche, die mich so mögen, wie ich mir selbst am liebsten bin.

Sie haben sich mal als eine Melange aus Frank Zappa und rheinischer Stimmungssänger bezeichnet.

(lacht) Ja, das passt gut.





Südstadt-Impressionen (3)

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Mittwoch, 23. April 2014

Geschichten aus 1111 Nächten (51)

Die fünf Brote der alten Frau Schmitz

Die alte Frau Schmitz kaufte bei ihrem Bäcker jeden Tag fünf Brote. Eines Tages fragte sie der Bäcker, verwundert über den großen Bedarf:
„Jute Frau Schmitz, wat maht ihr eijentlich met sovill Brud?"
„Ein Brot kaufe ich für mich, zwei gebe ich zurück und die beiden übrigen leihe ich aus“, antwortete die alte Frau Schmitz.
Der Bäcker wusste mit dieser Antwort nichts anzufangen und hakte nach:
„Dat verstonn ich jetz ävver nit. Wie meint ihr dat, Frau Schmitz?“
Und die Frau Schmitz erklärte es ihm: „Ein Brot esse ich selbst. Die zwei Brote, die ich zurückgebe, bekommen meine Eltern, weil sie mich ernährt haben, als ich klein war. Die beiden Brote, die ich ausleihe, gebe ich meinen Kindern mit der Bitte, sie mir zurückzugeben, wenn ich alt bin und mein Brot nicht mehr selber besorgen kann.“


Familiärer Zusammenhalt ist was Feines




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Mittwoch, 16. April 2014

Interviews (25)

Heute: Die Slackline-Weltmeisterin

Elisabeth „Elli“ Schulte wurde 1989 im sauerländischen Brilon geboren. Nach dem Abitur ging sie 2008 nach Köln, um ein Sportstudium aufzunehmen. Hier kam sie auch mit dem Slacklinen in Kontakt: Auf einem zwischen zwei Bäume gespannten Band werden Tricks wie Handstand oder Überschläge präsentiert. Elli Schulte feierte früh auch internationale Erfolge, unter anderem qualifizierte sie sich jedes Jahr gegen die Männer im World Cup und war sie die erste Frau, die einen Rückwärtssalto (Back Flip) stand. Der „Ellicopter“, ein gedrehter einarmiger Handstand, wurde zu ihrem Markenzeichen. Derzeit ist sie Erste der Deutschen und Zweite der Weltrangliste. Über Shows, Workshops und weitere Sponsoren plant sie ab April dieses Jahres ins Profilager zu wechseln.
Elli Schulte lebt in einer Wohngemeinschaft in Braunsfeld.

Das verabredete Café hat noch geschlossen, deshalb setze ich mich mit Elli Schulte ins Grüne. Slackliner seien ohnehin naturverbunden, sagt sie. Und unter hohen Bäumen fühle sie sich wohl.

Mir wird schon auf der Kinderwippe schwindelig. Was empfinden Sie beim Hüpfen auf diesem Band, der Slackline?

Kommt immer drauf an, wo man unterwegs ist. Die Longline - also längere Leine - vermittelt durch die weiteren, langsameren Schwünge einen eher meditativen Aspekt. Die Trickline dagegen ist pure Action.

Welche Art Kick wird dabei erzeugt? Schwerelosigkeit?

Beim Slacklinen, oder wie wir auch sagen: Slacken, geht es um Spaß und Freiheit, aber auch um Konzentration. Auch die Schwerelosigkeit spielt eine Rolle, aber das muss eben alles absolut kontrolliert ablaufen. Dieses Band, auf dem man da landet, ist schließlich nur fünf Zentimeter breit.

Ein Schwebebalken hat die doppelte Breite. Sie haben selbst geturnt, kann man das vergleichen?

Slacklinen ist am ehesten eine Mischung aus Schwebebalken und Trampolin. Der statische Balken ist verlangt nach einem anderen Gleichgewicht. Nichts desto trotz hat mir meine Zeit als Turnerin sehr viel gebracht für meinen heutigen Sport.

Haben Sie auf dem Schwebebalken schon als Kind diese halsbrecherischen Rückwärtssalti ausprobiert?

So professionell war das bei uns auf dem Dorf nicht. Ich habe mir viel selber beigebracht, und im Sportstudium kam dann auch Hintergrundwissen dazu. Genauso fließen ins Slacklinen meine Erfahrungen mit Parkour und Freerunning ein.

Bei diesen beiden urbanen Trendsportarten geht es um (Fort-)Bewegung auf jedwede Art: über Mauern und Abgründe, mit Hilfe von Zäunen und Hauswänden, Treppen und allen Arten von Hindernissen. Leichtathletik, Turnen und Akrobatik halten sich hier die Waage.

Wie groß ist die Kölner Slackline-Szene?

Sie wächst immer weiter, in der von mir gegründeten Facebook-Gruppe sind inzwischen rund 300 Leute. Der engere Kern trainiert zusammen, wir machen auch gemeinsame Slackline-Ausflüge.

Ist Köln eine Metropole?

Im nördlichen Teil Deutschlands auf jeden Fall. Aber in München oder Stuttgrt läuft viel mehr. Die sind einfach sportaffiner.

Bayern sind sportlicher als Rheinländer?

(lacht) Zumindest muss man feststellen, dass der Outdoor-Sport im Süden Deutschlands deutlich breiter betrieben wird als hier.

In Köln ist Slacklinen aus Baumschutzgründen verboten. Wo kann man es dann weiter betreiben?

Im Grüngürtel gibt es diverse Slackline-Parks, auch am Aachener Weiher und am Colonius stehen welche.

Können Sie das Verbot nachvollziehen?

Positiv ist, dass die Anlagen vor dem Verbot errichtet wurden. Wenn irgendwelche Anfänger die Line ohne Baumschutz festzurren, ist das natürlich schlecht. Aber wenn man die Slackline richtig aufbaut, dann verletzt das den Baum auch nicht.

Die Lebensadern eines Baums verlaufen direkt unter der Rinde.

Genau, deshalb sollte man auch möglichst umfangreiche Stämme mit dicker Borke benutzen.

Sie stammen aus Brilon im Sauerland, wo einst Kyrill wütete. Der hat vermutlich mehr Bäume vernichtet als das Slacklinen.

(lacht) Ja, ich weiß eigentlich von keinem einzigen durch den Sport abgestorbenen Baum.

Können sie sich an den Orkan erinnern?

2007 habe ich noch zuhause gewohnt. Ich kam aus der Schule, und auf dem Marktplatz flog gerade der große Weihnachtsbaum um. Gleichzeitig schlug mir auch noch ein umherfliegendes Schild in die Hacken, das mich endgültig verjagte. Danach waren wir alle im Haus, wie eingesperrt.

Und haben gemeinsam gebetet?

Ja ja, bei uns betet man noch.

Haben Sie durch Ihre Herkunft und den Sport ein besonderes Verhältnis zu Bäumen?

Als Outdoorsportler ist man sehr naturverbunden. Wälder mochte ich tatsächlich schon als Kind, und heute sind die Bäume Teil meines Sports.

Kann man Slacklinen schon als internationalen Trendsport bezeichnen?

Ich bin von Anfang an dabei und sehe, dass es sich immer mehr in diese Richtung bewegt. Vor drei Jahren musste ich noch fast jedem erklären, was Slacken überhaupt ist.

Läuft bei Ihren Wettbewerben immer Musik?

Ja, im Hintergrund.

Also ist so ein Vortrag eine Art Kür, wie beim Eiskunstlaufen?

Nicht ganz, denn es gibt keinen festen Ablauf. Man weiß ja nie, wie man wieder auf dem Band landet. Deswegen habe ich zwar Elemente im Kopf, bringe diese aber in spontaner Reihenfolge. Außerdem laufen unsere Turniere als 1 gegen 1-Battle. Das heißt, man reagiert auch auf das, was der Gegner macht.

Sie vollführen auf diesem wackligen, wippenden Band einen einarmigen Handstand. Wie lange haben Sie dafür geübt?

Die Figur kommt aus dem Breakdance, das konnte ich eigentlich einfach so. Und weil ich mich dabei noch drehe, wurde dieser Trick mein Signature Move.

War auch mal Trendsport: Kegeln

Also Ihr Markenzeichen, der sogenannte „Ellicopter“. Sie sind auch die weltweit erste Frau, die einen Front- und Backflip, einen Vorwärts- und Rückwärtssalto landete. Wie ist das mit dem Geschlechterunterschied beim Slacken?

Anfangs konnte ich auch bei den Jungs noch oft gewinnen. Inzwischen hat der Schwierigkeitsgrad der Tricks enorm zugenommen. Ich glaube ohnehin, der große Unterschied zwischen Männern und Frauen ist die Risikobereitschaft.

Männer sind eher bereit, sich notfalls den Hals zu brechen, um Erster zu werden?

Genau. Wobei Slacklinen natürlich auch für Frauen viel mit der Überwindung von Angst zu tun hat.

Apropos Angst: Können Sie sich vorstellen, auf so einem Band über einen Canyon zu balancieren?

Finde ich durchaus reizvoll, mache ich auch ab und zu. Zusammen mit Leuten aus der Kölner Szene, die sich stärker auf Longline und Highline konzentrieren.

Wie überwindet man die Höhenangst?

Wenn man auf das Band geht, ist das ein totaler Blackout-Moment. Was da im Kopf vorgeht, kann ich gar nicht sagen. Man tut einfach, was zu tun ist, und sieht zu, dass man auf der anderen Seite wieder ankommt. Erfahrene Highliner erzählen, dass das irgendwann überhaupt nicht mehr schockt.

Sie studieren Sport, da braucht man zwei Schwerpunkte. Gilt Slacklinen als solcher?

Leider nein. Meinen Master mache ich in Sport- und Bewegungsgerontologie, also Sport mit Älteren. Aber es ist mein Ziel, Slacklinen in die Gerontologie zu integrieren - im Rahmen der Sturzprävention für ältere Menschen. Der Sport motoviert nicht nur zu mehr, er ist eben auch ein tolles Gleichgewichtstraining.

Da könnte man ja vielleicht etwas breitere Bänder verwenden.

Slacklines gibt es nur in 5 cm Breite. Aber die Steigerungen bestehen darin, wie weit oder hoch man das Band spannt und wieviel Hilfestellung man anbietet. Unsere Erfahrungen zeigen, dass Senioren richtig viel Spaß dabei haben. Und das gilt ja nicht für alle Sportgeräte.

Dann könnte man Ihrer Meinung nach zukünftig auch das schulische Reckturnen à la Turnvater Jahn durch Trendsportarten wie Slacken ersetzen?

Ich denke, das wird so kommen. Und hoffe, dass ich meinen Teil dazu beitragen kann.




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Mittwoch, 9. April 2014

Geschichten aus 1111 Nächten (51)

Hundeklettern am Dom

Es war im Jahr des Hundes, als sämtliche Herrchen der Stadt zu einem Wettbewerb geladen wurden: Wessen Kläffer es schaffe, den Dom von außen zu erklettern, dem werde vom Kardinal eine eigene Messe gelesen.
Kein Kölner Hundebesitzer wollte sich diese Chance entgehen lassen, und so erschienen am besagten Tag die herrlichsten Doggen, ausdauerndsten Schäferhunde und kräftigsten Mastinos auf der Domplatte. Mitten unter ihnen: der völlig verkaterte Tünnes mit seinem uralten, schlappohrigen Dackel.
„Nie und nimmer“, raunten die Zuschauer. „Nie und nimmer erreicht auch nur ein Hund den Glockenturm. Geschweige denn die Domspitzen.“
Immer lauter wurde das skeptische Gerede, bis es auch die kletternden, japsenden Hunde ansteckte. Einer nach dem anderen gab auf, fiel hinab oder musste auf halber Höhe gerettet werden. Nur des Tünnes alter Dackel krallte sich weiter in den Sandstein und kraxelte tapfer weiter. Als er schließlich die Spitze des Südturms erklommen hatte, drehte er sich zum ersten mal um und schickte seinem Herrchen einen treuherzigen Blick nach unten.
Die Besitzer der Nobelhunde zogen beschämt von dannen, die Zuschauer jedoch bedrängten den Tünnes.
„Sag uns, werter Anton, wie hat dein Dackel das geschafft, wo sich doch alle anderen durch unser defätistisches Gemurmel entmutigen ließen?“
„Ganz einfach“, entgegnete Tünnes, „mein Waldi ist seit fünf Jahren taub.“

Wille ist stärker als Drogen

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Mittwoch, 2. April 2014

Coloniales (40)

Nackte Füße und geplatzte Eier

Um die Herkunft von Brings, Kasalla, Höhner & Co. zu entschlüsseln, braucht es keinen kölschen Duden. Aber wie kamen die folgenden Bands zu ihrem Namen?


Bläck Fööss: Die kölscheste aller Kölner Mundartbands hat in den 60er Jahren mit englischer Beatmusik begonnen. »Stowaways« nannte man sich damals und spekulierte durchaus auf eine internationale Karriere. Bald jedoch stellte sich heraus, dass man mit kölschen Liedern deutlich erfolgreicher war. Um sich den Ruf als Beatband nicht zu verderben, suchte man für solche Auftritte nach einem anderen, deutschen Namen. Und um gleichzeitig noch eine Prise Anglophilie einzustreuen, verfielen Engel, Stokklosa & Co. auf einen gelungenen Kompromiss: Bläck Fööss, die schwarzen, nackten Füße. In ihrer Anfangszeit trat die Gruppe dann tatsächlich stets ohne Schuhe und Socken auf.

BAP: Beim Namen fange es schon an, nörgeln altgediente Eingeborene. Da werde doch schon deutlich, dass der Niedecken kein echtes Kölsch sprechen könne. Denn BAP, das soll „Papa“ heißen und an des Frontmanns Vater erinnern. Aber wie man im Karneval keine „Bappnas“ trage, so gebe es im Kölschen auch keinen „Bap“ – Papa.* Tatsächlich bevorzugen einschlägige Lexika die Variante mit P. Spricht man jedoch einen Satz wie „Minge Pap es am schänge“ ein paar Mal schnell hintereinander, so stellt man fest: Des Papas erster Buchstabe ist weder ein klares P noch B, sondern liegt phonetisch irgendwo dazwischen.

Paveier: Hier stehen keineswegs „Paff-Eier“ auf der Bühne, die Hühnerprodukte zertrümmern. Stattdessen wird dieses Wort mit einem w gesprochen und auf der zweiten Silbe betont. Ein Paveier ist ein Straßenpflasterer, was umso glaubhafter wird, wenn man z.B. ein Englischlexikon zu Rate zieht. „Pavement“ bedeutet auf der Insel nämlich Bürgersteig bzw. Straßenpflaster.

* Zumal man in Köln eher „Vatter“ als „Pap“ sagt.


Der Trommler von "De löstije Schrammelbröder"


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