Mittwoch, 28. November 2012

 Interviews (8): Lina Beckmann

"Hiasch oder Robbe"

Letzten Sonntag spielte sie im Münsteraner Tatort mit. Aber eigentlich ist sie am Kölner Schauspielhaus beschäftigt. Lina Beckmann wurde 1981 in Hagen geboren und wuchs in Wanne-Eickel auf. Nach ihrer Ausbildung an der Westfälischen Schauspielschule war sie zunächst am Schauspielhaus Bochum und dann in Zürich engagiert. 2007 wechselte sie mit dem Start von Intendantin Karin Beier nach Köln. Seitdem wirkte sie u.a. bei den Aufführungen von Der Menschenfeind, Iphigenie, Das Fest und Der Kirschgarten mit. Außerdem sah man sie in diversen Kino- und TV-Produktionen (u.a. Tatort).
Nachdem sie 2005 den Solopreis des Bundeswettbewerbs zur Förderung des Schauspielnachwuchses erhalten hatte, wurden ihr 2011 der Alfred-Kerr-Darstellerpreis für den besten jungen Schauspieler des Berliner Theatertreffens sowie der Kritikerpreis „Schauspielerin des Jahres“ verliehen. Lina Beckmann lebt mit ihrem kleinen Sohn in Bochum.

Sie sind in Wanne-Eickel aufgewachsen, einer Stadt mit außergewöhnlich schönem Namen. Wie würden Sie die charakterisieren?

Ich will jetzt Wanne-Eickel nicht runtermachen, aber: Wenn man weiß, wo die schönen Ecken sind, ist es immer noch hässlich. (lacht)

Wie tief reichen Ihre Ruhrgebietswurzeln?

Meine Eltern stammen beide von dort. Ein Opa und ein Onkel von mir waren sogar Bergmann. Und wir als Familie sind bis heute im Ruhrpott geblieben.

Sie haben Fechten und Reiten gelernt, das klingt eher nach einer Oberschichten-Kindheit.

Nein, wir waren fünf Kinder und gehörten eher zur Unterschicht. Fechten habe ich erst in der Schauspielschule gelernt. Und Reiten will doch jedes Mädchen!

Eher Winnetou oder Dressur?

Eigentlich wollte ich immer am Strand oder durch den Wald reiten. Habe ich mir wahnsinnig toll vorgestellt. Aber ich hab´s bis heute nie geschafft, ich bin nie aus der Reithalle rausgekommen.

Sie beherrschen auch den Dialekt Ihrer Heimat. Woher?

Zuhause haben wir Hochdeutsch gesprochen. Aber das Ruhrpöttische war ja ansonsten überall: auf der Straße, beim Bäcker und im Supermarkt. Wenn ich auf der Bühne spreche, sagt man mir oft, dass der Dialekt durchscheint. Ich sage „Hea“ statt „Herr“ und „Schweat“ statt „Schwert“.

Und ich heiße Beant, nehme ich an.

Ja, genau.

Durften Sie den Dialekt schonmal bewusst auf der Bühne einsetzen?

Nee, im Theater wurde der nie gewollt.

Steht dahinter die Angst vor der Verwechslung mit dem Volkstheater?

Ja, wahrscheinlich. Mir fällt immer auf, dass Leute mit Dialekt sofort komischer und direkter wirken. Ein klassischer Text, vorgetragen auf Kölsch oder Berlinerisch, das ist etwas ganz Anderes. Aber wer weiß, vielleicht hält der Dialekt irgendwann Einzug auf den großen Bühnen.

Haben Sie dialektale Vorlieben?

Wenn ich jetzt drüber nachdenke: Mir gefällt die Sprache im Ruhrgebiet und auch in Köln, in Berlin oder im hohen Norden. Da fühle ich mich direkt sehr wohl. Mit den südlichen Dialekten habe ich hingegen Schwierigkeiten.

Bekommen Sie durch Ihren Job hier mit, wieviel Wert Köln auf sein Brauchtum und seinen Dialekt legt?

Oh ja, dieser rheinische Singsang fällt einem sofort auf, wenn man hier ankommt. Das ist so eine Melodie ...

... wie die Wellen vom Rhein.

Richtig! So wunderschön warm. Und ich habe auch den Eindruck, hier spricht man seinen Dialekt gerne, der ist niemandem peinlich. Man merkt, dass die Kölner ihre Stadt sehr mögen. Und dass sie viel und gerne feiern, weiß ohnehin jeder.

Als was würden Sie sich denn Karneval verkleiden?

Für eine Schauspielerin ist das eine interessante Frage, schließlich verkleide ich mich ja jeden Abend. Karneval habe ich noch nie gefeiert, aber ich glaube, ich wäre gern eine Robbe. Oder ein Hirsch.

Selbstverständlich sagt Lina Beckmann an dieser Stelle: „Hiasch“.

Und was ist mit Cowboy und Indianer?

Die Chance, dass ich auf der Bühne mal ein Cowboy werde, ist größer. Deshalb lieber mal Hirsch.

Sie haben sich offenbar Gedanken über Köln gemacht. Aber am Telefon kannten Sie den Alter Markt nicht.

Nein, in der Altstadt kenne ich mich wirklich nicht aus. Und ich bin ohnehin sehr schlecht im Merken von Straßen und Orten. In Nippes habe ich mal gewohnt, und auch in der Südstadt.

Was ist Ihnen da in Erinnerung geblieben?

Die Südstadt mochte ich wegen dem Volksgarten und weil sie insgesamt so lieblich ist. Da gibt´s schöne Geschäfte, und man gerät ins Schlendern. Nippes ist viel roher und war mir noch näher, weil es mich ans Ruhrgebiet erinnert hat. Das wirkt so´n bisschen „bronxisch“ auf mich, ohne irgendwie abstoßend zu sein.

Heutzutage fahren Sie aber nach der Vorstellung zurück ins heimische Bochum.

Ja, da wartet mein Sohn auf mich.

Ist man an einem Stadttheater engagiert wie bei einem Fußballverein? Man verdient sein Geld und ist wieder weg?

Wenn du weiter weg musst, dann wird das sicher auch eine Art Heimat. Schauspieler ist in der Hinsicht ein seltsamer Beruf, weil man da immer für eine Stadt spielt, die man eigentlich gar nicht so gut kennt. Man möchte sich identifizieren, aber das braucht seine Zeit. In Zürich zum Beispiel habe ich sehr lange gebraucht, um diese Stadt zu verstehen oder sogar lieb zu gewinnen. Und dann war ich auch schon wieder weg.

Sie haben sogar in einem Schweizer Spielfilm mitgemacht.

Ja, ich habe eine deutsche Prostituierte in Zürich gespielt. Ich war die einzige, die Hochdeutsch sprechen durfte. (lacht)

„Man spielt für eine Stadt“, haben Sie gesagt. Was bedeutet das?

Naja, das ist hier das Kölner Schauspielhaus. Und wenn man hier arbeitet, dann möchte man, dass diese Stadt, diese Menschen gern in dieses Theater gehen.

Sie haben einige Städte erlebt. Würden Sie dem Kölner Publikum bestimmte Eigenarten zuschreiben?

Also in Zürich waren die Leute sehr distanziert. Die setzen sich hin und sagen: Nun macht mal, wir werden sehen. Die Kölner haben es uns dagegen sehr leicht gemacht. Seit Karin Beier hier anfing, liefen ja durchaus auch einige seltsame Stücke und Projekte, deren Titel man im Zweifelsfall nie gehört hatte. Aber die Leute kommen trotzdem, das finde ich toll.

Vom Kölner Schauspiel sprach vor 2007, also vor Karin Beier, niemand. Sie haben den Aufstieg von innen mitbekommen.

Ja. Als ich hier hinkam, fand ich das Haus furchtbar hässlich. Und es stank da drinnen nach Klo.

Ehrlich?

Es stank manchmal so sehr, dass man dachte, gleich kommt es aus allen Rohren geschossen. Auch die Garderoben sind unglaublich hässlich ...

 Charmant antiquiert oder nur hässlich?

Alles ist alt und abgenutzt, alle Schränke und Tische bestehen aus kunststoffbeschichteten Spanplatten. Und unter meiner Liege in der Umkleide stehen Giftfallen, weil da mal Ratten herumliefen. Aber jetzt bin ich schon so lange hier, dass ich selbst diese Garderobe irgendwie gernhabe.

Und wie entwickelte sich das Künstlerische?

2008/09 habe ich ein Jahr Pause gemacht, weil mein Kind geboren wurde. Und als ich wiederkam, war Köln schon in aller Munde.

Hier konnte vor 2007 man so etwas wie „Berliner Theatertreffen“ nicht einmal buchstabieren.

Tja, ich hatte Köln vorher auch nie wahrgenommen. Aber plötzlich war das Haus wieder voll, und alles war möglich. Das war eine richtige Aufbruchstimmung, so hatte ich das noch nie erlebt.

Seither hat man Sie auch häufiger im Kino und TV gesehen. Macht Ihnen das Spaß?

Bisher hatte ich nur Nebenrollen. Da stößt du für zwei Tage dazu, kennst niemanden und bekommst nichts von der Entwicklung des gesamten Projekts mit. Das ist natürlich nicht so schön.

Im Theaterbereich sind Sie zu prominent, um noch als dritter Hirsch von links besetzt zu werden. Im TV waren Sie allerdings noch an keinem richtigen Blockbuster beteiligt.

Nein, leider nicht. Wäre ich aber mal gern.

Fernsehen bedeutet jedenfalls gute Kohle, stimmt´s?

Ja.

Nähere Erläuterungen folgen hier nicht. Stattdessen ein dezidiertes Nicken, ein kurzes Schweigen und ein finales Lachen.

Hat sich mit Ihren beiden 2011 gewonnenen Theaterpreisen für Sie etwas verändert?

Das hat sich im ersten Moment alles wahnsinnig groß angefühlt. Und dann gab es auch eine kleine Welle von Anfragen, aber die ist schnell verebbt. Ich habe danach auch erstmal eine kleine Pause gemacht, also keine Engagements mehr angenommen, die über meinen Vertrag hier hinausgingen. Weil ich mich einfach mal wieder intensiver um meinen kleinen Sohn kümmern wollte.

Bringen Sie Opfer für ihre Mutterschaft?

Nein, so habe ich das nie empfunden.

Ihre dritte Spezialität nach Fechten und Reiten ist der argentinische Tango. Haben Ihnen das die Wanne-Eickeler Gauchos beigebracht?

Nein, obwohl die in der Hinsicht einen großen Ruf haben (lacht). Ich musste die Schritte für eine Rolle lernen und habe aus Spaß weitergemacht. In Zürich bin in dann immer samstags in so ein Tango-Lokal gegangen, wo man wartet, bis einen jemand auffordert.

Was gefällt Ihnen am Tango?

Dass man sich als Frau dabei nur führen lässt. Es war sehr entspannend und schön für mich zu begreifen, dass ich überhaupt nicht gucken muss, wo es als nächstes hingeht.

Hatten Sie geschmeidige Partner?

Auf der Bühne schon. Und im Lokal hatte ich so einen weißhaarigen alten Mann, wir haben uns dort immer wieder getroffen. Der war jetzt nicht super-heiß, und wir haben uns nie unterhalten oder angesehen. Aber mit ihm zu tanzen war schon ganz toll.

Die typisch kölnischen Tänze heißen Schunkeln und Stippeföttche. Kennen Sie sich damit aus?

Stippeföttche?

Dabei geht es darum, sich gegenseitig den Hintern herauszustrecken und zu wibbeln.

Ah, sowas wie Ententanz. Das lernt man wahrscheinlich auch nur durch die Praxis, oder?

Naja, im Grunde müssen einem diese Bewegungen im Blut liegen. Aber eine versierte Tangotänzerin aus Wanne-Eickel hätte wahrscheinlich gute Chancen.

LB: Wunderbar, ich warte darauf, das zu lernen!




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Mittwoch, 21. November 2012

Straßenkämpfer (23)

Zeit ham wir genug

Sei wer du bist
Sei was du bist
Vergiss die Kommaregeln.
Der Tod bedeute dir nichts.
Fahr nach Frankreich!
Frankreich! Frankreich!
Kommt alle nach Frankreich!
Schlag deine Gitarre an, sing
Falsett!
Sei
Niemandes Held, vergiss den Scheiß.
Wir rollen das R
Wir rocken und rollen, die beiden
Verse müssen eventuell raus, oder
Ich brech sie einfach anders um.

Mister Crowley, wat
Hamse denn mit dir gemacht?
Du willst einer von uns sein?
Magie, Tragik, mit dir
Läuft doch gar nix.
Drisch auf deine Orgel ein, Crowley,
Spiel ein wildes
WILDES
Gitarrensolo und
Hau dir noch nen Whiskey rein, bis du
N Tatterich kriegst.
Was ist schon Zeit, die
Ham wir genug, du
Und ich.

Badaddabadda!!!!!!!
Schonmal ne richtige Schweinerocknummer gehört?
Duuuuuu
Weich-Ei, ich
Bin heut in Gönnerlaune, brauch
Nen Ritt, Mädchen,
für
heut Nacht, Mädchen. Aber
nimm das nicht wörtlich, das ist nur
Rock´n´Roll und Political Correctness,
Abba
Ficken tun wir trotzdem.


Du bist besoffen und
Für mich wird der Weg immer kürzer.
Ab an die Westküste, würd ich sagen, ich
Hab immer die selbe Jeans an, ich
Trag Molotowcocktails unter den Achseln.
ich rauch meine Kippen wie
Keiner. Wir nehmen den Nachtzug. Wir
Sehn die Sonne tief stehn und
Nehmen den Frachtzug.
Keine weiteren Fragen.

Keine Fragen. Das isses doch.
Denn Fragen könn´n wir immernoch später stelln, wenn
Die Antworten nicht mehr
So richtich knackich wirken.
Und solange brenn´n wir eben die
Weiße Hexe ab, Baby.
Kucken wir uns an! Das
Kucken wir uns aber an
Wie die brennt.
Und dann stelln ir uns ganz
Ganz langsam in unsre Schatten, wo
Unsre Tränen drauffallen.
Unsichtbar für immer, im Schatten
zusammen.

Wer mag schon Jammersongs?
Wer mag schon: Baby, verlass mich nich!? Ich
Jedenfalls muss da sofort ausmachen. Da
Fällt mir nix zu ein, und am besten noch
Mit soner hohen, knatschigen Stimme, das
Wolln wir hier nich – Ende.
Hört Auf!
Hört auf zu jammern!
Jawoll!

Lass uns zum Abrockstrand gehen.
Aufm Dach, aufm Balkon, am Strand –
ABROCKEN!
DU. ICH. WIR ALLE. Weißt du,
was Limonade auf Kölsch heißt?
Lömmelöm, - mit
Geschlossenem kölschen ö, wie bei
MÖGLICH -.
Alles ist möglich, jede
Assoziation, muss man nur hinschreiben, schon is
Okay.
Alles Punk, ich mein,
unsere Zeit, oder? Is doch
immer unsere Zeit und dann
is man eben Punk, was
redundant is, bestimme immernoch
ich.


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Mittwoch, 14. November 2012

Geschichten aus 1111 Nächten (29)

Der Duft von Hopfen und Malz

Es war in jener Zeit, da Anton keinen Pfennig auf der Tasche hatte. Seit Tagen schon hatte er nichts Ordentliches gegessen, geschweige denn ein leckeres Kölsch getrunken. Eines Morgens jedoch gedachte er seines alten Kumpels Jean, der reich und Besitzer eines florierenden Brauhauses in der Altstadt geworden war. Und da kam dem Anton eine Idee.
Sein erster Weg führte ihn zur Stadtsparkasse, wo er sich am Wasserspender einen Plastikbecher abfüllte. Mit diesem marschierte er sodann zum Brauhaus des Jean. Vorn an der Schwemme duftete es herrlich nach Hopfen und Malz, und genau in diese Schwaden hinein hielt er seinen weißen Wasserbecher. Dann trank er ihn aus.
Der ebenso geizige wie verschlagene Jean jedoch hatte dies beobachtet. Er kam aus seinem Beichtstuhl geschossen und begann sofort zu keifen: Anton habe den Duft zu bezahlen. Andernfalls werde Jean seine Cöbesse anweisen, den Schmarotzer in den Rhein zu schmeißen.
Anton war der Verzweiflung nahe, zumal er nicht einmal schwimmen konnte. Aber aufs Neue kam ihm ein rettender Einfall:
„Hat vielleicht einer von euch eine Münze bei der Hand?“ fragte er in die Cöbes-Runde. „Dann möge er sie mir für einen Augenblick leihen.“
Man gab ihm die Münze. Anton warf sie auf die Fliesen und sagte zum ungläubig starrenden Jean:
„Hör genau auf das Geräusch, du Hund. Denn damit bist du bezahlt.“

Der Eine hat´s, der Andere nicht

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Mittwoch, 7. November 2012

Schöne Schilder (4)

Genagelte Schuhe, nasse Socken und Nervenkekse

Verboten in der Eckfeld: Sammeln von Fossilien


Verboten in Heimbach: Tatlich angreifen


Verboten in Völklingen: Genagelte Schuhe ohne Gummiüberzug


Verboten in Irland: Querbeet im Wald rumlaufen


Verboten auf den Kanaren: Nass und/oder sandig sein


Angeboten in Memmingen: Nervenkekse




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