Mittwoch, 29. Mai 2013

Geschichten aus 1111 Nächten (39)

Die Fee vom Heumarkt, oder: Der grüne Vorhang

Anton war klein von Wuchs und trug eine unförmig große Nase vor sich her. Eines Tages trieb er sich auf dem Heumarkt herum und verliebte sich dabei unsterblich in ein kölsches Mägdelein. Jedoch wusste er genau, dass er ihr Herz nie würde gewinnen können. Tief betrübt ergab er sich stattdessen dem Trunke. Nach dem 17. Kölsch kam ihm eine Idee, und er machte sich auf zu jenem nägelkauenden Maler, der sonst immer mit ihm an derselben Theke saß.
„Hier, Künstler, mal mir ein schönes, sonnenbeschienenes Zimmerchen auf diese Holztafel.“
Am nächsten Tag kam er wieder, bewunderte das schöne Zimmer und sagte: „Das hast du gut gemacht, Künstler. Nun möchtest du bitte ein allerliebstes Bett in dieses Zimmer setzen.“
Also machte sich der Maler von neuem an die Arbeit. Als sie beendet und getrocknet war, stand auch schon wieder der Anton in der Tür.
„Sehr schön, Künstler. Und jetzt leg mir das schönste nackte Fräulein in dieses Bett, das unser Herrgott je geschaffen.“ Dann beschrieb er ihm seine Angebete, so gut er nur konnte.
Am folgenden Tag hatte der Maler auch dieses Werk zu Antons vollster Zufriedenheit ausgeführt. Die Sonne beschien eine Blumentapete, blütenweiß glänzte die Bettwäsche und darauf im Evakostüm: die Fee vom Heumarkt.
„Großartig gemacht, Herr Künstler. Jetzt fehlt nur noch eines: Mal mir einen hübschen grünen Vorhang vor all dies.“
Der Maler erschrak: „Das kannst du mir nicht antun, Anton. Würde denn nicht ein grünseidenes Tüchlein genügen, das du dir davorhängst? Dann könntest du es jederzeit beiseiteziehen.“
„Auf keinen Fall“, beschied ihn der Anton. „Niemand außer mir soll wissen, was sich dahinter verbirgt.“
Der Maler griff zum Pinsel, tauchte ihn kräftig ein und übermalte das Bild mit einem dichten grünen Vorhang. Feierlich nahm der Anton sein Täfelchen in Empfang und schritt hinaus ins Kölner Leben.
Wir müssen ihn uns, in diesem Moment, als einen glücklichen Menschen vorstellen.

Lore Leyendecker am Reiterstandbild Heumarkt, Ostseite

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Mittwoch, 22. Mai 2013

Interviews (12)

Vom Lizbät zum Gaffel: Der kölsche Liedermacher Björn Heuser


Zur Person: Björn Heuser wurde 1982 in Ehrenfeld geboren und schrieb mit 13 seinen ersten kölschen Song. Nach dem Abitur studierte er Musik und arbeitet inzwischen auch als Dozent an der Kölner Uni. Seine Musikerkarriere begann an Kneipentheken, früh entstanden auch erste eigene LPs. Größere Popularität errang Heuser durch seine innovativen Mitsingkonzerte, bei denen das Publikum dank Textheftchen stimmlich mitwirkt. Seit 2008 steht er etwa im Gaffel am Dom auf der Bühne singt gemeinsam mit seinem Publikum kölsche Klassiker. Darüber hinaus tritt er auch mit seiner Band auf, die zuletzt das Album „Schloflos“ eingespielt hat. Ein weiterer Zweig ist die Arbeit mit Kindern, mit dem Projekt „Björns Bärenbande“ bringt er die kölsche Sprache in Kindergärten und Grundschulen. Björn Heusers Studio wohnt mit seiner Freundin in Bickendorf.

Im Ehrenfelder „Lizbät“ ist morgens um 11 noch nicht viel los. Auch Björn Heuser hat gerade erst gefrühstückt. Mit seiner Cola light in der Hand wirkt er außerordentlich entspannt, nicht wie ein Mann, der an die 300 Auftritte im Jahr absolviert.

Wer hat die Mitsingkonzerte erfunden?

Im Gottesdienst wurde schon immer mitgesungen. Und auch auf Karnevalssitzungen vor dem Krieg lagen Programmhefte mit Texten aus, denn früher wurden statt Klassikern immer neue Lieder vorgestellt.

Also dann: Wer hat diese Konzertform reanimiert?

Das nehmen ja inzwischen so einige für sich in Anspruch. Einen großen Schub brachte die Loss mer singe-Bewegung vor zwölf Jahren. Ungefähr zur gleichen Zeit habe ich auch mit meinen kölschen Abenden angefangen.

Wie ging das los?

Ich bin ein Kneipenkind, schon mein Opa hatte eine Gaststätte auf der Körnerstraße, wo ich aufgewachsen bin. Das kölsche Liederrepertoire habe ich dadurch praktisch mit der Muttermilch aufgesogen. Und irgendwann saß ich dann mit meiner Gitarre an Theken herum und habe diese Lieder vor und mit anderen gesungen.

Seit 2008 laufen deine Mitsingabende im Gaffel-Brauhaus, insgesamt kommst du da auf rund 200 Auftritte. Kannst du dich noch an den allerersten erinnern?

Oh ja, das war am 10.10.2008. Wenn der Laden voll ist, sind da bis zu 1.000 Leute, und davor hatte ich damals einen Heidenrespekt. Hinzu kam zu Anfang auch mein schlechtes Gewissen, weil ich dachte, die Menschen wollen vielleicht lieber in Ruhe ihr Hämchen essen und ein Kölsch trinken. Aber beim zweiten Lied sangen dann doch schon alle mit.

Normalerweise hadern Künstler nicht mit der Tatsache, dass plötzlich zehn Mal so viele Zuschauer wie sonst kommen.

Naja, ich war skeptisch, und ich will mit meiner Musik vor allem nicht aufdringlich sein. Anfangs ging man für die Gage sogar noch mit dem Hut rum, das hat sich zum Glück auch geändert.

Deine Skrupel haben sich inzwischen gelegt, nehme ich an.

Gottseidank, ja. Ich absolviere im Jahr an die 300 Auftritte. Und bei den Roten Funken am Neumarkt habe ich nur mit meiner Klampfe auch vor 7.000 Leuten gestanden.

Du hast Musik studiert. Wie verlief der Weg zum professionellen Musiker?

Wenn ich meine Abschlussprüfungen in Klavier und Gesang mit 1 bestehe, werde ich Profi, habe ich mir damals gesagt. Normalerweise stehe ich zu meinem Wort, und so auch in diesem Fall. Zum Glück hatte ich da auch sehr verständige Eltern.

Die dir jedes noch so schicke Plektrum finanziert haben?

Nein, das war gar nicht nötig, weil ich durch meine Auftritte immer schon mein eigenes Geld verdient habe.

Kaum jemand kennt den kölschen Liederschatz besser als du. Was zeichnet ihn aus?

Musikalisch-analytisch ist das eine sehr einfache Musik, ohne dass ich das jetzt negativ meine. Die Songs gehen selten über zwölf Töne hinaus, und mit drei, vier Akkorden kommt man durch die komplette Sammlung.

Eine dicke Trumm würde nicht reichen?

(lacht) Die stößt dann doch irgendwann an Grenzen. Wichtig sind aber nicht zuletzt die Texte, in denen es um die Menschen hier geht, um ihren Alltag und das Viertel, in dem sie wohnen. Jeder kennt eine alte Frau Schmitz, der man hin und wieder ein Blümchen schenkt.

Bei vielen Bands heutzutage hat man den Eindruck, man dürfe gar keine Songs mehr schreiben ohne Köln, Rhein, Dom und FC.

Ja, solche Lieder spiele ich nicht. Es gibt inzwischen über 200 kölsche Bands, und darunter sind viele Trittbrettfahrer. Die Texte, stelle ich fest, werden immer flacher.

Inwiefern?

Kölle über alles, Alaaf, Kamelle, Strüßjer und das war´s. Da freut man sich umso mehr über Newcomer wie Kasalla, die richtig gute Musik mit tollen, eigenen Texten machen. Jenseits ihrer Hits suchen die auch nach ganz anderen Themen.

Sind Kölner Lieder über Köln anders als Berliner Lieder über Berlin?

Ich glaube schon. So weit ich weiß, gibt es weltweit nur über New York mehr Songs als über Köln. Der Kölner ist durch seine Mentalität viel näher an seiner Stadt als andere, und viele Menschen hier sind echte Lokalpatrioten, ohne es überhaupt zu wissen. Die merken´s vielleicht erst, wenn sie sich Rosenmontag trotz Fieber aus dem Bett und auf die Straße quälen.

Dann ist der kölsche stärker als der Grippe-Virus.

Genau. Warum sonst kommen freitags 1.000 Leute ins Brauhaus zum Singen? Das ist das Kölngefühl, und dafür muss man zuhause keine rot-weiße Klobrille haben.

Was ist für dich ein Evergreen?

Zum Beispiel ein Lied wie das Meiers Kättche, bei dem jeder direkt einsteigen kann und wo jeder seine eigene Geschichte dazu hat. Das ist ja imgrunde ein trauriges Liebeslied, weil der Webers Mattes letztendlich gewinnt ...

Der Sack hat das Auto ...

Genau. Mir gefallen immer Lieder, die textlich nicht allzu plakativ daherkommen. Also etwa eine Nummer wie Drink doch eine met, über den alten Mann ohne Geld, der zu einem Bier eingeladen wird. Das mag ein bisschen naiv klingen, aber die Grundaussage, das Herzliche dahinter ist es, was Köln ausmacht.

Um von den Alten zu sprechen: Hat Ostermann den Karl Berbuers und Jupp Schmitz´ etwas voraus?

Er war der Erfolgreichste und hatte vielleicht das größte Repertoire. Aber Berbuers Camping-Leed ist ein genauso toller Song wie „Wat wor dat fröher schön doch en Colonia“. Diese Leute haben einen Grundstock gelegt, genau wie später die Fööss.

Neben deinen Soloauftritten hast du auch eine Band. Was wird mit E-Gitarre anders?

Vor allem, dass wir als Band meine eigenen Songs spielen. Ich habe mittlerweile rund 400 Nummern geschrieben, alle auf Kölsch natürlich. Und ich versuche mich dabei auch an Themen, die eben noch nicht allzu abgenutzt sind.

Zum Beispiel?

Auf meiner aktuellen LP „Schloflos“ handelt ein Lied von einem krebskranken Jungen, der im Sterben liegt. Wer ihn kennt, mag den Song vielleicht. Aber das ist definitv keine Feiermusik.

In welcher Tradition siehst du deine Songs musikalisch?

Das ist gepimpte Liedermachermusik, im Grunde wie bei BAP, die mir sowieso sehr wichtig sind. Die Lieder entstehen alle mit der Gitarre und werden dann durch andere Instrumente ergänzt und rockiger gestaltet.

Was kann der kölsche Dialekt besser als das Hochdeutsche?

Gefühle ausdrücken! Als ich in die Grundschule kam, musste ich erstmal Hochdeutsch lernen. Und meinen ersten Song, mit 13 zum Muttertag, habe ich selbstverständlich auch auf Kölsch geschrieben. Das ist für mich die einzige Sprache, in der ich meine Gefühle richtig formulieren kann.

Wo hat Kölsch Nachteile?

Für mich nirgends. Es sei denn, wir reden jetzt von kommerziellen Aspekten. Hochdeutsche oder englische Platten kann man sicherlich besser verkaufen. Kölsch ist für viele Nichtkölner eben nur Karneval und wird erstmal belächelt.

Um mit einer berühmten Frage zu enden: Warum gibt es kein kölsches Wort für Liebe?

Tja. (lacht) In der kölschen Sprache schwingt wahrscheinlich ohnehin genug Liebe mit. Und der Kölner legt sich eben auch nicht so gerne fest ...

Hinter „Ich han dich jän“ steht eher ein Komma als ein Punkt?

„Ich han dich jän“ heißt viel, aber nicht alles, dahiner steckt keine letzte Konsequenz. Aber ich kann als Texter und als Kölscher gut mit dieser Leerstelle leben und verzichte deshalb lieber auf Nothilfen wie „Leev“.

Also doch besser „Liebchen“?

Genau. Mit „sch“!


Weitere Informationen: www.heuser-koeln.de
Termine: Mitsingkonzert im Gaffel Am Dom, jeden Freitag ab 22.30 Uhr

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Mittwoch, 15. Mai 2013

Geschichten aus 1111 Nächten (38)

Drei Lichter

Der triefnasige Anton hatte sich von seinem zusammengeschnorrten Geld ein Fläschchen leckeres Gilden Kölsch gekauft. Als er es bis zur Neige geleert hatte und aufstand, fielen ihm zwei 10-Cent-Stücke aus der löchrigen Hose. Eine Welle der Rührung überlief ihn, wie immer, wenn sein kölsches Herz ein Zeichen des Himmels zu sehen glaubte. Und wie das bei diesem Menschenschlag so ist, trieb es ihn schnurstracke in die nächste Kirche.
Der heilige Willy beobachtete den armen Sünder, wie er sich am Eingang zwei Opferkerzen nahm und seinen erbärmlichen Gotteslohn in die Geldbüchse drückte. Anton entzündete das erste Kerzchen, ging zu einem Bild des Gekreuzigten und stellte es zu seinen Füßen ab. Als er sich danach auf den Weg zu einer düsteren Seitenkapelle machte, wurde Willy immer neugieriger darauf, was der Anton wohl im Schilde führe. Er folgte ihm also und sah, wie das zweite Kerzchen vor eine furchterregenden Darstellung des Teufels platziert wurde.
„Ja sag einmal, Gottloser, wieso opferst du denn dem Leibhaftigen?“
„Nun ja“, antwortete der Anton, „so hat es mir mein Mütterlein selig beigebracht. Dem lieben Gott schenke ich ein Licht, auf dass er mir Gutes tue. Und dem Deibel eines, damit er mir nichts Böses tue.“
Und da ging auch dem heiligen Willy ein Licht auf.


Die schönsten Kreuze gibt es in der Eifel - hier: St. Thomas

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Dienstag, 7. Mai 2013

Interviews (11)

Der Greifvogel-Pfleger von Gut Leidenhausen:

Ratte, Taubenbrust oder Rinderherz

Zur Person: Karl-Heinrich Terglane wurde 1966 in Münster-Hiltrup geboren. In Essen absolvierte er eine Lehre zum Floristen, später kam noch eine Weiterbildung zum Garten- und Landschaftsbauer hinzu. Einige Jahre arbeitete er selbstständig, nicht zuletzt als Einrichter von Terrarien. 2005 kam Terglane nach Köln und begann ein Praktikum als Tierpfleger im Zoo. Seit August 2008 arbeitet er als Pfleger auf der Greifvogelschutzstation von Gut Leidenhausen. Karl-Heinrich Terglane wohnt mit seinen Tieren in der Kölner Innenstadt.

Ein Sonntagmorgen auf Gut Leidenhausen in Eil. Karl-Heinrich Terglane war wie immer früh aus den Federn, alle Vögel sind längst gefüttert und versorgt. Im gemütlichen Büro der Greifvogelschutzstation dreht sich der Tierpfleger ein Zigarettchen und lehnt sich zurück. Feierabend.

Was macht ein Vogeltierpfleger?

Wir halten zunächst mal die Volieren der hier lebenden Vögel sauber. Und darüber hinaus kümmern wir uns um die Tiere, die eingeliefert werden.

Wie werden Neuankömmlinge behandelt?

Wir arbeiten mit einer Tierärztin zusammen, die die Vögel gründlich untersucht und eine Diagnose erstellt. Die Tiere sind meistens sehr geschwächt, da reicht es nicht, denen ein Frühstück vorzulegen. Die müssen von uns oft regelrecht gestopft werden.

Womit?

Das kann Ratte, Küken, Taubenbrust oder Rinderherz sein. Die Fleischstückchen werden dann portionsgerecht zugeschnitten und den Vögeln per Pinzette verabreicht.

Reißen die den Schnabel sofort auf?

Vor allem Jungtiere machen kaum Probleme, zumal man die an jenen Härchen streicheln kann, die um den Schnabel herum wachsen. Bei älteren hingegen muss man zuweilen ganz von Hand arbeiten.

Sie züchten Ihre Ratten selbst. Werden die dann lebend verfüttert?

Nein, zu reinen Futterzwecken werden die vorher getötet, also in den Zustand des Frischfutter-Seins verbracht. Wir töten „human“, mit CO2, die Tiere schlafen friedlich ein, bevor sie sterben.

Als Laie stellt man sich Ihren Job hier recht romantisch vor. Wie ist die Wirklichkeit?

Eine Futterrunde sonntagsmorgens im Schnee ist sicherlich romantisch. Aber so einen halb verhungerten, schwer kranken Vogel wieder hochzupäppeln, ist eine komplizierte Angelegenheit. Immerhin hatten wir letztes Jahr eine Wiederauswilderungsquote von 63,5 %, damit können wir sehr zufrieden sein.

Auch während des Interviews geht der Tierpfleger stets ans Telefon, wenn es klingelt. Schließlich kommen bei ihm auch die Vogelnotrufe an, wenn im Stadtgebiet mal wieder ein verletztes oder sonstwie geschwächtes Tier entdeckt worden ist. Terglane vermittelt die Anrufer in so einem Fall an die Tierrettung derFeuerwehr, die den Vogel dann in Eil am Gut Leidenhausen abliefert.

Die Entlassung zurück in die Natur ist das Ziel Ihrer Einrichtung?

Ja. Die Vögel werden gepflegt, bis sie wieder allein fressen können, und kommen dann in spezielle Auswilderungs-Volieren.

Das ist also kein reines Altersheim hier?

Für die Vögel im öffentlichen Bereich gilt das schon. Sie sind aufgrund ihrer Verletzungen oder Erkrankung nicht mehr auswilderungsfähig und haben sich teilweise zu sehr an den Menschen gewöhnt. Im hinteren Bereich stehen hingegen Volieren, in denen sich die Vögel ihre natürliche Scheu bewahren. Dort sind auch große Wannen integriert, in denen die Tiere etwa das Jagen und Töten einer Ratte wieder erlernen können.

Sie müssen den Vögeln also zugleich helfen und ihnen fernbleiben?

Bei Jungvögeln bilden die ersten 13 Tage das Limit. Jenseits dessen können die Tiere fehlgeprägt werden, auch Mäusebussarde können durch zu viel menschlichen Kontakt fehlgeprägt und zu umgänglich werden.

Bilden sich unter den Patienten hier zuweilen Pärchen?

Die Schleiereulen kuscheln gern miteinander. Bei den Uhus haben wir sogar ein Zuchtpärchen, das schon zwei Mal Nachwuchs bekommen hat. Das müssen wir in Zukunft allerdings leider unterbinden, weil der Uhu-Bestand in NRW gesichert ist.

Sprechen Sie mit den Vögeln?

Sagen wir so: Ich rede beruhigend auf sie ein. Kein Vogel lässt sich freiwillig anfassen, da muss man sich schon etwas einfallen lassen. Also lobe ich den Vogel auch jedes Mal, wenn er gut abschluckt. Einigen haben wir auch Namen gegeben, da denke ich etwa an Ronja, Liebchen und Carl.

Haben die Vögel auch ihrerseits Begrüßungsrituale?

Der Mäusebussard Jacko, der 2012 mit fast 35 Jahren gestorben ist, hat immer laut gerufen, wenn man kam. Manche Vögel sehen einen an oder schlagen mit dem Schnabel, wobei man aber nie genau weiß, ob das eine Drohung oder eine freundliche Begrüßung ist.

Wie kann man Uhu und Kauz akustisch unterscheiden?

Naja, der Uhu macht „Buhu“. Der Waldkauz klingt nach „Huhu“, und der Steinkauz macht eher „Kuwitt“. Den kann ich allerdings nicht so einfach imitieren.

Ist es für Sie hier schon mal gefährlich geworden?

Eigentlich nicht. Aber wenn im Frühjahr die Balz losgeht, muss man ein bisschen aufpassen. Bei den Bartkäuzen trage ich dann einen Schutzhelm, weil die gern auf die Augen gehen. So mancher Hobby-Ornithologe ist deshalb einäugig.

Mit welchen Tieren hatten Sie bei Ihrem Praktikum im Kölner Zoo zu tun?

Vor allem mit Huftieren, also etwa Hirschen und Antilopen.

Und waren Sie als Kind eher der Kanarienvogel- oder der Meerschweinchen-Typ?

Ich hatte zuhause Reptilien und Fische. Und später auch Hühner und Enten, nicht zuletzt wegen der Eier.

Bei letzteren handelt es sich immerhin schon um Federvieh.

Ich hatte sogar mal einen Beo und einen Wellensittich, aber die unterscheiden sich doch ganz enorm von den Greifvögeln, mit denen ich es hier zu tun habe. Heimvögel leiden normalerweise auch nicht unter Parasiten oder Pilzen, wie es hier nicht selten vorkommt. Ganz zu schweigen von den Lausfliegen, die sich ins Gefieder einnisten und für unsere Vögel lebensgefährlich werden können.

Verzichten Sie auf Heimreptilien, seit Sie hier arbeiten?

Ich habe noch immer zwei Hahns Zwergaras und einen Gecko, der bald auch wieder Gesellschaft bekommen wird. Aber die Vögel hier faszinieren mich jeden Tag aufs Neue. Man darf auch nicht vergessen, dass diese Tiere eine wichtige Rolle im Ökosystem Wald spielen. Immerhin stehen sie an der Spitze der Nahrungskette und regulieren etwa die Mäuse- und Rattenpopulation.

Warum hat die Schutzstation nur einmal pro Woche geöffnet?

Weil diese Arbeit sehr personalintensiv ist. Wenn wir hier nicht einen Stamm von Ehrenamtlichen hätten, wären selbst diese Öffnungszeiten gefährdet. Natürlich sehen wir hier vor allem während der Ferien die vielen Familien vorbeispazieren und überlegen, in dieser Zeit auch wochentags zu öffnen. Aber das ist, wie leider so oft, eine Geldfrage.

Zum Schluss führt mich Karl-Heinrich Terglane noch in die Rattenzucht des Gutes Leidenhausen. In selbstgebauten, soliden Käfigen leben ca. 60 bis 80 Tiere - sauber, lieb und putzig. Manche pflegen ihren Nachwuchs, andere dösen im Stroh. Und einige von ihnen werden sogar von der finalen Verfütterung verschont und haben hier Wohnrecht auf Lebenszeit.



Weitere Informationen: www.sdw-nrw-koeln.de. Die Greifvogelschutzstation ist an Sonn- und Feiertagen von 10-17 Uhr (Winter) und 10-18 Uhr (Sommer) bei freiem Eintritt geöffnet. Jeden 3. Samstag im Monat findet um 15 Uhr eine kostenlose Führung statt. Sie lebt überwiegend von Spenden, u.a. besteht die Möglichkeit, Tierpate zu werden. Spendenkonto: 100 2971, Sparkasse KölnBonn.


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Mittwoch, 1. Mai 2013

Thekentänzer (66)

Als Trinken noch lustig war

Tiger ist heute groß in Form: „Fragt der mich am nächsten Morgen nach meiner Telefonnummer, und ich so: ´Haste nich gesehn, die hab ich mir doch aufn Hintern tätowieren lassen.“
Im Fernsehen läuft Fußball, und irgendein Fremder sagt, der Bessere solle gewinnen.
„Das ist ja wohl voll schwul“, weist die Rote Tina ihn zurecht.
„Stimmt“, pflichtet Tiger ihr bei.
Der Bessere gewinnt am Ende, Tiger und Tina sind beim fünften Becks-Genever-Gedeck. In Tinas fussiger Lockenmähne flirren die letzten Sonnenstrahlen. Draußen geht die „Omma“ vorbei, ein alter Kerl, der seit zwei Wochen in eine andere Kneipe schlappt. Seine Plauze verlangt nach einem heftigen Hohlkreuz, gierigen Blicks schiebt er sich gen nächste Straßenecke.
„Ich kenn einen, der hat sich beim Bund seinen Arm abgeschossen. Und in die Handprothese passt jetzt genau ein Kölschglas, mit dem kleinen Finger drunter als Stütze“, sagt Tina.
„Dat die mal nicht irgendwann die Durchmesser ändern“, trällert Tiger. Das Kreuztattoo an seiner Schläfe vibriert im Takt der darunterliegenden Ader. Eine junge, leicht vernachlässigt wirkende Frau tritt ein und erklärt, sie habe gestern wohl ihren FC-Schal hier liegenlassen. Als sie ihn schließlich in einem fiesen Altkleiderhaufen hinter dem Eingang entdeckt, ist er über und über mit Guinness versifft. Sie zuckt mit den Schultern und legt ihn sich um.
„Die nächsten zwei Tage hab ich frei“, sagt sie. Und der Kellner zapft wortlos ein Stout.
Aus den Boxen schallt ein deutscher Protestsong aus den 70ern, Floh de Cologne. Es geht um den Sozialismus. Tiger macht schlapp und lässt den nächsten Genever aus. „Wie ein Eichhörnchen“, schimpft Tina, „du trinkst wie ein Eichhörnchen, ich glaub, ich such mir jetzt mal nen anderen, da hinten die Type gefällt mir sogar.“
„Ts ts“, macht Tiger, gespielt beleidigt und wuschelt ihr durch die Mähne, „ich sag´s ja immer: Unter einem rostigen Dach liegt meistens ein feuchter Keller.“

Zeit ist Geld

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