Coloniales
Liebe Abonnenten,
der Writer´s Blog des Emons Verlags wird eingestellt. Hier
die letzten beiden Kolumnen:
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ein Gespräch mit dem Gatten unserer
Oberbürgermeisterin über historisches Golfspielen und die Selbstverliebtheit
der Kölner
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und ein paar sehr kölsche Grafiken.
Mit Dank für die
letzten Jahre,
Bernd Imgrund
Diese Grafiken sind ein Auszug aus dem Buch "Kölle, jeföhlt", Emons Verlag:
www.emons-verlag.de/programm/koelle-jefoehlt
Kölner Gespräche (59): Perry Somers, der Mann der Oberbürgermeisterin
Perry Somers wurde 1959 an der Gold Coast in Australien geboren. Nach dem Abitur machte er in Sidney eine Ausbildung zum Golflehrer und tourte die nächsten 15 Jahre als Profigolfer. Anfang der 1990er kam er nach Deutschland, zunächst nach Kiel. Gegen Ende des Jahrzehnts lernte er in Münster Henriette Reker kennen, die heutige Kölner Oberbürgermeisterin, mit der er seit 2010 verheiratet ist. Heute arbeitet er als Golflehrer auf dem Gut Velderhof in Pulheim. Wann immer Zeit ist, betreibt er das traditionelle Hickory-Golfen mit Holzschlägern.
Perry Somers lebt mit seiner Frau im Kölner Süden.
Sie spielen Hickory, also Golf mit traditionellen Holzschlägern. Ist das wie Tiere mit dem Speer statt Gewehr jagen?
In macher Hinsicht schon. Auf jeden Fall ist es mit dem Holz deutlich schwieriger, weil es keine Fehler verzeiht. Sie müssen viel genauer sein, um den Ball mit dem Sweet Spot, der Mitte des Schlägers zu treffen.
Foto: Günther Meisenberg
Sind Sie eher Nostalgiker oder Traditionalist?
Traditionalist, würde ich sagen.
In meinem Tischtennisverein spielen wir manchmal mit den ganz alten Brettchen, völlig ohne Schaumstoff. Kommt einem vor wie ein komplett anderer Sport.
Das gilt auch fürs Hickory-Golfen. Wir spielen unter den Konditionen der Ära 1900 bis 1930, mit dem modernen Golf hat das nicht viel zu tun. Wir tragen die zeitgenössische Kleidung und benutzen sogar Replica Gummibälle. Früher hat man mit Kautschukbällen gespielt und noch früher mit weichen Lederbällen, die mit Gänsefedern gefüllt waren.
Sie sagten mal, in diesen 1930ern hätten Sie gern gelebt. Für einen Deutschen klingt das seltsam. Was verbinden Sie als Australier damit?
Man war vernünftig angezogen und pflegte einen anderen, zivilisierteren Umgang miteinander. Diese Zeit hatte auch negative Seiten, aber ich denke, sie war insgesamt stillvoller. Auch die Autos übrigens.
Was fahren Sie?
Einen modernen Volvo mit 225.000 Kilometern auf dem Tacho. Ich bin kein echter Enthusiast. Aber ich hätte durchaus gern einen Wagen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts.
Die alten Germanen haben ihre Speere aus Eschenholz gefertigt. Hickory ist eine Walnussart. Was zeichnet sie aus?
Esche ist auch nicht schlecht fürs Golfen. Aber Hickory bietet die beste Mischung aus Härte und der nötigen Flexibilität eines Schlägers.
Huckleberry Finn wurde von seinem Vater mit einem Hickory-Stock verprügelt. Tat der besonders weh?
(lacht) Ich fürchte schon, weil die Elastizität einen Peitscheneffekt herstellt.
Haben die alten Hickory-Spieler sich ihre Schläger noch selbst geschnitzt?
Die richtig Guten waren immer die, die sich auch mit dem Holz bestens auskannten. Die erkennen am Brett oder Block, ob ein Stück geeignet ist oder nicht, das ist eine Wissenschaft für sich. Jeder Hickory-Schläger ist letztlich ein Unikat.
Sie schwärmen vom Klang, den ein Hickory-Schläger und ein Gummiball erzeugen. Was macht den aus?
Schwer zu beschreiben, sehr angenehm ist der jedenfalls. Die modernen Schläger sind inzwischen hohl und aus Titan und klingen fürchterlich. Im Baseball ist man übrigens vom Metall zurück zum Holz gewechselt.
Im Golf nicht. Wieso?
Mit einem hohlen Metallschlägerkopf müssen Sie den Ball nicht unbedingt mittig treffen. Liegen Sie bei einem Holzschläger schief, kriegt der Ball Effet, beschreibt einen Bogen und landet irgendwo. Nur nicht auf der Golfbahn.
Wie weit schlagen Sie unter gleichen Bedingungen mit Eisen beziehungsweise Holz ab?
Mit dem Hickory-Holz schlage ich rund 200 Meter weit und liege etwa zehn Prozent unter dem aus der Gegenwart.
Gibt es in Australien eigentlich Minigolf?
Ja. Aber es ist lange nicht so populär wie in Deutschland. Ich selbst spiele das auch nicht.
Als Kind wurde mir erzählt. wenn du in Köln ein Loch gräbst, kommst du in Australien raus. Ziemlich weit weg, Ihr Heimatland.
(lacht) Das stimmt. Ich bin dort sehr ländlich aufgewachsen, und an der Küste. Unsere Schule war 150 Meter vom Strand entfernt. Meine Kindheit hat fast nur draußen stattgefunden und war wirklich schön.
Als Australier müssten Sie mit Rugby und Fosters Bier großgeworden sein statt mit Golf.
Rugby ist bei uns gar nicht die Hauptsportart. Eher Cricket und Tennis. Denken sie an Ken Rosewall und John Newcombe, das waren große australische Tennisspieler. Oder an den besten aller Zeiten: Rod Laver! Golf war bei uns ein Volkssport, an den ich durch meinen Vater gekommen bin. Und übrigens: Fosters trinkt man in Australien nicht. Das ist ein Exportbier.
Warum ist Golfen in Deutschland noch immer elitär?
Ich denke, weil man hier noch eine Entwicklung aufholt. Urspünglich war Golf tatsächlich ein Sport für die Reichen, für Menschen, die Land besaßen. Wobei die besten Spieler selten die Herren, sondern meistens deren Caddys waren.
Halten Sie als unbeteiligter Australier beim Ryder Cup für die USA oder Europa?
Dieser Wettbewerb interessiert mich heute kaum noch. Gründervater Samuel Ryder war ein echter Gentleman, der würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, wie das heute vermarktet und aufgeblasen wird.
Sie haben unter anderem in Kiel und Münster gelebt, bevor Sie nach Köln kamen. Was zeichnet diese Stadt für Sie, als Mensch mit Migrationshintergrund, aus?
(lacht) Vor allem ist man hier sehr selbstverliebt. Ich glaube nicht, dass es irgendwo sonst auf der Welt so viele Lieder über die eigene Stadt gibt. Ich bin davon nicht infiziert, auch nicht vom Karneval. Ich lebe hier natürlich gern. Aber ich habe in 15 Jahren als Profigolfer so viele Städte gesehen, dass ich keine großen Unterschiede mehr mache.
Sie könnten also jederzeit auch wieder in Kiel oder Sidney leben?
Genau. Ich bin hier in Köln sehr gern ein Außenseiter, der die Sache ganz neutral betrachtet.
Trotz bürokratischer Nachteile behalten Sie die autralische Staatsbürgerschaft. Warum?
Wenn es die doppelte Staatsbürgerschaft gäbe, würde ich einen deutschen Pass beantragen. Aber ich bin schon ein stolzer Australier.
Was bedeutet das?
Na ja, die Politik in Australien ist eine Katastrophe, da regiert alle halbe Jahre jemand anders. Aber wir sind eine ehemalige Strafkolonie, von den Engländern verschifft, um in Australien auszusterben. Wir waren tapfer und haben was draus gemacht, und wir sind eine Sportnation. Das gefällt mir.
Bundespräsident Gauck lud letztens in die Villa Hammerschmidt zu einer musikalischen Soiree zum Thema „Heimat“. Ihre Frau Henriette Reker und ich waren da. Sie nicht.
Ich versuche als „First Man“ von Köln unter dem Radar zu fliegen. Bei wichtigen Terminen und wenn meine Frau Unterstützung braucht, bin ich dabei. Aber an jenem Tag bei Herrn Gauck habe ich glaube ich ein Hickory-Turnier in England gespielt, das war mir dann wichtiger. (lacht)
In der alten Bonner Präsidentenvilla sind unter anderem die kölschen Höhner aufgetreten. Bei australischen Heimatbands fällt mir als erstes AC/DC ein.
Ob Sie´s glauben oder nicht: Als ich 17 war, haben die bei uns in der Schule gespielt. Da war das noch eine kleine Pubband. Die waren so laut, dass die Hallenwände gebebt haben. Der kleine Kerl mit der Gitarre hat wie ein Verrückter den Kopf geschüttelt und sich zwischendurch von den Boxen runter in die Menge geschmissen. Und gehofft, aufgefangen zu werden.
Beneidenswert, ich wäre gern dabeigewesen. Was ist für Sie am ehesten Heimat: Australien, Köln oder die Golfplätze dieser Welt?
Die Golfplätze, ganz klar. Vor allem die sogenannten Links-Plätze (von englisch link = Bindeglied, B.I.). Das sind die Dünenplätze an der Küste, zwischen Meer und Ackerland. Auf diesen salzigen Böden wächst ein ganz bestimmter Grastyp, den ich sehr schätze. Und zufälligerweise lässt sich darauf wunderbar Golf spielen.
Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.