Dienstag, 20. Dezember 2016


Coloniales


Liebe Abonnenten,

der Writer´s Blog des Emons Verlags wird eingestellt. Hier die letzten beiden Kolumnen:

-          ein Gespräch mit dem Gatten unserer Oberbürgermeisterin über historisches Golfspielen und die Selbstverliebtheit der Kölner
-          und ein paar sehr kölsche Grafiken.

Mit Dank für die letzten Jahre,

Bernd Imgrund
 







Diese Grafiken sind ein Auszug aus dem Buch "Kölle, jeföhlt", Emons Verlag:

www.emons-verlag.de/programm/koelle-jefoehlt


 





Kölner Gespräche (59): Perry Somers, der Mann der Oberbürgermeisterin

Perry Somers wurde 1959 an der Gold Coast in Australien geboren. Nach dem Abitur machte er in Sidney eine Ausbildung zum Golflehrer und tourte die nächsten 15 Jahre als Profigolfer. Anfang der 1990er kam er nach Deutschland, zunächst nach Kiel. Gegen Ende des Jahrzehnts lernte er in Münster Henriette Reker kennen, die heutige Kölner Oberbürgermeisterin, mit der er seit 2010 verheiratet ist. Heute arbeitet er als Golflehrer auf dem Gut Velderhof in Pulheim. Wann immer Zeit ist, betreibt er das traditionelle Hickory-Golfen mit Holzschlägern.
Perry Somers lebt mit seiner Frau im Kölner Süden.

Sie spielen Hickory, also Golf mit traditionellen Holzschlägern. Ist das wie Tiere mit dem Speer statt Gewehr jagen?

In macher Hinsicht schon. Auf jeden Fall ist es mit dem Holz deutlich schwieriger, weil es keine Fehler verzeiht. Sie müssen viel genauer sein, um den Ball mit dem Sweet Spot, der Mitte des Schlägers zu treffen.


Foto: Günther Meisenberg




Sind Sie eher Nostalgiker oder Traditionalist?

Traditionalist, würde ich sagen.

In meinem Tischtennisverein spielen wir manchmal mit den ganz alten Brettchen, völlig ohne Schaumstoff. Kommt einem vor wie ein komplett anderer Sport.

Das gilt auch fürs Hickory-Golfen. Wir spielen unter den Konditionen der Ära 1900 bis 1930, mit dem modernen Golf hat das nicht viel zu tun. Wir tragen die zeitgenössische Kleidung und benutzen sogar Replica Gummibälle. Früher hat man mit Kautschukbällen gespielt und noch früher mit weichen Lederbällen, die mit Gänsefedern gefüllt waren.

Sie sagten mal, in diesen 1930ern hätten Sie gern gelebt. Für einen Deutschen klingt das seltsam. Was verbinden Sie als Australier damit?

Man war vernünftig angezogen und pflegte einen anderen, zivilisierteren Umgang miteinander. Diese Zeit hatte auch negative Seiten, aber ich denke, sie war insgesamt stillvoller. Auch die Autos übrigens.

Was fahren Sie?

Einen modernen Volvo mit 225.000 Kilometern auf dem Tacho. Ich bin kein echter Enthusiast. Aber ich hätte durchaus gern einen Wagen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts.

Die alten Germanen haben ihre Speere aus Eschenholz gefertigt. Hickory ist eine Walnussart. Was zeichnet sie aus?

Esche ist auch nicht schlecht fürs Golfen. Aber Hickory bietet die beste Mischung aus Härte und der nötigen Flexibilität eines Schlägers.

Huckleberry Finn wurde von seinem Vater mit einem Hickory-Stock verprügelt. Tat der besonders weh?

(lacht) Ich fürchte schon, weil die Elastizität einen Peitscheneffekt herstellt.

Haben die alten Hickory-Spieler sich ihre Schläger noch selbst geschnitzt?

Die richtig Guten waren immer die, die sich auch mit dem Holz bestens auskannten. Die erkennen am Brett oder Block, ob ein Stück geeignet ist oder nicht, das ist eine Wissenschaft für sich. Jeder Hickory-Schläger ist letztlich ein Unikat.

Sie schwärmen vom Klang, den ein Hickory-Schläger und ein Gummiball erzeugen. Was macht den aus?

Schwer zu beschreiben, sehr angenehm ist der jedenfalls. Die modernen Schläger sind inzwischen hohl und aus Titan und klingen fürchterlich. Im Baseball ist man übrigens vom Metall zurück zum Holz gewechselt.

Im Golf nicht. Wieso?

Mit einem hohlen Metallschlägerkopf müssen Sie den Ball nicht unbedingt mittig treffen. Liegen Sie bei einem Holzschläger schief, kriegt der Ball Effet, beschreibt einen Bogen und landet irgendwo. Nur nicht auf der Golfbahn.

Wie weit schlagen Sie unter gleichen Bedingungen mit Eisen beziehungsweise Holz ab?

Mit dem Hickory-Holz schlage ich rund 200 Meter weit und liege etwa zehn Prozent unter dem aus der Gegenwart.

Gibt es in Australien eigentlich Minigolf?

Ja. Aber es ist lange nicht so populär wie in Deutschland. Ich selbst spiele das auch nicht.

Als Kind wurde mir erzählt. wenn du in Köln ein Loch gräbst, kommst du in Australien raus. Ziemlich weit weg, Ihr Heimatland.

(lacht) Das stimmt. Ich bin dort sehr ländlich aufgewachsen, und an der Küste. Unsere Schule war 150 Meter vom Strand entfernt. Meine Kindheit hat fast nur draußen stattgefunden und war wirklich schön.

Als Australier müssten Sie mit Rugby und Fosters Bier großgeworden sein statt mit Golf.

Rugby ist bei uns gar nicht die Hauptsportart. Eher Cricket und Tennis. Denken sie an Ken Rosewall und John Newcombe, das waren große australische Tennisspieler. Oder an den besten aller Zeiten: Rod Laver! Golf war bei uns ein Volkssport, an den ich durch meinen Vater gekommen bin. Und übrigens: Fosters trinkt man in Australien nicht. Das ist ein Exportbier.

Warum ist Golfen in Deutschland noch immer elitär?

Ich denke, weil man hier noch eine Entwicklung aufholt. Urspünglich war Golf tatsächlich ein Sport für die Reichen, für Menschen, die Land besaßen. Wobei die besten Spieler selten die Herren, sondern meistens deren Caddys waren.

Halten Sie als unbeteiligter Australier beim Ryder Cup für die USA oder Europa?

Dieser Wettbewerb interessiert mich heute kaum noch. Gründervater Samuel Ryder war ein echter Gentleman, der würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, wie das heute vermarktet und aufgeblasen wird.

Sie haben unter anderem in Kiel und Münster gelebt, bevor Sie nach Köln kamen. Was zeichnet diese Stadt für Sie, als Mensch mit Migrationshintergrund, aus?

(lacht) Vor allem ist man hier sehr selbstverliebt. Ich glaube nicht, dass es irgendwo sonst auf der Welt so viele Lieder über die eigene Stadt gibt. Ich bin davon nicht infiziert, auch nicht vom Karneval. Ich lebe hier natürlich gern. Aber ich habe in 15 Jahren als Profigolfer so viele Städte gesehen, dass ich keine großen Unterschiede mehr mache.

Sie könnten also jederzeit auch wieder in Kiel oder Sidney leben?

Genau. Ich bin hier in Köln sehr gern ein Außenseiter, der die Sache ganz neutral betrachtet.

Trotz bürokratischer Nachteile behalten Sie die autralische Staatsbürgerschaft. Warum?

Wenn es die doppelte Staatsbürgerschaft gäbe, würde ich einen deutschen Pass beantragen. Aber ich bin schon ein stolzer Australier.

Was bedeutet das?

Na ja, die Politik in Australien ist eine Katastrophe, da regiert alle halbe Jahre jemand anders. Aber wir sind eine ehemalige Strafkolonie, von den Engländern verschifft, um in Australien auszusterben. Wir waren tapfer und haben was draus gemacht, und wir sind eine Sportnation. Das gefällt mir.

Bundespräsident Gauck lud letztens in die Villa Hammerschmidt zu einer musikalischen Soiree zum Thema „Heimat“. Ihre Frau Henriette Reker und ich waren da. Sie nicht.

Ich versuche als „First Man“ von Köln unter dem Radar zu fliegen. Bei wichtigen Terminen und wenn meine Frau Unterstützung braucht, bin ich dabei. Aber an jenem Tag bei Herrn Gauck habe ich glaube ich ein Hickory-Turnier in England gespielt, das war mir dann wichtiger. (lacht)

In der alten Bonner Präsidentenvilla sind unter anderem die kölschen Höhner aufgetreten. Bei australischen Heimatbands fällt mir als erstes AC/DC ein.

Ob Sie´s glauben oder nicht: Als ich 17 war, haben die bei uns in der Schule gespielt. Da war das noch eine kleine Pubband. Die waren so laut, dass die Hallenwände gebebt haben. Der kleine Kerl mit der Gitarre hat wie ein Verrückter den Kopf geschüttelt und sich zwischendurch von den Boxen runter in die Menge geschmissen. Und gehofft, aufgefangen zu werden.

Beneidenswert, ich wäre gern dabeigewesen. Was ist für Sie am ehesten Heimat: Australien, Köln oder die Golfplätze dieser Welt?

Die Golfplätze, ganz klar. Vor allem die sogenannten Links-Plätze (von englisch link = Bindeglied, B.I.). Das sind die Dünenplätze an der Küste, zwischen Meer und Ackerland. Auf diesen salzigen Böden wächst ein ganz bestimmter Grastyp, den ich sehr schätze. Und zufälligerweise lässt sich darauf wunderbar Golf spielen.


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Mittwoch, 14. Dezember 2016



Coloniales








Diese Grafiken sind ein Auszug aus dem Buch "Kölle, jeföhlt", Emons Verlag:

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Mittwoch, 7. Dezember 2016

Kölner Gespräche (58): Volker Kutscher, Krimi-Bestsellerautor

Volker Kutscher wurde 1962 in Wipperfürth geboren. In Köln studierte er Germanistik und arbeitete danach wiederum in wipperfürth für die Kölnische Rundschau als Redakteur. Nach drei Bergischen Krimis ab 1995 erschien 2007 mit „Der nasse Fisch“ der erste Gereon-Rath-Band. Die sehr erfolgreiche Reihe um den Kölner Kommissar spielt im Berlin der Weimarer Republik. Soeben wurde mit „Lunapark“ der sechste von geplanten neun Bänden veröffentlicht. Volker Kutscher ist Vater einer Tochter und wohnt in Merheim.

Kennen Sie die Mulackritze?

Das war eine Kaschemme im Berliner Scheunenviertel, in der die Halbwelt verkehrte. Zur Zeit meiner Gereon-Rath-Romane, also in den 1920ern und frühen 30ern, war das gesamte Viertel eine Verbrechergegend.

 Foto: Monika Sandel (Kiepenheuer & Witsch)

Charlotte von Mahlsdorf überführte die komplette Kneipe dann in ihr Museum im Berliner Osten. Unter anderem verkehrten in diesen Kaschemmen die sogenannten Ringvereine, die auch in Ihrem neuesten Krimi eine Rolle spielen.

Gerungen wurde dort allerdings nicht. Der Name rührt vom Zusammenschluss „Berliner Ring“ her. Offiziell sorgten diese Vereinigungen für die Resozialisierung von Knastis. Getan haben sie allerdings das Gegenteil, nämlich: die Fähigkeiten der Mitglieder genutzt, um weiterhin dem organisierten Verbrechen zu frönen.

Eine Art deutscher Vorkriegsmafia?

Genau. Was die Mafia auf familiärer Basis betrieb, kombinierte man in Deutschland mit dem klassischen Vereinswesen. Inklusive Vorsitzendem und Kassenwart.

Waren die Ringvereine nur kriminell oder auch politisch?

Am ehesten sympathisierten sie mit den Kommunisten, weil sie aus demselben Milieu kamen.

Welches Milieu?

Wenn man Kreuzberg heute sieht, kann man sich nicht mehr vorstellen, was damals Armut bedeutete: Enge, schlechte Luft, verpilzte Wände, Etagenklos für dutzende Menschen undsoweiter. Die Gangsterszene war eine Option, um da rauszukommen.

Wie veränderte die Machtübernahme der Nazis dieses Milieu der Ringvereine?

Die Bürger waren zunächst einmal erfreut: Diese Nazis schaffen uns die Berufsverbrecher vom Hals. Auch die Polizeiarbeit wurde durch die Abschaffung des Rechtsstaats einfacher. Jeder konnte ohne Begründung eingesperrt werden, sodass die Ringvereine ziemlich bald kein Thema mehr waren.

Horst Wessel starb nach einer gemeinsamen Aktion von KPD und Ringvereinen. Eigentlich war der Mann ein billiger Stenz, der nach seinem Tod von den Nazis zum Märtyrer verklärt wurde.

Das stimmt, aber er war durchaus auch eine wichtige Figur der damaligen SA.

Viele Ringvereinsmitgliedern landeteten ab 1933 ebenfalls schnell bei der SA.

Die frühe SA propagierte ja tatsächlich noch eine Art nationalen Sozialismus. Für viele war das kein Etikettenschwindel, deshalb war der Schritt in die SA gar nicht so weit.

Für Berlin haben Sie diese Zeitläufte der späten Weimarer Republik en detail recherchiert. Wissen Sie von Vergleichbarem in Köln?

Bisher noch nicht, obwohl mein Protagonist Gereon Rath ja gebürtiger Kölner ist. Vielleicht gehe ich schon im nächsten Band mal wieder nach Köln. Die Verbindung liefe dann über Gereons Vater Engelbert, der, weil Adenauer- und Zentrumsfreund, als Polizeibeamter von den Nazis kaltgestellt wird. Aber das weiß ich noch nicht so genau.

Wie wild war Wipperfürth, wo Sie aufwuchsen?

(lacht) Meine Jugend war so mittelwild. Bewegungen wie Hippies und Punks, die in der Großstand streng getrennt waren, mischten sich bei uns durcheinander.

Wozu tendierten Sie eher?

Ich war eher Punk. Anfangs hatte ich lange Haare und so, aber dann war mir die Teetrinkerei zu blöd. Ich stand auf die düsteren Sachen, die aus Düsseldorf kamen, also Bands wie etwa DAF/Deutsch-Amerikanische Freundschaft.

Gibt es, analog zu Köln, Songs über Wipperfürth?

Ja, einen. Wir sind ja die älteste Stadt des Bergischen und werden nächstes Jahr 800. Und aus diesem Anlass wurde eine Stadthymne komponiert. Zum Glück nichts Mundartmäßiges, sondern ein sehr schönes, chansonhaftes Lied des Jazzpianisten Andreas Schnermann.

Hatten Sie als Jugendlicher mal mit der Polizei zu tun?

Nicht ernsthaft. Aber unsere Einstellung war natürlich, dass die „Bullen“ der Feind waren.

„Wir woll´n keine Bullenschweine“ war ein oft benutzter Demo-Spruch.

Das hat man früher so gebracht, sehe ich inzwischen allerdings ganz anders. Mir ist immer klarer geworden, dass wir hier etwas zu verteidigen haben. Wenn man sich andere Staatsformen ansieht, sei es das „Dritte Reich“, seien es viele diktatorische Regime heutzutage, dann merkt man, was man an der Demokratie hat.

Vor Ihrer Karriere als Schriftsteller waren Sie Rundschau-Redakteur in Wipperfürth. Was macht man da so?

Alles, wobei mein Schwerpunkt die lokale Politik war.

Und der unter Jungjournalisten berühmt-berüchtigte Kaninchenzücherverein?

Den überlässt man, sobald man Redakteur ist, den freien Mitarbeitern. (lacht)

Was bringt einem der Journalismus fürs literarische Schreiben?

Ganz viel! Als ich als Freier anfing, bin ich ganz schnell von meinem hohen Germanistenross abgestiegen. Weil ich merkte: Auch eine Polizeimeldung will erstmal anständig geschrieben werden. Als Journalist lernt man, dass Schreiben Arbeit ist, sprich: Schreibblockade ist nicht, man muss da durch. Selbst wenn man gerade denkt, das ist alles Mist, was ich da tippe.

Sie haben das Genre des Kölnkrimis großwerden sehen. Was war das für eine Entwicklung?

Letztlich hat mich der Kölnkrimi zum Schreiben gebracht. Den allerersten, „Tödlicher Klüngel“ habe ich mir 1984 sofort gekauft. Ich denke, die Leser fasziniert vor allem der Wiedererkennungseffekt. Ich selbst habe ja dann auch zuerst drei Bergische Krimis geschrieben.

Ein Kölnkrimi wird immer ein Kölnkrimi bleiben. Ihre Bücher hingegen nennt niemand Berlinkrimi, obwohl sie in jener Stadt spielen.

Das ist so, muss mit der Kölner Selbstbeweihräucherung zu tun haben. Als ich mit Gereon Rath und Berlin anfing, wollte ich weder den Stempel als Lokal- noch als Historienkrimi. Deshalb habe ich damals auch den Verlag gewechselt.



Ihre Hauptfigur heißt Gereon, wie der Stadtpatron Kölns. Absicht?

Zuerst ging es um den Nachnamen, da war ich mal bei Herkenrath, Overath und so. Letztlich habe ich ihn beim Großvater meiner Frau entliehen und schlicht Rath genannt. Der Mann war übrigens auch Polizist. Der Vorname sollte kölnisch klingen, und über Severin landete ich dann bei Gereon.

In Köln ist ihm eine romanische Kirche geweiht.

Und ganz in der Nähe, am Hansaring, habe ich zu Studienzeiten gewohnt.

Was ist das Kölsche an Gereon Rath?

Er wurstelt sich gerne durch, er kann mit der preußischen Prinzipienreiterei nichts anfangen. Ein echter Widerständler wird aus ihm nicht, aber gegen gewisse fanatische Auswüchse, zum Beispiel der Nazis, ist er immun.

„Es fällt dem Kölner schwer, sich in Berlin einzuleben“, heißt es auf Ihrer „Gereon Rath“-Website. Gilt das auch für Sie?

Mir selbst hat Berlin immer gefallen. Diese großen Straßen, das viele Grün faszinieren mich genauso wie die Tatsache, dass Berlin keine glatte Schönheit ist. Schon in den 80ern hatte ich Bekannte dort, auch aus der Hausbesetzerszene. Im Rückblick muss man sagen: Die ersten Wessi-Hausbesetzungen im Prenzlauer Berg, das war zugleich der Anfang der Gentrifizierung.

Die Gereon-Rath-Reihe wird von Tom Tykwer in eine 16-teilige Fernsehserie gegossen. Klingt nach Döblins „Berlin Alexanderplatz“, anno 1980 verfilmt von Rainer Werner Faßbinder.

Das Projekt wird sicher einen anderen Look haben, nicht ganz so dunkel. (lacht) Die Drehbücher haben Tom Tykwer und seine Kollegen geschrieben. Die schreiben auch einiges um, da bin ich nicht beteiligt. Aber Kästner und Döblin sind natürlich die Autoren, die mich in Hinsicht auf die Rath-Krimis am meisten beeinflusst haben. Auch in den 80ern war ich in Berlin schon auf den Spuren von Franz Biberkopf unterwegs.

Da sind wir dann wieder in der Mulackritze und ähnlichen Kaschemmen, in denen sich der Biberkopf herumgetrieben hat. Döblins Protagonist endet erbärmlich. Wie wird es Gereon Rath am Ende Ihrer auf acht Bände angelegten Serie ergehen?

Einen groben Plan habe ich, aber so genau kann ich das heute noch nicht sagen. Ursprünglich wollte ich 1936 mit den Olympischen Spielen enden. Aber das war mir doch zu positiv besetzt, deshalb wird es einen neunten Band geben. Und der soll im Jahr der „Kristallnacht“ 1938 spielen. Das wird allerdings noch gut sechs Jahre dauern, denke ich.





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Mittwoch, 23. November 2016

Coloniales (67)

Bierführerschein statt Wegbier-Verbot

Das Gehbier-Verbot wird kommen – auf die ein oder andere Art. Schon betonen Verwaltung und Oberbürgermeisterin: Wir werden das dann aber gar nicht so streng auslegen, keine Angst. Es geht nur um extreme Sauferei in unmittelbarer Nähe von Grundschulen. Aber die Verordnung existiert dann, als Repressionsinstrument kann sie jederzeit angewandt werden.
Eine Frage in diesem Zusammenhang lautet: Was soll der Blödsinn mit den Grundschulen? Woher soll der Trinker wissen, wo das nächste derartige Gebäude lauert?
Wer mit seinem kleinen Kind über die Schildergasse oder sonstwo durch die Innenstadt geht, kommt an zahllosen Saufnasen vorbei. Dem Kind ist es, je kleiner es ist, vollkommen schnuppe, was die Typen da machen. Zumal es im Zweifelsfall gar nicht weiß, was an Alkohol nun viel böser sei als an Lömmelömm oder Red Bull.
Anstatt pauschal alle Draußentrinker zu verfolgen, empfehle ich eine andere Lösung: den Bierführerschein. Jeder Kölner, der im Freien Alkohol konsumieren möchte, soll so ein Papier beantragen. Bei einer intensiven Prüfung wird dann festgestellt, ob er dazu tauglich ist. Wer nach drei Bieren anfängt, sexistische Witze zu reißen, ist durchgefallen. Wer nach fünf Kölsch zu gröhlen beginnt, ebenfalls. Wer sich schließlich nach zehn Einheiten zum Pinkeln an die nächste Hauswand stellt – egal, ob es sich um eine Grundschule, Kirche oder Privatimmobilie handelt – ist so dermaßen durchgefallen, dass er nie wieder ankommen braucht.
Sollte es zu einer derartigen Einrichtung kommen: Ich stelle mich gern als Ausbilder zur Verfügung.


Im Freien nur mit Führerschein




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Mittwoch, 16. November 2016


Fundstücke (27)

„Frauen sind auch ...“

Fußballplatz, Südstadt
Jugovater: „Ich wollte ja gar nicht, dass mein Sohn hier hin wechselt."
Deutschenvater: „Wieso?“
Jugovater: „Nur Türken hier, nur scheiß Türken. Die sollte man alle ausweisen.“
Deutschenvater: „Da gäb´s aber noch´n paar Kandidaten"
Jugovater: „Mich auch, oder was?“
Deutschenvater: „Alle Nazis und Rassisten. Am besten nach Sachsen.“
Jugovater: lacht
Türkenvater, ankommend: „Zigarette, Adis?“
Jugovater: „Danke, Samet.“

Männer

Kneipe, Nordstadt, 23 Uhr 30
Pullundertyp: „Kann doch jedem passieren, dass seine Frau nen anderen besser findet.“
Lederwestentyp: „Ja, aber nicht, dass die dann den Kerl ins Familienhaus holt und die da zu Dritt wie inner 80er-Jahre-WG wohnen.“
Pullundertyp: „Verlierst du die Frau, verlierst du die Ansprüche, du musst doch auch teilen können.“
Lederwestentyp: „Hör auf mit der Hippiescheiße.“
Pullundertyp: „Nee, ernst, Frauen sind auch ...“
Lederwestentyp: „Lassen wir´s.“

Kneipe, Nordstadt, 2 Uhr nachts
Typ, der irgendwann schonmal hier war: „Komm, wir trinken zwei Saure.“
Typ, der noch nie hier war: „Alkohol in einer anderen Form als Bier imponiert mir nicht.“
Typ, der irgendwann schonmal hier war: „Ja aber die Sauren mixt der Wirt hier selbst.“
Typ, der noch nie hie war: „Ich trink keinen Schnaps.“
Typ, der irgendwann schonmal hier war: „Das ist kein Schnaps, das ist ein Saurer.“
Typ, der noch nie hier war: „Na gut, dann tu mir einen."

Frauen


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Mittwoch, 9. November 2016

Coloniales (66)

Integration





Dieser Rebus ist ein Auszug aus dem Buch "Kölle, jeföhlt", Emons Verlag:

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Mittwoch, 2. November 2016

Kölner Gespräche (57): Der Jockey Dennis Schiergen

Dennis Schiergen wurde 1994 in Köln geboren. Sein Vater ist der berühmte Jockey Peter Schiergen, der als Reiter und Trainer auf über 1.000 Rennsiege kommt. In seinem Stall Asterblüte in Weidenpesch trainiert auch Sohn Dennis. Nach frühen Ponyrennen folgten 2010 seine ersten Siege in offiziellen Amateurrennen. Schon ein Jahr später wurde er mit 41 Siegen Champion der Amateurrennreiter und wechselte 2014 ins Profilager. Bedeutende Siege folgten, u.a. in diesem Jahr beim Kölner Oppenheim-Union-Rennen. Parallel zum Reiten absolviert er ein Studium des Sport-, Medien- und Eventmanagements.
Dennis Schiergen lebt mit seinen Eltern und seinen Brüdern in Köln-Auweiler.

Fotos: Der Schiergen-Stall an der Rennbahn in Weidenpesch

Bevor er zum Interview kommt, geht es noch einmal auf die Galopprennbahn. Unglaublich, mit welchem Speed dieses Tiere an einem vorbeiziehen. Und beeindruckend der Reiter, der währenddessen so gebückt und gebeugt überm Sattel schwebt.


Hatten Sie als Kind ein Schaukelpferd?

Klar, lag bei dem Vater ja nah, eins geschenkt zu bekommen. (lacht)

Pferde schaukeln eigentlich gar nicht, oder?

In der Dressur mag es runde Bewegungen geben, die in die Richtung gehen. Aber Rennpferde müssen sich lang machen, um so schnell wie möglich zu sein.


Ein Schaukelpferd dient also nicht als frühkindliche Vorbereitung auf den Rennsport?

Nein. Ich saß schon auf Pferden, bevor ich laufen konnte. Und mit zehn Jahren habe ich die ersten Ponyrennen mitgemacht. Ponys haben allerdings die Tendenz, ein bisschen sperrig zu sein.

So wie Esel?

Esel bleiben einfach stehen, wenn du Pech hast. Aber auch Ponys haben ihren eigenen Kopf und reiten nicht unbedingt dahin, wo du willst.


Verstärkt sich das bei großen Pferden?

Genau die Befürchtung hatte ich anfangs. Aber die erfahrenen Jockeys erzählten mir genau das Gegenteil: Wenn du Ponys reiten kannst, dann kannst du so ungefähr alles reiten.

Einer meiner Kumpels von der Grundschule hatte einen Reitstall. Ich hätte jeden Tag auf ein Pferd gedurft, habe es aber nie gemacht, weil ich Angst hatte.

Verstehe ich durchaus. Es gibt auch Sportarten, wo es bei mir aufhört.

Skispringen?

Ich fahre Ski, und im Funpark herumzuspringen, finde ich eigentlich ganz lustig. Aber Freeclimbing, am besten noch ohne Sicherung, das wäre nichts für mich.



Pferde sind groß und kräftig. Sind sie auch gefährlich?

Nein, das Wort passt nicht. Pferde tun nichts aus Bosheit, sondern höchstens aus Angst, weil sie sich erschreckt haben.

Was war Ihre bislang brenzligste Situation?

Stürze hatte ich schon mehrere. Letztes Jahr im August fiel ich in einem 16er-Feld, ich lag etwa an sechster Position. Meine Hand war fünfmal gebrochen, und ich hatte zwei OPs.

Der Unfall hat Sie offenbar nicht davon abgehalten, wieder aufzusteigen.

Ich bin sogar direkt danach wieder aufs Pferd. Der Adrenalinschub hat den Schmerz völlig übertüncht. Zum Arzt vor Ort musst du zwangsläufig nach einem Sturz, dem hab ich gesagt, es sei alles in Ordnung. Aber als beim nächsten Start aus der Box dann wieder richtig Druck auf die Hand kam, tat es höllisch weh. Da wusste ich, dass was passiert war.


Mein Motorrad hat 70 Pferdestärken. Macht Sie das neidisch?

Nein. Ich fahre auch gern schnelle Autos. Aber Pferde sind keine Maschinen, sondern Lebewesen. Man baut eine vertrauensvolle Bindung auf zu seinem Pferd, das Zusammenspiel von Mensch und Pferd ist etwas ganz Besonderes.

Ihr Vater schwärmt von Rennbahnen wie Dubai, dem britischen Ascot und Longchamps in Paris. Haben Sie auch schon eine Lieblingsbahn?

Meine größten Erfolge habe ich in Berlin gefeiert. Da gibt es Tribünen für die Schicken und für die normalen Leute. Und weil es dort immer voll ist, herrscht da eine großartige Atmosphäre. Wie Fußballern macht es auch Reitern umso mehr Spaß, je mehr Applaus sie bekommen.

Haben sie bei Rennen in Weidenpesch einen Heimvorteil?

Es ist sicher kein Nachteil, dort jeden Grashalm zu kennen. Mich kennen hier alle, seit ich ganz klein bin. Wenn die dann zuschauen, beflügelt einen das natürlich.

Sie haben dieses Jahr beim Oppenheim-Union-Rennen in Weidenpesch 70.000 Euro gewonnen. Was machen Sie damit?

(lacht) 70.000, das war der gesamte Topf. 40.000 davon gingen an den Sieger, aber der Anteil des Jockey daran liegt bei nur fünf Prozent. Zehn Prozent bekommt der Trainer, und der Rest geht an den Besitzer, der ja das komplette finanzielle Risiko trägt. Meinen Anteil hebe ich mir für das weitere Studium auf.

Sie studieren Sport-, Medien- und Eventmanagement. Mit welchem Ziel?

Genau, an der Fresenius-Hochschule im Mediapark. Ich würde gern meine Erfahrungen als Sportler und die vielen über die Jahre gemachten Kontakte nutzen, um weiter im Galoppsport zu arbeiten.

Die Arbeit im Stall fängt morgens um halb 6 an, habe ich mir sagen lassen. Und nebenbei machen Sie noch Ihren Master?

Als Student bin ich immerhin flexibler als noch in der Schule. Wenn eine Vorlesung vormittags ist, kann ich natürlich nicht in den Stall. Aber ich versuche, das alles passend zu legen.

Worauf müssen Sie im Vergleich zu Ihren Kommilitonen verzichten?

Der Sommer ist für uns Hochsaison, feiern gehen kann ich da nur sehr begrenzt. Im Winter kann ich auch mal vier Wochen Pause machen, in denen der Körper sich erholt. Sehr diszipliniert muss man außerdem beim Essen sein.

Essen Sie Rheinischen Sauerbraten?

Nee, das ist Kopfsache. Für die Inder sind Kühe heilige Tiere, die sie nicht essen. Und so geht mir das mit den Pferden.

Auf Ihrer Stallwebsite gelten Sie 2010 noch als "Teenager mit Babyspeck". Inzwischen sind Sie auf 1,74 Meter herangewachsen – eigentlich zu groß für einen Jockey.

Richtig. Deswegen will ich mir mit dem Studium ein zweites Standbein aufbauen. Jetzt bin ich, denke ich, gottseidank ausgewachsen.

Messi bekam Wachstumshormone, vielleicht hätte man Sie umgekehrt mit Kleinbleibhormonen behandeln können.

(lacht) Gut möglich, dass es so etwas in einigen anderen Ländern gibt. Aber bei uns käme glaube ich niemand auf so eine Idee.

Wären Sie denn wirklich lieber kleiner geblieben?

Ich habe mich das schon oft gefragt. Sechs Zentimeter weniger wären auch einige Kilo weniger. Aber Reiten ist ja nicht alles ...

Irgendwann steht man vor der Traumfrau und ist froh, den Kopf nicht in den Nacken knicken zu müssen.

Eben.

Zur Zeit ist Ihr Vater noch berühmter als Sie. Werden Sie ihn überholen?

(lacht) Die Messlatte liegt sehr hoch. Fünfmal Deutscher Meister der Jockeys, mehrfacher Champion der Trainer, insgesamt über 1.000 Rennen gewonnen: Da kommt man nicht so schnell ran.

Deutschlands wichtigstes Rennen, das Deutsche Derby in Hamburg, hat Peter Schiergen als Reiter nie gewonnen. Sie waren dieses Jahr unter den Favoriten. Woran hat es gehapert?

Daran, dass das Geläuf in einem sehr schlechten Zustand war. Das Derby ist immer das letzte Rennen nach sechs Renntagen. Mein Pferd Boscaccio ist damit leider nicht zurechtgekommen.

Reiten Sie immer dasselbe Pferd?

Nein, die Rennen gehen über verschiedene Distanzen, und jedes Pferd hat andere Qualitäten.

Mal unter uns: Ist es nicht unglaublich nervig, vom eigenen Vater trainiert zu werden?

In meinem Fall nicht. Aber sagen wir so: Zuhause stehen wir in einem anderen Verhältnis als bei der Arbeit mit den Pferden. Zu unserem Stall gehören viele Pferde, Reiter, Angestellte und Kunden. Da müssen wir professionell miteinander umgehen, und da gibt es dann auch schon einmal die ein oder andere Auseinandersetzung.