Mittwoch, 4. Februar 2015

Interviews (33)

Heute: Herbert Labusga, Karnevalswagen-Bauer und Künstler

Herbert Labusga wurde 1939 in Oppeln/Schlesien (heute Polen) geboren. Nach dem Abitur in Zakopane studierte er 1959-64 Malerei an den Kölner Werkschulen. Schon in den 1960ern begann er als Bildhauer fürs Fernsehen zu arbeiten - u.a. mit Regisseuren wie Fassbinder, Herzog, Petersen und Geissendorfer. Großes Aufsehen erregte er, als er 1985 in einer Nacht- und Nebelaktion den preußischen König zurück auf den verwaisten Sockel am Heumarkt setzte - aus Styropor.
Werke von Labusga finden sich in ganz Deutschland, in Köln u.a. am Rathausturm (Willi Ostermann) und vor dem Regierungspräsidium (Friedrich Reichsgraf zu Solms-Laubach). Er lebt mit seiner Frau in Stammheim.

In der Wagenbauhalle am Karnevalsmuseum entsteht der kommende Rosenmontagszug. Herbert Labusga, Herr über Holz, Draht, Styropor und Pappe, dreht das Radio leiser und lässt den Festwagen der Müllemer Junge eine Weile ruhen.

Zuletzt war im Gespräch, die Kreuzblume vor dem Dom zu entfernen. Die fundiertesten Informationen zu diesem Objekt haben eigentlich Sie.

Ursprünglich hat sich Köln mit dieser Kreuzblume zur Weltausstellung historischer Städte in Kyoto präsentiert. Elf Meter hoch war die, und ich habe sie gebaut. Um sie genau vermessen zu können, habe ich vom Dombaumeister Wolf die Erlaubnis bekommen, sie zu beklettern.

Herbert Labusga zeigt mir an dieser Stelle Fotos von sich und einem Steinmetz auf der Dom-Kreuzblume. Schon der Anblick macht schwindlig.

Was kam dabei heraus?

Dass schon der Vorläufer der Nachbildung vor dem Dom fehlerhaft war. Auch heute sieht man, wenn man sich in die Flucht von Kreuzblume und Domturm stellt, dass da was nicht stimmt. Ich bin der einzige, der Pläne mit den richtigen Maßen hat. Aber gemeldet hat sich in dieser Sache noch niemand bei mir.

1985 haben Sie auf den damals leeren Sockel am Heumarkt das Reiterdenkmal Friedrich Wilhelm III. gestellt. Aus Styropor allerdings.

(lacht) Ja, zur Art Cologne. Ich erzählte meiner Frau von dem Plan, und sie meinte: Das traust du dich sowieso nicht. Also musste ich´s machen, klar.

Labusgas Styropor-König auf dem Weg zum Heumarkt 1985

Wie ging das vonstatten?

Dafür habe ich einen Monat richtig reingeklotzt. Der WDR hatte mir eine Arbeitshalle zur Verfügung gestellt.

Im Wissen, dass hier etwas Illegales vor sich ging?

Nein, so genau waren die nicht eingeweiht. Ich habe denen vor Ort erzählt, das sei für irgendeine Fernsehsendung. Danach habe ich durchaus damit gerechnet, festgenommen zu werden. Immerhin sind wir da nachts mit zwei Tiefladern hin und haben die ganzen Beete zertrampelt.

Aber?

Stattdessen schrillte schon früh am Morgen das Telefon, und Stadtkonservatorin Hiltrud Kier beglückwünschte mich zu der Aktion.

Zunächst wollte der WDR Ihnen das Denkmal abkaufen.

Ja, aber die Stadt beschloss, das Ding einfach an Ort und Stelle zu belassen. Ich sagte denen, das wird nicht lange halten, das obere Teil ist nur mit zwei Eisenstücken mit dem unteren verbunden. Es dauerte dann allerdings fast ein ganzes Jahr, bis der Reiter herunterfiel.

Ihr Kunstwerk hatte nur 10.000 Mark gekostet.

Ja, und dann fragte man mich, ob ich auch den echten Reiter aus Bronze gießen wolle. Dass dann letztlich jemand anders den Auftrag bekam, hatte mit üblem Klüngel zu tun. Da will ich aber gar nicht mehr drüber reden.

Hat mit dieser Aktion Ihr Interesse für Styropor begonnen?

Nein, mit diesem Material arbeite ich schon seit 1964, da gehöre ich sicher zu den Pionieren. Damals habe ich, noch als Student, an Bühnenbildern für den WDR mitgearbeitet. Eines Tages brauchte man auf die Schnelle ein paar romanische Figuren. In der Ecke standen Styroporplatten, die habe ich dann zusammengeklebt und mit dem Messer bearbeitet.

Der Startschuss für eine „Unendliche Geschichte“.

Stimmt, für den Film nach Michael Ende habe ich praktisch alles gemacht. Der 1. Teil von 1984 besteht letztlich aus 10.000 Kubikmetern Styropor.

Sie haben damals auch mit Rainer-Werner Fassbinder und Werner Herzog gearbeitet. Waren Sie ein politischer Künstler?

Nein, so habe ich mich nie empfunden. Aber mein Leben wurde stark von politischen Bewegungen beeinflusst. Mein Heimatort Oppeln wurde 1945 polnisch, ich habe also ein polnisches Abitur gemacht.

Sie sind gebürtiger Schlesier. Bestehen noch Kontakte?

Mit meinen deutschen Schulfreunden habe ich mich zerstritten, die wollten ein „freies Schlesien“. Ich habe aber sehr viele polnische Freunde.

1959, mit 20 Jahren, sind Sie nach Köln gegangen. Wieso?

Schon im Januar 1945 hatte meine Mutter versucht, allein mit mir und meinen zwei Schwestern über die Oder zu flüchten. Es waren 20 Grad minus, eine Schwester wäre fast erfroren, wir haben es nicht geschafft. 1959 dann durften wir ausreisen, und meine Oma mütterlicherseits lebte bereits in Köln.

Und Sie wurden Kunststudent?

Bei den Kölner Werkschulen kannte man meine musisch ausgerichtete Schule in Zakopane. Die hatte einen guten Ruf, ich wurde sofort angenommen.

Haben Sie eigentlich einen schlesischen oder polnischen Akzent?

(lacht) Ich dachte, ich hätte überhaupt keinen Akzent.

Spielt Ihr Migrationshintergrund heutzutage noch eine Rolle?

Für mich nicht. Natürlich hat man mich zu Anfang gern als „Polacken“ beschimpft, obwohl meine deutschen Wurzeln bis ins 17. Jahrhundert nachweisbar sind. Aber mir hat das nie etwas ausgemacht, dafür liebe ich Polen einfach zu sehr.

Sie bauen seit nunmehr 54 Jahren Kanevalswagen.

Ja, unglaublich, oder? (lacht)

Ist das Festkomitee durch die Heumarkt-Aktion auf Sie aufmerksam geworden?

Nein, auch da bin ich schon seit den frühen 60ern. Die kamen zur Werkschule und suchten studentischen Ersatz für einen verstorbenen Wagenbauer.

Was sind die spezifischen Probleme dieses Jobs?

Als ich anfing, bauten die Kollegen ihre Figuren noch komplett aus Gips, sehr aufwendig. Und ich kam da an und haute das plötzlich aus ein paar Latten und Maschendraht zusammen, kaschiert mit bemaltem Zeitungspapier.

Gab das Ärger?

Klar, die Alteingesessenen waren stinksauer und hatten Angst um ihre Arbeitsplätze. Ich habe in einer Woche einen Wagen allein gebaut, für den die mit 20 Leuten drei Wochen brauchten.


Sind Sie hier Künstler oder Handwerker?

Man muss auf jeden Fall Allroundhandwerker sein - also etwa schreinern, schlossern und nicht zuletzt improvisieren können. Auch hilft es, ein wenig Ahnung von Statik zu haben. Mir ist in über einem halben Jahrhundert noch nie eine Figur umgekippt. Toi toi toi.

Sind Sie persönlich ein Karnevalsjeck?

Nein, fürs Kamellensammeln bin ich zu alt, und ich war auch noch nie beim Rosenmontagszug. Aber ich sehe ihn mir mit einer Flasche Rotwein an und erfreue mich an den tollen Kommentaren von Wicky Junggeburth. Der Mann weiß alles und ist sehr witzig.

Was wird Ihr Highlight des kommenden Rosenmontagszuges?

Oh, sicher mein Müllemer Bötche hier, das ich für die Müllemer Junge baue. (lacht)

Jenseits von Karneval stehen Sie als Künstler für realistische Bildhauerei.

Ja, nicht zuletzt von Tieren. Ich weiß gar nicht, welches ich noch nicht gemacht habe. Die schnitze ich übrigens immer aus Styropor, bevor sie in Bronze gegossen werden.

Auch in Köln haben Sie sich mehrfach verewigt. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu dieser Stadt beschreiben?

Ich liebe Köln, das ist meine Heimat und etwas Magisches. Ich kannte schon als Kunstgeschichtsschüler in Polen den Kölner Dom besser als die meisten Kölner. Drei, vier Mal im Jahr gehe ich für ein paar konzentrierte Stunden auf den und um den Dom herum, um seine Figuren zu studieren. Das ist mir ein Bedürfnis.

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