Mittwoch, 28. Januar 2015

Geschichten aus 1111 Nächten (54)

Ein einfacher Mann

Der heilige Willy betrat seine Kanzel und sah: Da sitzt nur ein einziges seiner Schäfchen in der ganzen Kirche. Und das war auch noch der triefnasige Anton. Also trat er vor ihn hin, ignorierte die ungeheure Schnapsfahne und sah ihm scharf in die glasigen Augen:
„Außer dir ist niemand hier, Tünnes. Soll ich deiner Meinung nach predigen oder nicht?“
Der Anton antwortete: „Heilger Willy, ich bin nur ein einfacher Mann und verstehe nichts von deinem Geschäft. Aber wenn ich hinter einem Tresen stehe und sehe, dass alle Gäste gegangen sind bis auf einen, so werde ich ihn trotzdem bewirten.“
Der heilge Willy fluchte kurz in sich hinein, begann dann jedoch seine Predigt. Über zwei Stunden lang sprach er. Danach fühlte er sich sehr erleichtert und fragte: „Nun, Tünnes, wie hat dir meine Predigt gefallen?“
Und dieser erwiderte: „Ich habe bereits gesagt, dass ich ein einfacher Mann bin und von so etwas nicht viel verstehe. Wenn ich hinter einem Tresen stehe und sehe, dass alle Gäste gegangen sind bis auf einen, so würde ich ihm trotzdem zu trinken geben. Ich würde ihm aber nicht alles geben.“

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