Mittwoch, 31. Dezember 2008

Moslems, Atheisten und Frauen

Vor ein paar Wochen habe ich einen Schützenkönig interviewt. Wir sprachen über Festumzüge und das Glück, das einem beim Abschuss des Vogels hold sein muss. Ehrlich gesagt: Ein großer Wurf war es nicht, dieses Gespräch, der Informationswert hielt sich in engen Grenzen.
Nachdem ich die Sache abgetippt und zur Authorisierung an den Interviewten geschickt hatte, begann jedoch das Warten. Einen Text von 8.000 Zeichen kann man in zehn Minuten lesen, und viel zu korrigieren gab es meines Erachtens nicht. Aber auch nach zwei vollen Tagen hatte ich noch keine Abdruckgenehmigung. Also rief ich den Schützenkönig an: Wie es denn aussehe.
Kein Problem, sagte er, aber er habe den Text zunächst mal an den Präsidenten und den Schriftführer seines Vereins weitergeleitet.
Solch einen Spökes veranstalten normalerweise nur Stars und ihre Imageagenturen. Und Geheimbündler. Und als dann endlich die Mail kam, war das Interview auch tatsächlich seiner einzigen spannenden Stelle beraubt.
Da hatten wir nämlich über die Eckpfeiler des Schützenwesens geredet, die da „Glaube, Sitte, Heimat“ lauten. Und mir war, überaus schlagfertig, zu fragen eingefallen, ob man in seinem Club denn auch moslemische Mitbürger aufnehme. „Nein“, antwortete der Mann zu meiner Überraschung. Andersgläubige dürften sich wohl als Sportschützen auf der Schießanlage herumtreiben; aber wenn es ans Marschieren oder Trachtentragen gehe, blieben sie außen vor. Unbedingte Voraussetzung für letzteres sei der christliche Glaube.
Nun hatte mir mein eigener Glaube bisher eingeredet, Schützenvereine hätten etwas mit Brauchtum zu tun, und vor allem mit einer ausgeprägten Dorf- oder Veedelsgemeinschaft. Stimmt aber nicht, das Gegenteil ist der Fall. Viele Schützenvereine nehmen weder Moslems auf noch Juden oder Atheisten. Skandalös ist das, sagte ich mir, warum schreit nicht die ganze Republik nach Auflösung dieser reaktionären Banden? Warum kommt das nicht vor die UN?
Erst gegen Ende des Gesprächs fand ich dann jenen Passus wieder, der die Angelegenheit irgendwie ins Lot brachte. Da frage ich nämlich den König, ob er seine zukünftigen Kinder auch im Schützenverein anmelden werde. Einen Jungen, so sagte er, ja. Ein Mädchen jedoch nicht, das gehe gar nicht, weil es sich bei seinem Club um eine reine Männerriege handele.
Keine Moslems, und dafür dann eben auch keine Frauen – das leuchtet doch wiederum ein!

Montag, 22. Dezember 2008

Coloniales (10)

Holländische Schwarzfahrer

Das Pärchen, Holländer, steigt am Rheinauhafen in die 133, wahrscheinlich wollen sie vom Mittelalter- zum Alter Markt, ein echter Weihnachtsbummel. Sie sind Ende 30, beide blond, und als Zeichen ihres Spießertums trägt sie einen Pagenschnitt und er einen Blinker am Jack-Wolfskin-Rucksack. Beim Einsteigen hält die Frau dem Busfahrer einen Zehn-Euro-Schein vor die Nase. Aber wie kölsche Busfahrer nunmal so sind, empfindet der das als Bestechungsversuch und zeigt unwirsch mit dem Daumen nach hinten.
Und dann stehen die beiden also vor dem KVB-Fahrkartenautomaten. Und drücken ein paar Knöpfe. Ich stelle mir vor, wie sie sich jetzt die Wörter „Kurzstrecke“ oder „Preisklasse 1b“ in ihre beknackte Sprache übersetzen. Irgendwann entscheiden sie sich für ein Ticket, finden aber den Schlitz für die Geldscheine nicht. kein Wunder, gibt ja auch keinen, sage ich ihnen aber nicht. Nach kurzem Rätselraten zückt die Frau ihre Kreditkarte und steckt sie in einen Schlitz des Automaten. Der gibt ein paar empörte Quietschgeräusche von sich und spuckt die Karte wieder aus. Der Bus erreicht die Severinsbrücke, als das gleiche mit der Karte des Mannes geschieht.
Am Waidmarkt haben beide ihr Portemonnaie ausgepackt und suchen nach Kleingeld. Sie wirken jetzt zunehmend frustriert. Außerdem scheint sich ihr Gewissen zu melden, immerhin fahren sie jetzt seit vier Minuten schwarz. Die Frau blickt sich schuldbewusst um und fixiert vor allem mich, weil ich mitschreibe. Wenn ich nur ein bisschen mutiger, ein bisschen gemeiner wäre, würde ich jetzt meinen Presseausweis hochhalten und „Fahrkartenkontrolle“ rufen. Immerhin sage ich „Nein“, als die Frau fragt, ob ich einen Zehner wechseln könne. Noch immer blockieren die beiden den Automaten, schade, das niemand sonst eine Karte ziehen will. Das würde das Spektakel noch ein wenig attraktiver machen. Klimper, klimper, noch immer wühlt die Frau in ihren Kleingeldmünzen, um regelhaftes Verhalten vorzutäuschen. Der Bus biegt ab in die Heumarktschleife, tausende Lichter und Leute verkünden die Ankunft beim nächsten Weihnachtsmarkt. Ein Ruck geht durch das Holländerpärchen, wie elektrisiert warten sie auf das Öffnen der Tür und springen dann aus dem Bus.
Draußen sehen sie sich an, grinsend, und was ich süß fand: Dass sie ihm noch so verschworen-kumpelhaft in den Arm gekniffen hat.

Mittwoch, 17. Dezember 2008

Coloniales (9)

Das Hochwasser von 1784

Laut Selbstauskunft auf seiner Homepage ist Bernd Nebel ein Bauingenieur aus Marburg. Gestoßen bin ich auf den Mann nach einem Besuch der Kirche Maria Lyskirchen am Rhein. Über deren Portal hängt nämlich, in rund 3,50 m Höhe, eine Hochwassermarke aus dem Jahr 1784. Man muss den Kopf in den Nacken legen, um dort hinaufzuschauen; und man muss der Phantasie freien Lauf lassen, um sich diese gigantische Katastrophe vorzustellen. Zum Glück gibt es dafür Leute wie jenen Herrn Nebel, die die entsprechende Recherche nicht nur betreiben, sondern ihre Ergebnisse zudem ins Netz stellen. Nebel ist nämlich Brückenforscher, und 1784 gingen – man kann es sich denken – zahllose Brücken zu Bruch. Ebenfalls naheliegend und dennoch zunächst überraschend: So ein extraordinäres Hochwasser beschränkt sich nicht auf einen Fluss oder auf eine Region, sondern resultiert aus europaweiten, wenn nicht globalen Klimazusammenhängen.
Im Folgenden eine Zusammenfassung von Nebels spannender Recherche:

„Die Suche nach den Ursachen der Ereignisse vom Februar 1784 beginnt bereits etwa ein Jahr vorher mit einer Reihe von geomorphologischen Aktivitäten der Erde. Diese reichten von Europa bis nach Asien und waren so heftig, dass sie in den folgenden Monaten und Jahren das Klima auf der ganzen Welt spürbar beeinflussten.
Die Aktivitäten der Erdkruste begannen am 5. Februar 1783 mit einer Serie heftiger Erdstöße in Kalabrien, deren Epizentrum etwa im Bereich der Straße von Messina lag. Besonders betroffen waren die Stadt Messina, sowie Sizilien und Kalabrien. Am folgenden Tag ereignete sich ein Nachbeben und in den darauf folgenden beiden Monaten noch mehrere kleine Erdstöße an der Westküste Italiens. Insgesamt wurden 181 Ortschaften zerstört, wobei über 30.000 Menschen ihr Leben verloren.
Etwa drei Monate später begann in Island eine Serie ungewöhnlich heftiger Vulkanausbrüche, die zu drastischen Änderungen der Lebensumstände auf der Insel führten. Die Ausbrüche begannen im Mai 1783 mit dem Eldeyjar und endeten erst im Februar 1784. Ihren Höhepunkt fanden die Eruptionen am 8. Juni 1783 mit der Öffnung der so genannten Laki-Spalte im Süden der Insel, die in den folgenden Monaten etwa 130 einzelne Vulkane freigab. Bei den folgenden Eruptionen handelt es sich um die heftigsten, jemals auf Island verzeichneten Vulkanaktivitäten und weltweit gesehen um die drittgrößte historisch verbürgte Katastrophe dieser Art. Die Krater spuckten in dieser Zeit ca. 12 Milliarden m³ Lava, Asche, Schwefeldioxyd und verschiedenster Gase aus. In historischen Dokumenten wird von mehreren hundert Meter hohen Lavafontänen berichtet. Zwei riesige Lavaströme wälzten sich in Flussbetten auf das Meer zu, wobei die beiden Flüsse vollständig verdampft wurden. Im Umkreis von ca. 40 km wurden alle menschlichen Behausungen zerstört.
In einem zeitgenössischen Bericht heißt es: "Der faule Geschmack der Luft, bitter wie Seetang und nach Fäulnis stinkend, war tagelang so intensiv, dass die Menschen kaum atmen konnten. Außerdem drang das Sonnenlicht nicht mehr durch. Alles war von Dunst eingehüllt."
Die Vulkanausbrüche hatten aber nicht nur Folgen für Island selbst, sondern für ganz Europa und noch weit darüber hinaus. Besonders davon betroffen waren England und Frankreich aber auch alle anderen Länder. Man geht davon aus, dass auf den britischen Inseln im August und September 1783 ca. 23.000 Menschen an den Folgen der Vulkanausbrüche starben, insbesondere an Vergiftungen. In England und Frankreich stieg die Sterblichkeitsrate im Winter 1783/84 um ca. 25%. In den angrenzenden Ländern dürften ähnliche Zahlen erreicht worden sein, doch gab es dort noch keine Aufzeichnungen dieser Art.
Durch die gewaltige Energie die bei den Vulkanausbrüchen freigesetzt wurde, gelangten Asche und Staubpartikel bis in die Stratosphäre und konnten sich somit beinahe auf dem ganzen Globus verteilen. Diese Staubwolken wurden in den folgenden Monaten überall auf der Welt als eine Art Dunstschleier der sich vor die Sonne schob wahrgenommen. Astronomen berichteten, dass in etwa 10.000 Fuß Höhe "große Wolken trockenen Nebels" dahin zogen.
Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass sich durch die verringerte Sonneneinstrahlung die Durchschnittstemperatur für mindestens 5 Jahre spürbar verringerte. Es kam in vielen Regionen der Erde zu Missernten und einer erheblichen Verschlechterung des Nahrungsangebotes. Die Folge waren weit verbreitete Hungersnöte und Mangelkrankheiten.
Besonders dramatische Veränderungen zeigten sich im Winter 1783/ 84. Die Kälte betraf ganz Europa, wurde aber auch in Asien und Amerika registriert. Der damalige amerikanische Präsident Benjamin Franklin verzeichnete z.B. auch im Osten der Vereinigten Staaten eine bemerkenswerte Kältewelle. Der Hafen von New York war 10 Tage lang zugefroren und der Long Island Sound konnte mit Schlitten befahren werden. Auch der anschließende Sommer war ungewöhnlich kalt und feucht. Untersuchungen an den Jahresringen von Bäumen in Sibirien und Alaska zeigten, dass der Sommer 1784 in diesen Regionen der kälteste innerhalb von 500 Jahren war.
Besonders dramatisch war der Verlauf dieses Winters aber in Deutschland und den angrenzenden Ländern. Er war außergewöhnlich kalt und schneereich und ging als einer der kältesten Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Geschichte ein. Die Frostperiode begann schon im November 1783 und hielt praktisch den ganzen Winter über an, bis März 1784. Die Temperaturen fielen überall in Europa auf Rekordmarken. Z.B.:
Nach wochenlanger Kälte setzte Ende Februar 1784 das Tauwetter ein. Die Temperaturen stiegen in kurzer Zeit örtlich auf zweistellige Plus-Grade an. Hinzu kam, dass während des Tauwetters heftige Regenfälle einsetzten und so die Lage noch zusätzlich verschärften. Jetzt taute überall der Schnee und bildete Sturzbäche, die sich auf die großen Flüsse zu bewegten. Das Tauwasser floss zum Teil auf den gefrorenen Eisflächen ab, gelangte aber mehr und mehr auch unter das Eis. Der Druck wurde immer größer und schließlich wurde das Eis von unten aufgesprengt.
Das Aufbrechen des Eises war ein sehr gefährlicher Moment, nicht nur weil damit das Hochwasser erst richtig in Fahrt kam, sondern weil die flussabwärts stürzenden riesigen Eisschollen alles mitrissen, was sich ihnen in den Weg stellte. Der Aufenthalt in Ufernähe, auf Brücken oder Schiffen wurde dadurch sehr gefährlich. Die Verwaltungen der Städte waren auf diesen Moment vorbereitet und signalisierten ihren Bürgern und den weiter unten liegenden Ortschaften die drohende Gefahr durch Kanonenschüsse. Wie eine Stafette liefen die Donnerschläge flussabwärts, um vor dem nahenden Unheil zu warnen.
Die Eisaufbrüche erfolgten zeitlich etwas versetzt von Westen nach Osten. Es begann am 23. Februar mit der Schelde in Belgien und Frankreich, zwei Tage später an der Maas, am 26.2. am Rhein, am 27.2. an Regnitz und Main, am 28.2. an der Elbe und am 29.2. an der Donau. Durch die ungeheuren Schmelzwassermengen in Verbindung mit dem zusätzlichen Regen entwickelte sich fast an allen Flüssen eines der größten Hochwässer der letzten 1000 Jahre. Am Rhein bei Köln sowie an Moldau und Mosel blieb es bis heute das höchste jemals gemessene Hochwasser. Die Situation wurde besonders dramatisch, wenn sich Eis und Treibgut vor den Brücken verkeilte und es dann zu einem Rückstau kam, der den Druck auf die Bauwerke noch zusätzlich verstärkte. Unzählige Brücken konnten dieser Belastung nicht standhalten und wurden schwer beschädigt bzw. zerstört.
Viele Städte wurden erheblich in Mitleidenschaft gezogen und zu großen Teilen überflutet. Besonders stark betroffen waren Köln, Bamberg, Würzburg, Heidelberg, Dresden und Prag. Aber noch viele andere Städte erlitten große Schäden, von denen sie sich lange Zeit nicht erholten.
In Köln waren die Folgen des Hochwassers besonders dramatisch und die Opferzahl entsprechend hoch. Am 27.02.1784 wurde ein Pegelstand von 13,55 m gemessen (bei einem Normalpegel von 3,48 m!). Das ist bis zum heutigen Tage der höchste jemals in Köln gemessene Wasserstand. Weite Teile der Stadt wurden unter Wasser gesetzt und viele Wohnhäuser durch Eisblöcke so groß wie voll beladene Heuwagen und Treibgut zerstört. Insgesamt 65 Kölner verloren durch das Hochwasser ihr Leben. Sämtliche Schiffe auf dem Rhein wurden von den Eismassen zerstört. Rheinbrücken gab es 1784 allerdings keine in Köln, der Verkehr über den Fluss wurde zu dieser Zeit ausschließlich mittels Fähren betrieben. Noch schlimmer als Köln traf es Mülheim auf der rechten Rheinseite, das völlig zerstört wurde.“

Wer noch mehr erfahren möchte:
www.bernd-nebel.de/bruecken/4_desaster/1784/1784.html

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Thekentänzer (7)

„Lächle doch mal!“

Kellnern kann manchmal ziemlich nervig sein. Damit meine ich nicht, dass man sich womöglich überarbeitet, denn mehr als eins nach dem anderen zapfen geht ja nicht. Und ich meine - ausnahmsweise - auch nicht die ganzen Knicker, die kein Trinkgeld geben oder von 9,20 auf 9,50 aufrunden (dann lieber gar nichts, ist klar). Nein, was mir am meisten auf den Senkel geht, sind diese Aufforderungen à la „Guck doch nicht so ernst“ oder „Lächle doch mal“. Also ganz konkret: dass da eine selig betrunkene, von zwei Seiten becircte Lady sitzt, sich unwiderstehlich vorkommt und deshalb meint, den Kellner animieren zu dürfen: „Lächle doch mal!“
Soll doch selber lächeln, die blöde Nuss.
Und sobald die das dann ausgesprochen hat, haben auch ihre beiden Verehrer ein Thema. Stumpf wie sie inzwischen sind, profilieren sie sich auf Kosten des Kellners und sondern einen Spruch nach dem anderen ab: „Ob der uns gleich rauswirft?“ „Der guckt wie Volkstrauer- und Buß- und Bettag in einem.“ „Vielleicht sollten wir ihn mal unterm Arm kitzeln.“
Eine Möglichkeit, sich solcher Peinlichkeiten zu erwehren, besteht darin, den Leuten ein paar andere Themen vorzuschlagen. Es gibt im Prinzip drei Kneipensujets, die – so grauenhaft sie auch sind – immer ziehen. Als da wären:

1. Eigentlich würde ich gerne aufhören zu rauchen.
2. Die Kinder haben mein Leben verändert.
Und 3.: Meine Eltern sind an allem schuld.

Wenn jedoch selbst das nichts bringt, hilft nur noch eins: AC/DC auflegen und die Regler hochfahren. Auf dem Highway zur Hölle lächelt man dann quasi von selber.

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Coloniales (8)

Am Hindukusch

Das Kreiswehrersatzamt in Raderthal wird saniert, es ist asbestverseucht. Vermutlich deshalb wurden hier zuletzt zahllose Partys gefeiert, Open Air und mit DJ. Kein Problem, eigentlich. Mein Nachbar hat vier Töchter, da wird praktisch jeden zweiten Tag irgendwas begangen. Die Mädels stehen auf Independent und laut – wunderbar. Die Soldatenfeste ein paar Meter weiter fangen jedoch meistens schon mit Proletenmusik an, also: Nena, Matthias Reim und diese Schwarte, die sich DJ Ötzi nennt. Und mit dem geht´s dann auch in die zweite Runde. So unglaublich mies dessen Lied vom „Stern, der deinen Namen trägt“ daherkommt, so unglaublich ist auch die Tatsache, dass dieser Song inzwischen gecovert wurde. Der Refrain lautet nun: „Eine Frau, die mich nach Hause trägt“, und es geht um besinnungsloses Besaufen. Gegen 6 Uhr – diese Kameradschaftsfeste beginnen immer nachmittags – war der Ballermann-Faktor auf 100. Die Lieder basierten jetzt ausnahmslos auf Textbausteinen à la „Titten“ und „Du geile Sau“, auch der „Puff in Barcelona“ war bald erreicht.
Also fährt man da hin und beschwert sich, möglich nonchalant natürlich. Ich habe nicht gesagt: „Machen Sie bitte die Musik leiser, meine Kinder werden dadurch bei den Hausaufgaben gestört.“ Sondern: „Machen Sie bitte diese geschmacklose Idiotenmusik aus.“
„Über Geschmack lässt sich streiten“, meinte der Kommandant. Die einfachen Soldaten wirkten in ihren Springerstiefeln alle riesengroß und durchweg sehr fleischig. Nach meinem Einsatz wurde die Musik kurz ein bisschen leiser, bevor es dann doch wieder ab nach Barcelona ging. Und hier am Ende, wo man eigentlich eine finale Pointe erwarten sollte, folgt nun stattdessen ein ganz einfacher Aussagesatz: Wenn das die Typen sind, die Deutschland am Hindukusch verteidigen, dann Gute Nacht, Mutter.