Mittwoch, 22. April 2015

Geschichten aus 1111 Nächten (58)

Der Schnapsdieb

Der geldgierige Schäl hatte eine Kneipe eröffnet. Eines Tages fehlte eine Flasche Schabau im Regal. Er suchte und suchte, aber sie blieb verschwunden. Da wurde er überaus böse und verdächtigte den Sohn seines versoffenen Nachbarn Tünnes, die Flasche für seinen Vater gestohlen zu haben.
Er beobachtete den kleinen Cöbes ganz genau. Und tatsächlich: Der Gang des Jungen war der Gang eines Schnapsdiebs. Die Worte, die er sprach, waren die Worte eines Schnapsdiebs. Sein ganzes Wesen und sein Verhalten waren die eines Schnapsdiebs.
Am Abend fand der Tünnes die Schabaupulle hinter einem großen Zeitungsstapel.
Am nächsten Morgen sah er den Sohn seines Nachbars erneut. Sein Gang war nicht der eines Schnapsdiebs. Seine Worte waren nicht die eines Schnapsdiebs, und auch sein Verhalten hatte nichts von einem Schnapsdieb.
Für einen Moment überlegte er sogar, ob er sich bei ihm entschuldigen solle.

Ist schon traurig manchmal

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Mittwoch, 15. April 2015

Deutsche Sprichwörter (5)

Der Bonner Philologe Karl Simrock (1802-76) edierte unter anderem eine umfangreiche Sammlung deutscher Sprichwörter. Hier eine Wochenauswahl zum Thema Essen u.ä.:

# Böse Frauen machen die besten Käse.

# Hunger ist das beste Gewürz.

# Ein Krämer, der nicht Mausdreck für Pfeffer aufschwatzen kann, hat sein Handwerk nicht gelernt.

# Den Hund schickt man nicht nach Bratwürsten.

# Alte Ziegen lecken auch gern Salz.

Alte Ziege, süße Trauben

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Mittwoch, 8. April 2015

Geschichten aus 1111 Nächten (57)

Der kleine Junge

Es war einmal ein kleiner kölscher Junge, der als gläubiger Christ rheinisch-katholischer Prägung aufwuchs. Eines Nachts kamen ihm die großen ereignisse seines noch jungen Lebens in den Sinn, und im Traum sah er dabei stets zwei Fußspuren im Sand: seine und die des heiligen Willy. Ausgerechnet an jenen Stellen jedoch, wo das Leben schwer gewesen und es ihm schlecht ergangen war, sah er nur jeweils eine Fußspur. Der kleine Junge erschrak und fragte den Willy:
„Sag, heiliger Mann, ich bin Messdiener, ehre Vater und Mutter und lege sogar regelmäßig die Beichte ab. Warum hast du mich denn ausgerechnet in den schwersten Stunden meines Lebens alleingelassen?“
Aber der dicke Willy legte dem Jungen die Hand auf den Kopf und erklärte: „Mein liebes Kind, ich liebe dich und werde dich nie allein lassen, erst recht nicht in harter Zeit. Dort, wo du nur eine Spur gesehen hast, habe ich dich getragen.”

Die Welt zu Füßen


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Mittwoch, 1. April 2015

Interviews (33)

Ilka Simon, Frisbee-Weltmeisterin

"Tricks mit ner Scheibe"

Ilka Simon wurde 1984 i8n Unna geboren. Nach dem Abitur verbrachte sie ein halbes Jahr in Togo und Ghana, bevor sie nach Köln zog. Hier absolvierte sie ein magisterstudium mit den Fäüchern Afrikanistik, Pädagogik und Soziologie. Ein praktikum führte sie 2012 zum AntiDiskriminierungsBüro Mülheim (OegG), wo sie inzwischen eine feste Stelle hat.
Ilka Simon wohnt in Ehrenfeld.

Haben Sie als Kind gern getanzt?

Überhaupt nicht. Dass ich mal Frisbee spielen würde, war nicht abzusehen. Ich hatte es mehr mit Fußball.

In zwei Sätzen: Was ist Freestyle-Frisbee?

Da reicht ein Satz: Tricks mit ner Scheibe.

Was können Sie mit dieser Scheibe besser als andere?

Ich bin länger dabei als die meisten anderen Spieler, und mir ist das Ergebnis nicht ganz so wichtig. Frisbee ist nicht mein Job, mir geht es mehr um den Spaß, und ich denke, das sieht man mir auch an.

Die künstlerische Note ist Ihnen wichtiger als die Platzierung?

Mir geht es mehr darum, mich selbst weiterzuentwickeln und immer wieder den eigenen Schweinehund zu überwinden. Man braucht eine hohe Frustrationstoleranz und muss viel üben. Wenn in der Kür etwas Neuerlerntes klappt und die Scheibe nicht zu oft runterfällt, bin ich glücklich. Frisbee hat tatsächlich auch etwas Spirituelles. Ich habe das nicht gesucht in diesem Sport, aber gefunden.

Im Eiskunstlauf gab es früher neben der Kür die Pflicht, die jedoch inzwischen weggefallen ist.

Pflichtelemente gibt es im Freestyle-Frisbee nicht. Jeder kann zeigen, was er oder sie möchte. Aber es gibt auch noch andere Frisbeedisziplinen als Freestyle.

Unter anderem mit Mannschaften, die Punkte sammeln.

Das nennt sich dann Ultimate Frisbee. Da dringt man, wie beim American Football, in die gegenerischen Endzonen ein. Beim Freestyle spielt man meistens zu zwei, und es läuft Musik während der Kür.

Bevorzugen Sie eher Rock oder Klassik?

Ich mag Funk und Hip Hop am liebsten. Aber ich habe auch schon zu rockiger Musik gespielt.

Sie sind im letzten Jahr Freestyle-Weltmeisterin geworden. Kam das überraschend?

Oh ja, normalerweise gewinnen immer die Amerikaner. Danach war ich lange feiern und bin rumgereist. Bei der Rückkehr, nach 17 Stunden im Flieger, standen tatsächlich Kamerateams am Flughafen.

Die WM fand in Kolumbien statt. Wer hat Ihnen den Ausflug gesponsort?

(lacht) Niemand. Und da gibt´s auch keine großen Preise.

Sondern?

Ich habe einen schönen Pokal und umgerechnet 40 Euro bekommen.

Die Sie ordentlich auf den Kopf gehauen haben?

Ja, wir sind nocht ein paar Tage in die Karibik gefahren. Diese Frisbee-Turniere sind für mich gleichzeitig die schönsten Urlaube, die ich mir vorstellen kann. Ich treffe tolle Leute aus aller Welt, und wir teilen dasselbe Hobby. Was will man mehr!

Wenn ich diese Scheibe werfe, flattert die immer nach rechts und kullert peinlich über den Boden. Was mache ich falsch?

Man braucht schon ein bewegliches Handgelenk fürs Werfen. Aber die Technik hat man relativ schnell raus. Ich denke, bei Ihnen liegt es eher am schlechten Material, so eine Supermarktscheibe bringt´s einfach nicht.

Können Sie den Flug eines Frisbees physikalisch erklären?

(lacht) Nein, das habe ich noch nie nachgelesen. Aber ich vergleiche die Scheibe gern mit einem Flugzeug, das ja auch vom Wind getragen wird.

Kann man Köln als ein deutsches Zentrum für den Frisbee-Sport bezeichnen?

Hier ist vor allem Ultimate Frisbee sehr stark. Neben ein paar anderen deutschen Städten sieht es hier aber auch mit dem Freestyle ganz gut aus.

Haben Sie ein eigenes Trainingsgelände?

Leider nicht, wir wechseln den Spot immer mal. Lange Zeit war die Uniwiese unser Trainingsplatz, aber jetzt werden wir wohl zur Poller Wiese wechseln.

Die liegt schon rechtsrheinisch, wo Sie auch arbeiten. Um wessen Belange kümmert sich das Mülheimer „AntiDiskriminierungsBüro“ des Vereins Öffentlichkeit gegen Gewalt (ÖgG)?

Wir unterstützen Menschen, die rassistisch diskriminiert wurden, wegen ihrer Rasse oder Religion etwa.

Welche Geschichte hat Sie in letzter Zeit besonders aufgewühlt?

Ein 13-jähriges Mädchen wurde verdächtigt, ein Portemonnaie gestohlen zu haben. Die Polizei nahm sie ohne Elternbegleitung mit auf die Wache. Mehrmals fiel das Wort „Zigeuner“, und das Mädchen wurde vaginal und rektal durchsucht – was für ein Portemonnaie sicher nicht nötig war. Leider haben wir es bei uns häufiger mit Polizeigewalt zu tun.

Empfinden Sie Ihre Arbeit als belastend?

Wir sind die, die immer die unangenehmen Fragen stellen müssen. Und wir erleben nicht gerade die Sonnenseiten des Daseins. Das belastet einen durchaus auch nach der Arbeit. Um so schöner ist es deshalb, ein Hobby wie Frisbee spielen zu haben.

Wie verbinden Sie den Job mit Ihrem doch recht trainingsintensiven Sport?

Das ist schwierig. Aber ich versuche, mich immer zu fordern. Laut Weltrangliste nimmt niemand an so vielen Turnieren teil wie ich. Das ist auch eine Art des Trainings.

So ein ästhetischer Vortrag mit Scheibe wäre doch auch als Kleinkunst in der Fußgängerzone zu gebrauchen.

Ein Freund von mir hat das gemacht und nicht schlecht verdient. Wir haben uns auch schon für einzelne Performances buchen lassen, von einem Outdoor-Ausrüster zum Beispiel. Und bei unserem jährlichen ÖgG-Wettbewerb „Dissen – mit mir nicht“ gibt es auch immer eine Frisbee-Show.

Frisbee wurde erfunden, nachdem ein Bäcker Kuchen in dieser Schalenform ausgeliefert hatte. Haben Sie schon einmal Scheibenkuchen gebacken?

(lacht) Nein. Das wäre schon deshalb schlecht, weil wir unser Material bearbeiten. Silikonspray täte dem Kuchen bestimmt nicht gut.