Mittwoch, 27. Mai 2015

Geschichten aus 1111 Nächten (60)

Die Predigt

Eines Tages hielt der heilige Willy eine unendlich lange Predigt. Tünnes und Schäl, schwer übernächtigt vom gestrigen Skatabend, hielt es kaum aufrecht in ihrer Kirchenbank. Jeder Kniefall wurde zum Balanceakt, und die finale Hostie klebte wie angetackert an ihren Gaumen. Nachher beim Frühschoppen war der heilige Willy über die Maßen stolz auf seine Rede und rühmte sich seiner rhetorischen Fähigkeiten. Um sich ein bisschen zu rächen, hob der gewiefte Schäl an:
„Heiliger Willy, das mag ja ein prächtiger Vortrag gewesen sein. Aber ob du´s glaubst oder nicht, ich habe zu Hause ein Buch, in dem deine Predigt Wort für Wort enthalten ist.“
Der heilige Willy schnaufte und bestellte sich, aufs Äußerste empört, einen Kabänes. „Ich habe es nun wirklich nicht nötig, meine Predigten abzuschreiben“, polterte er.
Am nächsten Tag lag ein Buch des Tünnes in seinem Briefkasten, mit der Widmung: „Damit du siehst, dass ich nicht gelogen habe.“
Es war der Duden.

Inkognito erwischt: Tina Turner

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Dienstag, 19. Mai 2015

Interviews (34)

Oksana Chusovitina, Turn-Olympiasiegerin

"Nur Dummköpfe haben keine Angst"


Oksana Chusovitina wurde 1975 in Usbekistan geboren. Die Turnerin gewann 1992 Gold bei den Olympischen Spielen in Barcelona und ist dreifache Welt- und zweifache Europameisterin. Zahlreiche Rekorde beruhen darauf, dass niemand es ihr in ihrem Alter je gleichtat. Unter anderem hat sie an sechs Olympischen Spielen teilgenommen und will auch 2016 in Rio an den Start gehen.
Nachdem ihr Sohn 2002 an Leukämie erkrankte, kam sie zur Behandlung nach Köln. Seit 2006 besitzt sie auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Nach einigen Jahren für das Turnteam Toyota Köln ist sie nun für den TV Herkenrath aktiv.
Oksana Chusovitina wohnt zur Zeit im Internat des Bundesturnzentrums in Bergisch Gladbach. Noch in diesem Jahr werden auch ihr Mann, der Ringer Bakhodir Kurbanow, und Sohn Alisher von Usbekistan nachkommen.
Größe hat nichts mit Zentimetern zu tun, das beweist Oksana Chusovitina mit ihren 1,53 Metern bei jedem Wettkampf. Dieses Jahr wird sie 40, gehört jedoch noch immer zu den besten Turnerinnen der Welt.

Sie sind in Usbekistans Hauptstadt Taschkent aufgewachsen. Wie würden Sie Ihre Kindheit beschreiben?

Meine Mutter war Köchin, mein Vater Bauarbeiter. Wir waren eine recht große Familie mit vier Kindern. Statt in der Wohnung habe ich viel auf der Straße gespielt, wie alle Kinder bei uns.

Dass Sie einst Turnerin werden, war also vermutlich nicht abzusehen?

Nein, in meiner Familie gab es keinen einzigen Sportler. Aber in Taschkent hatten wir vier große Hallen, und Turnen war in Usbekistan immer recht populär.

Was war für Sie als kleine Turnerin damals, in der Sowjetunion, anders?

Wir waren 30 Mädels, alle sehr stark, aber in die Nationalmannschaft konnten nur sechs von ihnen. Man musste jeden Tag zeigen, dass man besser ist als die anderen. Wir haben dreimal am Tag trainiert und sind zwischendurch in die Schule gegangen. Es war eine schwere Zeit, aber ich profitiere bis heute davon.

Sie waren zwischenzeitlich sogar usbekische Nationaltrainerin.

Ja, vier Jahre lang. Und seitdem verstehe ich die Trainer besser. (lacht) Man muss auf jedes Mädchen anders, individuell eingehen. Und man muss immer einen gewissen Druck ausüben. Ich glaube, das war auch der Grund, warum ich wieder aufgehört habe. Ich turne lieber, als Trainer zu sein.

Als Trainer muss man zuweilen streng sein. Sind Sie auch streng gegen sich selbst?

Nein. Ich liebe das Turnen und gehe jeden Tag aufs Neue gern in die Halle. Aber auch trainieren muss man mit Lust. Wenn ich merke, dass ich heute nicht wirklich will, dann gehe ich wieder nach Hause.

Sie sind Olympiasigerin und zigfache Welt- und Europameisterin. Haben Sie ein Erfolgsrezept?

Nein, noch ist mir keines eingefallen.

Ihre Mutter, die Köchin, arbeitet doch auch nach Rezept.

(lacht) Ich kann nur immer wieder sagen: Das Turnen muss dir Spaß machen, das muss von Herzen kommen. Sonst bringt das nichts.

Ihre Spezialdisziplin ist das Springen.

Für die Mannschaft muss ich auch am Stufenbarren, auf dem Schwebebalken und am Boden trainieren. Aber da lasse ich es heutzutage eher locker angehen.

Wenn die Mädels auf dem Balken Überschläge machen, muss ich immer wegsehen, weil ich Angst um sie habe.

Tja, aber manche lieben diesen Balken, da ist jeder Turner anders. Ich bin sehr schnell und habe kräftige Arme und Beine, deshalb ist für mich das Springen ideal. Am wenigsten mag ich den Stufenbarren, aber warum, könnte ich Ihnen auch nicht sagen.

Angst haben Sie nicht?

Nur Dummköpfe haben keine Angst.

Wie landet man als Usbekin in Köln?

2002 wurde bei meinem damals dreijährigen Sohn Alisher Leukämie festgestellt. Über das Turnteam Toyota Köln bekam ich Kontakt zur Uniklinik, und dort war man bereit, uns zu helfen. Mein Sohn wurde geheilt, und ich blieb danach in Köln wohnen.

1996 nach den Olympischen Spielen in Atlanta waren Sie schon einmal in der Bundesliga gestartet.

Das stimmt, aber damals reiste ich nur für die Wettkämpfe an, und dann ging es weiter auf ein Turnier irgendwo anders in Europa. Ab 2002 habe ich dann richtig in Weiden und später in Junkersdorf und Pulheim gewohnt.

Köln sei auch eine Art Heimat geworden, haben Sie mal gesagt.

Der Anfang in Deutschland war sehr schwer, nicht nur wegen der fremden Sprache. Ich musste auch lernen, dass man hier viele Formulare sehr gründlich ausfüllen muss. Zuerst habe ich einfach alles weggeworfen, was ich nicht verstand. (lacht)

Kann Ihr Sohn besser Russisch, Deutsch oder Kölsch.

Alisher spricht Deutsch, Englisch und Russisch. Kölsch kann er nicht, aber ab dem nächsten Schuljahr werden mein Mann und er wieder hier mit mir wohnen. Ganz toll fand er immer den Karneval.

Sie auch?

Die kleinen Umzüge schon. Aber auf dem Rosenmontagszug sind mir zu viele Menschen, da fühle ich mich nicht wohl.

Aber Bonbons lutschen ist okay für einen Spitzensportler?

Na klar, und Schokolade auch. Zucker ist Kraft! Aber man darf es natürlich nicht übertreiben.

Sie haben die deutsche Staatsbürgerschaft und sind zwischen 2006 und ´13 für Deutschland gestartet. Warum treten inzwischen wieder für Usbekistan an?

Ich bin jetzt 39, die meisten anderen Spitzenturnerinnen könnten meine Kinder sein. Nach den Olympischen Spielen 2016 will ich deshalb meine Karriere beenden, und das möchte ich im Trikot meines Heimatlandes tun. Meine deutschen Freunde und Trainer haben das auch alle verstanden.

Und Sie sind sich sicher, dass 2016 in Rio Schluss ist? Sie standen, unter anderem nach einem Achillessehnenriss, schon häufiger vor dem Ende.

Trotzdem ist es so geplant. Aber erstmal muss ich dieses Jahr die Qualifikation für Rio schaffen.

Die letzte WM haben Sie als 5. des Springens beendet. Aber bei Olympia, dann mit 40, holen Sie doch noch einmal eine Medaille, oder?

Ja, natürlich. (lacht)

Verewigt haben Sie sich schon mehrmals. In Usbekistan ziert Ihr Konterfei sogar eine Briefmarke.

Das stimmt, und ich werde in Usbekistan auch oft auf der Straße angesprochen. Eigentlich freut mich so etwas, aber ich schäme mich dann auch immer ein wenig. Zuviel Rummel ist nichts für mich.


Mittwoch, 13. Mai 2015

Geschichten aus 1111 Nächten (59)

„Hängt ihn auf, er ist Kölner.“

Eine orientierungslos durchzechte Nacht führte den triefäugigen Anton einst nach Düsseldorf. Seine voluminöse Nase tropfte, ihm war übel und bitterkalt. Weil er nach 4711 roch, ein Ostermann-Lied vor sich hin pfiff und ganz in Gedanken einen Dom in die beschlagene Scheibe eines geparkten Porsche zeichnete, erkannte man ihn sogleich als Kölner.
„Hängt ihn“, schrie einer aus der Menge, „der Kerl ist Kölner.“
„Hängt ihn auf“, stimmte der nächste ein.
Und bald schon schrie die ganze Königsallee: „Hängt ihn auf, der Kerl ist Kölner.“
Nun gilt der kölsche Tünnes nicht gerade als der Hellsten einer, aber in diesem Moment ging es ums nackte Überleben. Also erklomm er das Vordach des Louis-Vuitton-Shops und rief der wutschäumenden Menge zu:
„Ihr wollt mich umbringen, weil ich Kölner bin. Bin ich denn, weiß Gott, nicht gestraft genug, kein Düsseldorfer zu sein?!“
Daraufhin brachen die Düsseldorfer in Beifallsstürme aus, halfen dem Anton vom Dach herunter und geleiteten ihn sicher bis zur südlichen Dorfgrenze.



Volkszorn

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Mittwoch, 6. Mai 2015

Fundstücke (26)

Sushi Club & Zwirbelschnäuzer

Kneipe, Südstadt, früher Abend, eine Frau begrüßt einen Mann

Mann: Woher kennen wir uns?
Frau: Ich geb´s zu, ich war mal mit dem O. zusammen.
Mann: Wer war nicht mit dem O. zusammen.
Frau: Na ja, du doch hoffentlich.
Mann: Hm, der hatte mich fast rum.


Bus in der Südstadt, zwei kölsche Männer

Mann mit Zwirbelschnäuzer: Op d´r Bonner Strooß jit et jetz ene Sushi Club.
Mann mit Fruit-of-the-Loom-T-Shirt: Ene wat?
Mann mit Zwirbelschnäuzer: Ene Sushi Club, nur met Feschhäppche.
Mann mit Fruit-of-the-Loom-T-Shirt: Ach so! Jo!
Mann mit Zwirbelschnäuzer: Jo.
Mann mit Fruit-of-the-Loom-T-Shirt: Un die han kein Schnitzel un nix?


Zwei ältere Frauen auf einer Parkbank, oder: frei erfunden

1. Frau: Mein Mann ist Veterinär.
2. Frau: Der war im Krieg?
1. Frau: Nein, der isst kein Fleisch.

Mittelalter Mann auf Felsen

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Freitag, 1. Mai 2015

Deutsche Sprichwörter (6)

Der Bonner Philologe Karl Simrock (1802-76) edierte unter anderem eine umfangreiche Sammlung deutscher Sprichwörter. Hier eine Wochenauswahl zum Thema „Gutes tun“:

# Man kann des Guten nicht zuviel tun, sagte die fromme Frau und ertränkte sich im Weihkessel.

# Das Gute lobt mancher und tut´s nicht; das Böse tut mancher und sagt´s nicht.

# Wer drei Feinde hat, muss sich mit zweien vertragen.

# Abends wird der Faule fleißig.

# Tage lobe abends, Frauen morgens.

# Wer einen großen Sprung tun will, geht zuerst rückwärts.

Rückwärts von der Bahnhofskneipe in den Zug hingegen ...


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