Mittwoch, 30. Dezember 2015

Deutsche Sprichwörter (10)

Der Bonner Philologe Karl Simrock (1802-76) edierte unter anderem eine umfangreiche Sammlung deutscher Sprichwörter. Hier eine Wochenauswahl zum Thema: Archetypen

# Narren wachsen unbegossen.

# Lumpen gehen dreizehn aufs Dutzend.

# Schuldigen wackelt das Mäntlein.

# Stolze meinen, ihr Ei habe allzeit zwei Dotter.

# Mädchen beten gern vorm Spiegel.


Närrischer Kartoffelchip

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Mittwoch, 23. Dezember 2015

Thekentänzer (95)

Ein vorweihnachtliches Thekengespräch

„Mach meinen Deckel auf Harry.“
Erst läuft er zehn Mal auf und ab, wie Rilkes Panther. Danach setzt sich auf einen der Barhocker und verwandelt körperliche in sprachliche Energie:
„Einer erzählt mir, er hatte draußen schon einen Glühwein und wolle jetzt lieber einen Kräutertee. Der andere sagt, er rauche heut nicht. Sei zu kalt, um sich draußen hinzustellen. Da frag ich mich: Wie schaffen die das, so furchtbar diszipliniert zu sein?“
Im stummen Fernseher läuft eine amerikanische Komödie. „Mind your own business“, singt Hank Williams. Elke, die Frau im Thekenknick, hat Harrys Herumtigern mürrisch verfolgt. Nun aber beschließt sie, ihn zu mögen.
Aber ob er wohl auch sie mag?
„Ich interessiere mich für Ameisenbären“, beginnt sie das Gespräch.
„Mhm“, macht Harry und zieht sein Handy aus der Hose. Draußen torkelt ein Weihnachtsmann vorbei. Hinterm Bombay Sapphire stirbt eine Fliege. Aber die Frau gibt nicht auf:
„Ich bin eine Zwölfe, weißt du, was das ist?“
„M-m“, macht Harry, blickt aber dabei zum ersten mal zu ihr rüber.
„Das ist eine Elfe mit dicken Oberarmen“, sagt Elke.
„Aha“, antwortet Harry. Und grinst in sein Display.

War auch eine Zwölfe: Trude Herr

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Mittwoch, 16. Dezember 2015

Exerzitien in der Eifel

Ein Bericht


Erster Tag

Donnerstag, 16 Uhr 30

Mein Magen hat auf den letzten Bahnkilometern zu rumoren begonnen. Nun vor der Klosterpforte fühle ich mich, als stünde mir eine schwere Prüfung bevor. Kurz blitzen sogar lang vergessene Fluchtgedanken auf: Der Leiter ist jäh erkrankt, das Kloster ist einsturzgefährdet, es hat eine Bombendrohung gegeben, Gott ist tot.
Weil so etwas nie klappt, habe ich ich mir eine Taktik auferlegt: Ich will hier so unauffällig wie möglich bleiben. Aber schon mit dem Aufnahmegespräch ist sie dahin: „Ah, der Fragezeichenkölner“, sagt die Verwalterin.
Sie erzählt mir, ich sei der einzige unter zwölf Teilnehmern, der seine Kursgebühr privat überwiesen hat. Die übrigen fahren auf einer kirchlich-institutionellen Karte. Als Erzieherin im Jugendheim, Altenpfleger im kirchlichen Krankenhaus oder Teilzeitkraft in der Pfarrbücherei werden sie hier einen bezahlten Urlaub verbringen.
„Alle anderen sind schon da“, sagt die Verwalterin.


Donnerstag, 18 Uhr

Wie nennt man eigentlich einen Exerzitien-Teilnehmer? Exerzitier? Exerzitient? Exerzitionist?
Meine erste Teufelsaustreibung erlebe ich zum Auftakt des gemeinsamen Abendbrots. Pünktlich habe ich mich eingefunden in diesem archaischen Speiseraum mit seinen endlos hohen Decken. Gemeinsam mit den anderen schlendere ich zu den Tischen und nehme umstandslos Platz. Jetzt wird ein bisschen höflich palavert, sage ich mir, und dann geht´s schnurstracks ans Bufett. Zwar tue ich gelassen, aber die Wahrheit ist: Ich habe seit zehn Stunden nichts gegessen. Mein Magen hängt eher in den Socken als den Kniekehlen.
Aber irgendetwas läuft hier falsch. Ich sitze komfortabel, imaginiere eine doppelte Leberwurstwacke in meiner rechten Faust und bin gleichzeitig irritiert. Ein Blick ins Rund klärt mich auf: Ich bin der einzige an diesem Tisch. Alle anderen stehen hinter ihren Stühlen, die Hände streng vor der Brust oder zumindest lose vor dem Schoß gefaltet.
Heilige Einfalt!
Bleibt mir also nur, meinen Schemel wieder zurückschieben. Das nachhallende Kratzgeräusch, das die Holzbeine auf den Fliesen erzeugen, ist peinigend. Einige meiner Mitexerzienten blicken betreten weg, andere mich strafend an. Nur Else, die Frau aus dem Zug, lächelt amüsiert.
Schließlich stehe auch ich gottesfürchtig hinter meinem Stuhl. Der Kursleiter schickt mir ein aufmunterndes Kopfnicken: Hast du prima gemacht, Fragezeichenkölner! Mit einem kurzen Augenkontakt verständigen sich die Profis darüber, welches Gebet zu sprechen, welches Lied zu singen ist. Weil alle mit einstimmen, bewege auch ich die Lippen so synchron wie möglich.


Donnerstag, 18 Uhr 15

Else, die Frau aus dem Zug, hat sich neben mich gesetzt. Mir gegenüber thront der L., wie ich ihn nennen werde: unser Kursleiter. L. ist ein freundlicher, verheirateter Hilfspfarrer mit einem weichen, durchaus auch ein wenig schwammigen Profil. Er spricht so sanft, als bade er seine Stimmbänder allabendlich in Weihrauch. In den folgenden drei Tagen wird er kein Wort ohne ein begleitendes Lächeln von sich geben. Und heute, zur Einführung, erklärt er uns lächelnd: „Wir wollen es in diesem Kurs ein wenig lockerer nehmen. Sie dürfen reden beim Essen.“
Else scheint diesen Hinweis sehr zu begrüßen. Über ihren Teller mit Quark und gescheibten Gewürzgürkchen gebeugt erzählt sie mir, sie sei ausgesprochen exerzitienerfahren. Sie war schon in vielen verschiedenen Klöstern, sagt sie, und „jetzt endlich einmal wieder hier in St. Thomas.“ Auch habe sie in ihrem Leben bereits alle Arten von Kursen ausprobiert. Und sie wisse inzwischen, dass es ihr doch sehr auf den mündlichen Austausch ankomme. „Letztes Jahr, die Schweigeexerzitien in Bayern, das war nichts für mich.“
Am Kopfende des Tisches schließlich hat Bruno Platz genommen, ein Koloss von einem Mann. In den Kragen seines orangen Nickipullovers hat er sich eine Papierserviette gestopft, die nun wie eine winzige Fliege über seinem Brustbein wippt. Er mag dick sein, ist aber ganz bestimmt nicht doof: Weil er sich mit dem Rücken zum Bufett palziert hat, muss er für Nachschub nicht aufstehen. Zwischen zwei maßlosen Haufen Kartoffelsalat greift er Elses Faden auf.
„Am liebsten habe ich früher die reinen Fastenexerzitien gebucht: Zehn Tage lang nur Milch und Brötchen.“
„Wirklich nichts anderes?“ frage ich mit einer Mischung aus Respekt und Ungläubigkeit.
„Nur Milch und Brötchen“, schnauft Bruno empört, während er sich eine Schaufel Kartoffelsalat in die Backen schiebt, die andernorts ganze Dörfer ernährte.
„Großartig ist das“, legt er nach. „Man muss das Brötchen in die Milch stippen und schön lang auf dem Brei herumkauen. Dann wird man vollkommen satt.“


Donnerstag, 18 Uhr 55

„Mit beten und allem?“ hatte meine Frau gefragt, als ich ihr von meinem Plan erzählte.
„Naja, was heißt beten?“ hatte ich geantwortet und mich dabei innerlich gewunden. „Ich nenne das lieber meditieren.“
„Ach so, ja dann.“
Aber jetzt sitze ich in diesem Speisesaal und frage mich verzagt, ob wohl auch nach dem Essen wieder gesungen wird. Ein Abendbrotdankgebet, das erschiene mir logisch. Hinterm Bufett, direkt neben dem Eingang, steht der im Willkommensbogen erwähnte Kühlschrank mit kalten Getränken. Auch auf die Entfernung erkenne ich die wichtigen Flaschen aus Braunglas. Zumindest werde ich meine exerzitialistische Verzweiflung nachher herunterspülen können, ganz allein in meiner selbstverständlich radio- und fernsehfreien Kammer.
Aber wann ist nachher? Gewöhnliche Arbeitnehmer haben seit zwei Stunden frei, der L. jedoch lässt nicht locker: „Um halb 8 treffen wir uns zunächst im Ignatiusraum.“
Zunächst?


Donnerstag, 19 Uhr 30

Im Ignatiusraum sitzen wir im Kreis um ein Arrangement aus kleinen Ästen, getrockneten Blumen, Kerzen und bunten, hindrapierten Tüchern. Hier grüßt der Papst den Hippie, Paradies und Weihrauch küssen Nirwana und Patschuli. Der L. erklärt, dass wir jeden Tag einen Film mit religiöser Thematik sehen werden. Als roter Faden wird er sich durch unsere Gespräche und Diskussionen ziehen, ergänzt durch „Impulse“ des L.. In der Vorstellungsrunde sagt Bruno: „Am liebsten sind mir Fastenexerzitien.“


Donnerstag, 21 Uhr 30

„Oh, die haben ja geheizt“, sagt der L.. „Dann war vorhin wohl eine Beerdigung.“
Wir sind in den Chor der alten Klosterkirche gewechselt. Das Abendlob steht an, und Else hat mir glaubhaft versichert, dass danach endgültig Sabbat sei.
Bruno trägt nun eine grüne Trainingsjacke über dem orangen Nicki und wirkt beinahe hip. Unser erstes Lied handelt vom Zeitmangel auf Erden, von der Oberflächlichkeit und der Möglichkeit, bei allem Wesen und Wirken auf Gott zu Vertrauen. „Meine Zeit steht in deinen Händen“, hebt es an. Das Lied gefällt mir, und auch sein Titel: „Ausruhen!“
Die Akustik dieser um 1200 gebauten Kirche ist betörend. Leider jedoch entpuppt sich der Saarbrücker Sehbehindertenseelsorger, der mir schon wegen seiner am Rucksack baumelnden Bongotrommeln aufgefallen war, als furchtbarer Streber. Er kennt nicht nur den Text, sondern beherrscht zudem die zweite Stimme jedes Liedes. Und das beweist er uns eindringlich.
Sechs Strophen sollen wir singen, sagt der L.: zwei leise, zwei laut, dann wieder leise – „bis wir zum Ende hin verstummen.“
Also singen wir, verhalten und schallend, um uns zum Ende hin im Verstummen zu üben. Aber niemand verstummt so dramatisch wie der Saarbrücker Sehbehindertenseelsorger.


Zweiter Tag

Freitag, 6 Uhr 30

„Nonnen haben nicht allein ein strenges Gelübde der Keuschheit getan, sondern haben auch noch starke Gitter vor ihren Fenstern“, lautet ein Aphorismus von Georg Christoph Lichtenberg. Die Gitterstäbe sind verschwunden, aber spartanisch wirkt meine Kammer noch immer. Meterdick stehen die Mauern, Grabeskälte verströmend. Schwärzeste Finsternis umhüllt mich, während ich nach dem Lichtschalter taste. Warum tue ich mir das eigentlich an? fragt ein böser kleiner Teufel in meinem Innern.
Auf dem Weg zum Meditationsraum jedoch – welch ein Wandel! Mir ist, als sei ich zeitlebens nirgendwo anders gewesen als in St. Thomas. Das Rituelle aller Abläufe, die spirituelle Geschlossenheit der Gruppe und die sphärisch säuselnde Stimme des L. haben mich zu einem Herdentier gemacht. Zu einem Schäfchen des Herrn. Else könnte meine ältere Schwester sein, so vertraut erscheint sie mir, als sie mich im Treppenhaus grüßt. Der L. wäre demgemäß unser verehrter Vater und Lothar der Junge von den Flodders nebenan. Noch nicht eingeordnet bekomme ich den Saarbrücker mit den Bongos. Aber vielleicht wird man den ja irgendwie wieder los.
Unsere Meditationsstühle seien aus verschiedenen Hölzern geschreinert, sagt der L.. Eiche, Erle, Buche und Ahorn sendeten ihre jeweils eigenen Schwingungen aus, vielleicht gelinge es ja dem ein oder anderen, sie zu erspüren. Was ich sofort bemerke, ist die Polsterlosigkeit der Schemel. Eingeklemmt in den unbarmherzigen 90-Grad-Winkel zwischen Sitz und Lehne fühle ich mich wie im Billigflieger nach Torremolinos. Die Bastmatten, die wir unter die Füße legen sollen, knarzen strafend, sobald man seine Position auch nur minimal verändert.
Unser „Stilles Gebet“ ist auf 35 Minuten angesetzt. Ich stoße mich ein wenig an dieser Marge. Die 35 ist eine arg krumme und keinesfalls fromme Zahl. Aber damit nicht genug der Unbill. Kaum sind alle in sich versunken, beginnt mein Magen ein Stockhausenkonzert. Es fiept und quietscht und bollert da unten, als sei die Apokalypse im Anmarsch. Den meisten meiner Mitexerzisten ergeht es nicht anders, halb 7 ist einfach keine Zeit für Meditationen. Unsere Gebete kommen – im Sinne des Wortes – aus dem Bauch heraus. An solchen Orten der Stille spürt man, wann das nächste Knurren ansteht. Ich atme flach und flacher, aber es nützt nichts – Stockhausen hebt schon wieder drohend den Taktstock.
Der einzige, dem der stumme Tumult nichts auszumachen scheint, ist der dicke Bruno. Wahrscheinlich hat er auf seinem Zimmer schon heimlich ein paar Milchbrötchen eingeschoben. Wie ein seliger Buddha thront er da, und während sich alle anderen erfolglos um Einkehr bemühen, schneuzt Bruno sich ungeniert in sein lakengroßes Stofftaschentuch.


Freitag, 6 Uhr 45

Gedenkminuten in Fußballstadien dauern offiziell zwar 60 Sekunden, werden aber de facto spätestens nach einem Drittel beendet. Und selbst diese kurze Spanne erscheint dem Betrachter oft peinigend lang. 35 Minuten hingegen, das sind 2.100 Sekunden, eine Ewigkeit. In der letzten Viertelstunde habe ich alles rekapituliert, was ich über Meditation zu wissen glaube. Dass man die kalte, gute Luft ein und die warme, schlechte ausatmet. Dass man tiefer atmet, das Zwerchfell mit einspannt und in Gedanken sinnige Sprüche wiederholt: „Ich bin von innerem Frieden erfüllt. Ich bin eine freie Seele.“
Und tatsächlich, irgendwann kommt der Durchbruch. Ich dämmere weg, in einen süßen, friedvollen Halbschlaf hinein. Warme Wellen wabern um mich her, und unter meinen geschlossenen Lidern scheint die ewige Sonne. Selbst das siebenmalige Schlagen der Turmuhr weckt mich nicht aus meinem meditativen Schlummer. Die mächtigen Schwingungen der Glocke wandern durch meinen federleichten Körper, der ganze, fast tausendjährige Steinbau setzt sich in Bewegung und vibriert, tanzt geschmeidig nach der Glocke Takt.
Als der L. seine Klangschale schlägt, ist die Zeit wie im Flug vergangen. Nach zwei Liedchen und einem finalen Psalm (abwechselnd gesprochen von der Ost- und der Westgruppe) fliegen wir zum Frühstück.


Freitag, 9 Uhr

„Es gibt keinen Zufall, aber alles fällt uns zu“, hat der L. zu Tisch gesagt. Da war ihm eine Salamischeibe von der Gabel direkt auf sein bereits geschmiertes Brot geplumpst. Der erste Film, erzählt er uns nun im Ignatiussaal, habe viele Preise gewonnen. Er heißt „Jesus von Montreal“. Die steinzeitliche Videocassette, die L. aus seiner Ledertasche zieht, passt prima zu den Outfits der Schauspieler: Sie tragen Buntfaltenhosen, boygeorgehaft hochtoupierte Frisuren und schulterbepolsterte Sakkos à la Don Johnson.
„Suchen Sie Gott?“ wird der in ein Buch träumende Hauptdarsteller einmal gefragt.
„Ja“, sagt der, kaum aufblickend.
„Hier haben Sie schonmal ein Brötchen“, schreibe ich das Drehbuch um.
Seine tödliche Verletzung, die ihn zum Märtyrer macht, erleidet der Held während einer Theateraufführung. Vom empörten Bischof angeforderte Polizisten stürmen die Freilichtbühne, der ans Kreuz gebundene Jesusdarsteller stürzt und landet mit dem Kopf genau unter einem der massiven Eichenbalken.
Nach dem Abspann verharren wir im Ignatiussaal minutenlang sprachlos. Jeder aus seinen eigenen Motiven, vermute ich. Als endlich ein gewisser Austausch in Gang kommt, geht es vor allem um die Passionselemente. Der Saarbrücker Sehbehindertenseelsorger bemängelt, dass die Kreuze rechts und links des Helden leer geblieben sind. Stimmt, denke ich, und bei den Monty Pythons haben am Ende sogar alle mitgesungen. Als er insistiert, sämtliche Parallelen zu Jesu Passion seien fehlerhaft und die Inszenierung der Wiederauferstehung als umfassende Organspende geschmacklos, verabschiede ich mich aufs Klo. Ich nehme einen Schluck aus dem eingeschmuggelten Schnapsfläschchen und denke: Oh, dieser Whiskey brennt nach der langen Entbehrung wie Feuer. Aber als ich zum Fenster hochblicke, flackert dort das zur Fratze verzerrte Gesicht des Sehbehindertenseelsorgers.
Entbehrung? Feuer? Da war doch was.


Freitag, 16 Uhr 30

Die Streichhölzer für die Kerzen im Ignatiussaal liegen jetzt unter dem lilafarbenen Bodentuch – eine Initiative des elenden Saarbrückers. Nun kann jeder, der mag, schonmal ein Lichtlein entzünden, bevor die anderen eintrudeln. Wieder lag zwischen zwei Impulstreffen nur eine halbe Stunde. Der L. hat uns angehalten, sie zur Lektüre des Markus-Evangeliums zu nutzen, das im Film wohl eine wichtige Rolle spielte. Ich bin am Ende meiner Kräfte, vor allem der geistig-kommunikativen.
Um den Streifen noch einmal „ein Stückweit tiefer auszuloten“, sollen Kleingruppen à zwei bis drei Personen gebildet werden. Wir sitzen wieder im Kreis, die Duos und Trios entstehen durch Blickkontakt. Die Nüstern der Verbandelten beben ein bisschen, so stolz sind sie auf die neue Seelenverwandtschaft. Mich hat niemand verschwörerisch angesehn, also wende ich mich an meine Nachbarin.
„Tja, dann sind wir wohl die Übriggebliebenen.“
Aber Edith, wie sie sich vorgestellt hat, hebt abwehrend den Arm: „Ich klinke mich da aus.“
Genau genommen ist hier natürlich jeder TOP freiwillig, und die Exerzitienroutiniers ziehen diese Option sehr demonstrativ. Eine Impulssitzung zu schwänzen oder den Meditativen Leibübungen am Nachmittag fernzubleiben zeugt von der Freiheit, die sie sich im engen Korsett unseres Kurses bewahrt haben. Für mich als Novize kommt das jedoch vorerst nicht in Frage.
Es ist erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit ich mich dem Kreuz unterworfen habe. Beim Plenum vorhin („Treffen wir uns wieder im Ignatiussaal?“ fragte ich den L., obwohl genau das auf der TO steht.) war ihm unser Kreis nicht rund genug. Und kaum hatte er´s ausgesprochen, gab ich ihm recht. Unser Stuhlgebilde wies Lücken auf. Das beschrieb eher ein zerbeultes Oval als einen echten Zirkel. Und die Kerze, Leuchtfeuer unserer gemeinsamen Klosterzeit, wankte hoffnungslos exzentrisch in ihrem Meer aus bunten Tüchern. Also griff ich mir meinen Hocker und positionierte ihn neu. Weil der L. mir kein dankendes Lächeln schenkte, war ich regelrecht niedergeschlagen.
Obwohl ich sie durchschaue, hat mich auch Ediths Ablehnung tief getroffen. Ich bin der Fragezeichenkölner, keiner mag mich. Aber als ich sie endlich öffne, meine tränenverschleierten Augen, sitzt da noch jemand wie nicht abgeholt: Oliver.
Vom Umfang her ähnelt er Bruno, dem er jedoch höchstens bis zum Nabel reicht. Auch sonst verbindet die beiden nicht viel. Es gibt die gemütlichen und die patzigen Dicken. Während Bruno dem ersteren Typ entspricht, gehört Oliver zur zweiten Gruppe. Außerdem ist er faul bis hinter die Ohrläppchen.
„Die ersten Tage hier bin ich immer sehr müde“, hat er während der Begrüßungsrunde erzählt. Eine erstaunliche Feststellung angesichts der Tatsache, dass wir hier nur 72 Stunden zusammensein werden. Ich frage mich, womit dieser Tropf wohl im richtigen Leben seine Brötchen verdient. Als Blauhelm im Krisengebiet? Hauer im chinesischen Bergwerk? Sprecher von Wolfgang Schäuble?
Aber nein, Oliver fährt, im Auftrag einer kirchlichen Organisation, Essen für „bewegungseingeschränkte Senioren“ aus.
„Ich sag ungern ´Essen auf Rädern´, wir liefern schließlich an bis zum Bettrand“, erklärt er und meint damit offenbar: Ich klettere Treppen, Leute!
Damit unser Austausch möglichst fruchtbar werde, legt uns der L. einen Spaziergang ans Herz. Draußen im Schnee wehrt sich Oliver vehement gegen meine zart formulierte Andeutung, der Film sei doch vielleicht auch ein bisschen langweilig gewesen. Im Nebenjob prüft er Filme für den wöchentlichen Kinoabend seiner Pfarrei. Jesus von Montreal, deklamiert er, sei ganz großes Kino und die Komposition der Bilder einzigartig. Dabei habe ich ihn während der Vorführung immer wieder einnicken sehen, den Schlawiner.
Kurz vor dem Waldrand hat er genug von mir. Oliver macht kehrt, zurück gen Kloster.
„Ich brauche jetzt ein bisschen Zeit für mich“, sagt er barsch. Und eilt er mit kurzen, schnellen Schrittchen auf sein Zimmer, um eine neue DVD einzuschmeißen: „Testkucken, für die Pfarrei.“
Sollte ich selbst einmal ein solches Exerzitium leiten, Typen wie Oliver hätten Fernsehverbot.


Freitag, 22 Uhr 30

Das Abendlob in der Klosterkirche haben wir heute weitgehend auf Knien verbracht. Nach 13 Stunden im Dienste des Herrn empfand ich das als ein wenig hart. Aber der L. bestand darauf, und selbst Oliver ist ohne Murren von seinem Stuhl gesunken. Wahrscheinlich war er ohnehin bewusstlos.
Zur Belohnung öffnet der L. uns danach die eisenbeschlagene Pforte der Klosterklause. Der geduckte Raum im Keller des Anwesens entpuppt sich als urig eingerichtete Kellerkneipe. Als Bruno mein Fläschchen Bitburger öffnet, fühle ich mich beinahe wie in meinem Kölner Stammlokal. Nur die Themen sind hier andere.
Im Exerzitienhaus von A gibt es jetzt morgens keine Kaffeekannen mehr auf den Tischen, erzählt Else. Stattdessen holt man sich den Kaffee am Bufett aus der Espressomaschine. Dann sei der zwar wunderbar frisch, aber dafür die Schlange auch manchmal zehn Meter lang.
Mit noch heißeren News aus der sakralen Welt tut sich nach ein paar Schlückchen Bier die gemeine Ich-Klinke-Mich-Aus-Edith hervor: Im Kloster X habe der Pfarrer einen neuen Strahler unterm Kreuz angebracht. In drei Farben, das sehe sehr schön aus, sagt sie. Mit den Benediktinern von Y sei jedoch in letzter Zeit „rein gar nichts mehr los.“ Die Prämonstratenser hingegen, in Z und im Allgemeinen: das sei ein ausgesprochen engagierter Orden.
Ob sie kritisiert oder lobt, stets sucht sie die Augen des Saarbrücker Sehbehindertenseelsorgers. Mit jedem Wort aus ihrem geschürzten Mündchen buhlt sie um seine Gunst, unterstützt von dezenten Korrekturen am Sitz ihres fliederfarbenen Halstuchs.
„Der Pfarrer bei uns daheim“, erzählt sie in ihrem breiten Hessisch, „hat letzten Monat die christliche Begegnungsstätte geschlossen.“
Murrende Empörung im Rund.
„Gerade für die 50- bis 70-Jährigen fehlen jetzt jegliche sozialen Angebote.“
Zustimmendes Nicken, der Seelsorger legt den Kopf schief.
„Der alte Pfarrer, jaaa, der war gut. Der wusste, wie man predigt“, sagt Edith laut und deutlich, bevor sich ihre Stimme auf einen verschwörerischen Ton absenkt: „Aber inzwischen, das darf ich eigentlich gar nicht sagen, gehe ich sogar manchmal (taktische Pause) zu den Evangelen!“
Ein Rumoren hebt an. Für einen Moment fürchte ich um Ediths Leben, das gleich auf dem Scheiterhaufen enden wird. Aber offenbar kennt sie ihre Pappenheimer und weiß, wie man in solchen Runden pokert. Als ich mich umsehe, liegt Staunen, Mitleid und schließlich Anerkennung auf den Gesichtern der anderen. Und der Saarbrücker Sehbehindertenseelsorger geht auf Edith zu und nimmt sie bewegt in die Arme.


Freitag, 23 Uhr 30

„Seid mir nicht bös, ich muss in die Heia“, sagt der dicke Bruno. Dabei stehen wir schon alle, und er sitzt allein vor seinem vierten Weizen.


Dritter Tag

Samstag, 11 Uhr 45

Die Impuls-Frage nach dem heutigen Spielfilm lautet: Auferstehung im Film - Auferstehung in der eigenen Biographie. Wie hast du selbst deine Aufbrüche erlebt? Was schwingt bis heute nach?
Der gestrige Schluck Whiskey und die beiden Bierchen in der Klosterklause hatten mich außerordentlich belebt. Die Welt schien mir plötzlich verändert. Als habe ihr etwas gefehlt, ein bestimmtes Vitamin. Ich habe zu nachtschlafender Zeit auf einem elenden Holzhocker meditiert, habe auf einer Gummimatte liegend meinen linken kleinen Zeh fokussiert und abends auf Knien Bittgebete gesprochen. Der Herr ruhte erst am Siebten Tag, ich weiß. Aber wäre es nicht anmaßend, sich mit Gott zu vergleichen?
Ganz allmählich reift in mir der Entschluss, mich auch einmal ganz edithmäßig auszuklinken. Vier Kilometer sind es bis Kyllburg, meiner zweiten Heimat, wo die Bahnhofskneipe auch tagsüber geöffnet hat. Auch dort sitzt man auf Hockern, aber dabei stützt man sich bequem auf einen breiten Tresen. Nicht dass ich meine Zelte im Kloster ganz abbrechen möchte. Aber ich verspreche mir einen reinkarnierenden Impuls von dieser Stippvisite. Wie hieß es doch im Markus-Evangelium über Jesu Heilung eines Taubstummen: „Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel.“
Seine Finger seien die In-Ear-Stöpsel meines Handys, sein Speichel der heilige Gerstensaft der Eifel.
Auf nach Kyllburg!


Samstag, 14 Uhr

Aus einer Sentimentalität heraus habe ich Oliver gefragt, ob er mitkommen möchte. Schon sehe ich uns am Kyllburger Tresen sitzen und über Juliette Binoches Beine diskutieren, die unsere heutige Filmvorführung veredelten. Aber mit Oliver stiehlt man keine Äpfel und baut man keine Hütte.
„Ich lege mich noch was aufs Ohr“, sagt er nach den beiden Schnitzeln und dem Teller Bratkartoffeln.
Mein Plan ist dennoch unumstößlich. Den zweiten Impuls will ich ebenso sausenlassen wie die Leibübungen auf den Entspannungsmatten. Also bleiben mir vier Stunden Zeit bis zum gemeinsamen Abendessen. Vier Stunden minus zwei für den Hin- und Rückweg macht zwei Stunden netto am Tresen. Das sollte reichen für eine feuchtfröhliche Generalüberholung.
Aber der zugeschneite Pfad entlang des Flusses hat es in sich. Unter den Schneewehen liegt eine Eisschicht, die jeden Schritt zur Strapaze macht. Dass ich die Musik auf volle Lautstärke gestellt habe, schwächt zudem meinen Gleichgewichtssinn. Aber ich vertraue auf Gott, wie offenbar alles inzwischen religiös konnotiert ist für mich. Warum heißt dieser Ort, zu dem es links abgeht, ausgerechnet Bruderholz? Und was singen die da, diese Popstars? „Oh Lord“, hebt Johnny Cash an. „Losing my religion“, jaulen R.E.M. Und wer, in Gottes Namen, hat mir die verdammten Desmond-Decker-Israelites auf den Speicher gebeamt?
Erst Janis Joplin, die den Lord dreist um einen Mercedes Benz angeht, bringt mich wieder in die Spur. Und dann bin ich auch schon auf dem Highway to Hell, die Bäume erzittern und der Schnee schmilzt im Höllenfeuer meiner T.N.T. zündenden Schritte. Oder wie es das Evangelium nach Bon Scott ausdrückt: „Lock up your daughter/ Lock up your wife/ Lock up your back door/ And run for your life/ The man is back in town.”


Samstag, 15 Uhr

Im Ignatiussaal sitzen sie jetzt zwischen Duftkerzen und Räucherstäbchen. In der Kyllburger Bahnhofskneipe hingegen qualmen die Kippen. Ein nikotingesättigtes Wolkenmeer umfängt mich, die Schwaden wabern so dicht wie die Nebel von Avalon. – Herrlich!
An der Theke setze ich mich neben einen alten Kerl, Typ Braungebrannter Hagestolz. Er empfiehlt mir, Flaschenbier zu trinken.
„Die zapfen hier noch echte Sieben-Minuten-Pilse, da wirst du nie satt von.“
Danach erzählt er der kleinen Runde, er sei jetzt am gesamten Körper rasiert: „Weil meine Freundin findet, dass mein Gemächt dann mächtiger wirkt.“
„Die aus Prüm oder die aus Bitburg?“ wirft einer ein.
„Nee, die aus Bitburg“, sagt er. „Die aus Prüm sieht ja nicht mehr so gut.“


Vierter Tag

Sonntag, 7 Uhr 30

Der gestrige Ausflug hat mir zugesetzt. Als der Wecker kurz nach 6 zur Morgenmeditation klingelte, habe ich ihn mit der blinden Wut eines Gotteskriegers abgewürgt. Als ich zum Frühstücksraum schlurfe, riecht es durchdringend nach dem feuchtheißen Dampf der Spülmaschinen. Ich brauche jetzt etwas extrem Gesundes, sage ich mir. Also pflücke ich die hindrapierten Petersilienstrünke vom Bufett, bis mein Teller aussieht wie eine Karnevalsperücke. Aber das Kraut tut seine Wirkung, bald geht es mir ein wenig besser.
Zum Abschluss unserer Exerzitien wollen wir eine gemeinsame Messe feiern, kündigt der L. an. Die Leitung soll der Saarbrücker Sehbehindertenseelsorger übernehmen, der aus irgendeinem Grund dafür qualifiziert zu sein scheint. Edith und er sind jetzt ein Paar. Aus Gesprächen weiß ich, dass meine Gefährten sehr stolz sind auf die Liaison.
„Es fühlt sich so an“, sagt Else, „als sei diese Liebe aus unserem Kreis heraus erwachsen.“


Sonntag, 10 Uhr

Immer wieder diese Anfängerfehler. Der L. hat den Klingelbeutel ausgepackt, „für den Erhalt von St. Thomas.“ Überall klimpert es im Körbchen, das sich mir bedrohlich nähert. Denn ich habe keinen müden Cent mehr, man könnte sagen: Ich habe all mein Geld versoffen gestern. Verzweifelt wühle ich in meiner Hosentasche und tue dann so, als hätte ich etwas gefunden. Aber Oliver, der mir den Kollektenkorb weiterreicht, durchschaut mein erbärmliches Manöver. Als ich die geschlossene Hand im Kleingeld versenke und ein bisschen darin wühle, verengen sich seine ohnehin schmalen Fettwanstaugen zu einem Schlitz. Er kann hier keinen Aufstand machen und mich bloßstellen, das ist ihm klar. Aber solch ein Maß an Schäbigkeit hat er nicht mehr erlebt, seit Judas den Herrn verriet.
Der Sehbehindertenseelsorger hat unterdessen seine Bongos zwischen die Beine geklemmt und ein Lied angestimmt. Wenn er singt, legt er den Kopf in den Nacken und schließt die Augen. Mit dem ersten Ton verfällt sein Oberkörper in ein ekstatisches, in mancher Hinsicht unappetitliches Zucken. Aber gut, die Sehbehinderten wird das nicht stören.
Unweigerlich werden wir gleich wieder auf die Knie gehen müssen, für was auch immer. Die halbe Hausrenovierung habe ich knieend erledigt, und unsere Abendlob-Sessions haben mir den Rest gegeben. Meine Kniescheiben zerbröseln mit jedem weiteren Bodenkontakt wie Zwieback. Mein ganzer Körper sträubt sich mittlerweile lange im Vorhinein gegen diese Verrichtung. Aber seit der Nummer mit dem Klingelbeutel habe ich ohnehin nichts mehr zu verlieren. Als es soweit ist, täusche ich eine kleine Schwäche vor, kühme, reibe mir die Augen und stütze die Unterarme auf die Knie, um die anderen nicht allzu auffällig zu überragen. Oliver stupst mich erbost an, aber die Bongos übertönen sein Stöhnen.


Sonntag, 10 Uhr 40

Die Messe neigt sich dem Ende zu. Auf den Oblatenteller folgt der Weinkelch.
„Trinken sollt ihr, nicht nippen“ ermutigt uns der L., „das sind die Worte des Herrn.“
So ein kräftiger Schluck Weißwein des Morgens kann nichts schaden, sage ich mir und lange ordentlich zu. Der süße Saft kühlt meine vom Kyllburger Kippenqualm entzündete Kehle und wärmt mir die Eingeweide. Derart belebt, wird auch der „Rollende Gruß“ zu einem Kinderspiel: Hintereinanderweg legt Jeder Jedem die Hände auf die Schultern und gibt ihm – stumm oder mit frommen Worten – seinen Segen für die Zukunft. Allen ist klar: Dies ist unsere vorweggenommene Verabschiedung.
Zu Edith sage ich: „Gott sei mit dir“, und komme mir dabei ein bisschen scheinheilig vor. Oliver legt mir seine schlaffen Wurstfinger auf und schenkt mir einen Blick, der nicht nur Hopfen und Malz verloren gibt. Else und der L. hingegen wirken ehrlich bewegt. Und der dicke Bruno hat sogar ein Tränchen im Auge, das mir beinahe einen Ableger ins Gesicht pflanzt.
Sollten wir uns irgendwann im Leben wiedersehen, lade ich ihn auf ein Brötchen mit Milch ein.



Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

Mittwoch, 9. Dezember 2015

Kölner Gespräche (43): Claus Kreß, Völkerrechtler an der Uni Köln

Claus Kreß wurde 1966 in Köln geboren. Nach dem Abitur am Hildegard-von-Bingen-Gymnasium begann er ein Jurastudium. Auf die Promotion 1994 folgte 2004 die Habilitation.
Von 1996 bis 2000 war er als Beamter im Bundesministerium der Justiz tätig. 1998 war er Mitglied der deutschen Delegation bei der Staatenkonferenz in Rom zur Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofes. Ende 2004 übernahm er den Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Köln. Dort fungiert er seit 2012 als ordentlicher Professor und Direktor des Instituts für Friedenssicherungsrecht. Er gilt als internationaler Fachmann für Völkerrechtsfragen.
Claus Kreß lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern in Rondorf.

Es ist ein langer, gewundener Weg vom Erfrischungsraum im Hauptgebäude der Uni Köln bis ins versteckte Büro des Völkerrechtlers Claus Kreß. Und der Professor verspätet sich leicht: 300 Erstsemester haben gerade seiner Vorlesung gelauscht, und er hatte noch viele Fragen zu beantworten.

Sind Sie zur Zeit ein gefragter Mann?

Bedauerlicherweise ja. Nach dem Terror in Frankreich haben die Anfragen seitens der Presse noch einmal zugenommen. Viele Fragen sind nicht neu, sie werden schon seit dem 11. September 2001 intensiv diskutiert.

Welche Fragen sind das?

Vor allem will man wissen, was es bedeutet, wenn heutzutage von „Krieg“ gesprochen wird. Das Wort ist aus dem Jargon der Politiker - und auch der Journalisten - nicht herauszukriegen.

Wie meinen Sie das?

Seine Bedeutung als Völkerrechtsbegriff hat „Krieg“ fast vollständig verloren. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war das anders. Da gab es ein Kriegsrecht, um die mit dem Kampf zwischen Staaten verbundenen Leiden zu begrenzen. Und 1928 vereinbarte man das Verbot des Kriegs als Mittel nationaler Politik.

Welche Begriffe haben „Krieg“ heute ersetzt?

Präzisere, objektivierbarere. Das Kriegsverbot wurde durch das schärfere Verbot ersetzt, militärische Gewalt anzuwenden. Und sind Kämpfe dennoch ausgebrochen, sprechen wir inzwischen von einem „internationalen bewaffneten Konflikt“.

Hier in Ihrem Büro hängt ein Geißbock-Bild. Von „Krieg“ spricht man heute schon, wenn der FC gegen Gladbach spielt.

Genau, das Wort ist eine Allzweckwaffe geworden für Leute, die rhetorisch mit kräftigen Farben malen wollen. Ich verstehe durchaus, dass Politiker und Journalisten gelegentlich diesen Wunsch verspüren.

Wie trennen Sie nüchterne Analyse, Ihre Meinungen und Ihre persönlichen Sorgen.

Nach letzterem werde ich zum Glück nur selten gefragt, zumal ich in dieser Hinsicht nicht kompetenter bin als irgendeiner meiner Mitbürger.

Andersherum heißt das, Sie halten Ihre Einschätzungen zu diesem oder jenem Konflikt für unbedingt objektiv?

Sie dürfen jedenfalls nicht juristisch falsch sein. Und ich darf keinesfalls auf medialen Wellen mitschwimmen, die fachliche Präzision muss immer Vorrang haben. Aber wenn ich mit der Presse spreche, muss das natürlich auch verständlich geschehen. Das ist zuweilen eine Gratwanderung.

Sie gelten als Experte für das völkerrechtliche Gewaltverbot. Was ist damit gemeint?

Das ist eine der wichtigsten Normen der internationalen Rechtsordnung. Es geht um das grundsätzliche Verbot für alle Staaten dieser Welt, militärische Gewalt gegen andere Staaten auszuüben.

Das Völkerrecht, die Menschenrechte, nationale Verfassungen und Gesetze bilden ein sehr komplexes, für den Normalbürger kaum zu überschauendes Feld.

Allerdings, zumal es zwischen nationaler und internationaler Rechtsordnung gewichtige Unterschiede geben kann. Denken Sie an Auslandseinsätze deutscher Soldaten: Unsere Verfassung setzt da engere Grenzen als das internationale Recht.

Haben Sie ein Beispiel?

Nehmen wir unsere laufende militärische Ausbildungshilfe im Irak: Völkerrechtlich ist diese völlig unproblematisch. Schließlich hat die Regierung des Irak dem zugestimmt. Nach unserer deutschen Verfassung jedoch ist dies ein hochproblematischer Fall, bei dem die Bundesregierung sich mit ihrer Begründung auf unsicherem Gelände bewegt.

Die meisten zwischenmenschlichen Kontakte folgen ungeschriebenen Gesetzen. Wie spielt das ins Völkerrecht?

Das ist von enormer Bedeutung. Bedenken Sie: Die völkerrechtlichen Institutionen sind global noch recht schwach ausgebildet. Wir haben zum Beispiel keinen Weltgesetzgeber, internationale Gerichte tagen seltener als nationale. Gerade im Völkerrecht der Friedenssicherung gibt es nur wenig niedergeschriebenes Recht. Umso wichtiger ist das tatsächliche Verhalten der Staaten.

Wie vermitteln Sie das Ihren Studenten?

Indem ich mit ihnen nicht nur die wenigen Rechtstexte betrachte, sondern auch die internationalen Konflikte genau studiere. Erst wer sich etwa die Kuba-Krise genau anschaut, bekommt einen lebendigen Einblick vom Recht der internationalen Beziehungen.

Es geht auf Weihnachten zu, das den Christen als „Fest des Friedens“ gilt. Ist das eine Norm, ein ungeschriebenes Gesetz, womöglich ein Völkerrecht?

Der Frieden ist ein zentraler Wert der internationalen Rechtsordnung, er steht in der UNO-Charta nicht umsonst ganz oben. „Künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren“, das war im Juni 1945 in San Franzisko das Ziel.

Von der UNO-Charta zur kölschen Ethik, die da besagt: Jede Jeck es anders, Jeck loss Jeck elans. Können Sie als Völkerrechtler damit etwas anfangen?

Oh ja! Diese kölsche Mentalität, dem anderen nicht zu sehr hineinzuregieren, das Andersartige auszuhalten, ist für das Völkerrecht eine zentrale Tugend. Die Bauherren des Völkerrechts sind derzeit rund 200 Staaten, die im Innern zum Teil ganz unterschiedlich strukturiert sind. Und selbst wenn wir manchmal staunen, wie jeck die anderen sind: Völkerrechtlich gilt das Interventionsverbot.

Sie haben in Genf, Cambridge und New York gewirkt. Warum sind Sie wieder in Köln gelandet?

Ich hatte Riesenglück, denn für einen Wissenschaftler ist es sehr ungewöhnlich, an seinem Heimatort arbeiten zu dürfen. Ich reise sehr gern, aber noch lieber komme ich nach Köln zurück.

Gibt es dafür irgendeinen vernünftigen Grund?

(lacht) Jetzt muss ich doch subjektiv werden. Sagen wir so: Ich gehöre einer kölschen Familie an, die beim Anblick der Domspitzen nach einem Urlaub feuchte Augen bekommt. Rational kann ich Ihnen das nicht erklären. Aber ich mag einfach dieses bereits angesprochene kölsche Laissez-faire genauso wie die FC-Hymne und die Tatsache, dass man hier in einer Kneipe nicht lange allein steht.

Mittwoch, 2. Dezember 2015

Thekentänzer (94)

Süß wie Abiturientensperma

„Ich hab den richtiggehend kennengelernt“, sagt Arno.
„´Richtigehend kennengelernt´: Wie du dich immer
ausdrückst!“

„Das war ein ganz beschissener Tag gewesen.
Und du weißt ja, dass ich
HIV-positiv bin. Da will man keine
beschissenen Tage.“

„Weiß ich ja, ja klar.“

„Na also. Geh ich also
so um 12 zum Büdchen, weil ich
n Gedicht schreiben will.“

„N Gedicht.“

„Genau, hol ich mir n
schönes
süßes
Reissdorf vom Büdchen und
schreib n Gedicht.“

„Reissdorf is süß?“

„Wie Abiturientensperma.“

 Jeder drückt sich anders aus


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Mittwoch, 25. November 2015

Kölner Interviews (42): Marcel Göd, FC-Fan und Groundhopper

Marcel Göd wurde 1977 in Köln geboren. Nach dem Fachabitur machte er eine Lehre als Industriemechaniker bei Ford. Am 1.9.2015 feierte er beim Autohersteller sein 20-Jähriges, und er visiert an, 2044 dort auch in Rente zu gehen. Im Privatleben ist Göd Groundhopper, d.h. er besucht so viele Fußballplätze wie möglich. Rund 3.000 Spiele hat er bislang gesehen und in den letzten 20 Jahren lediglich vier Matches des FC verpasst.
Marcel Göd lebt mit seiner Freundin in Heimersdorf.

Zum Termin im sportaffinen Irish Pub Corkonian erscheint Marcel Göd in einer FC-Trainingsjacke. Der Marathonreisende ist jedoch zugleich Marathonläufer, deshalb bestellt er eine Cola Zero.

Was ist ein Groundhopper?

Ich besuche möglichst viele Fußballstadien. Die Sammelleidenschaft, gepaart mit Reiselust und der Faszination für Fußball, machen das Hobby Groundhopping aus.


Chipude/La Gomera


Es gibt offenbar zwei Sorten: Die einen schwören auf das volle, die anderen auf das jungfräulich leere Stadion.

Ich zähle ganz klar zur ersten Gruppe. Wenn ich unterwegs bin, will ich möglichst viele Spiele sehen. Drei bis vier Matches kriegt man hin, für fünf an einem Tag muss schon alles zusammenpassen, das ist selten.

Wird man nicht rammdösig, wenn man das dritte Match hintereinander sieht?

Kommt aufs Spiel und mit wem man unterwegs ist. Aber alleine kann es tatsächlich schonmal hart werden. Wenn ich mit dem Zug zurück über die Hohenzollernbrücke komme und den Dom wiedersehe, bin ich froh, wieder zohuss zo sin.

Klingt nach einem recht stressigen Hobby.

Direkt nach meinem diesjährigen Urlaub bin ich mit dem ICE an die tschechische Grenze gefahren, habe mir ein Spiel angesehen und den nächsten Zug zurück genommen. Das war absolut entspannt, auch wenn ich knapp 20 Stunden unterwegs war.

Es müssen also nicht unbedingt berühmte Plätze sein?

Ich sehe mir auch die Kölner Kreisliga an ...

... ich habe in der E-Jugend des SC Meschenich gespielt.

Ausgerechnet in Meschenich war ich leider noch nicht. Aber eines meiner Ziele ist, alle Kölner Fußballplätze besucht zu haben.

Gehören Fotos jedes Grounds unbedingt dazu?

Mittlerweile schon. Bei einem Dorfplatz reichen meistens 10-12 Bilder, um alles Sehenswerte zu erfassen. Ein richtiges Stadion braucht bis zu 30. Letztens in Frankfurt/Oder war das Stadion so geil, davon habe ich direkt 50 Fotos auf meine Facebook-Seite gestellt.

Was zieht Sie an?

Stadien wie die alte Radrennbahn in Mönchengladbach, wo auf den Stufen das Moos wächst. Oder das alte Stadion „Weidenpescher Park“, wo früher der VfL Köln 99 spielte.

Agulo/La Gomera

Wie sieht es mit Stadien an den Enden der Welt aus?

Ich hatte, bis letztes Jahr, 28 Jahre lang mit Klaustrophobie zu kämpfen. Ich konnte nicht fliegen oder auch nur durch längere Tunnel fahren. Deshalb habe ich mich eher in Deutschland und im benachbarten Ausland rumgetrieben.

In Müngersdorf hatten Sie nie Probleme mit der Enge?

Nein, unter freinem Himmel ging es immer. Aber ins Wintertrainingslager des FC nach Portugal bin ich vor 15 Jahren noch die kompletten 2.600 Kilometer mit dem Zug gefahren.

Haben Sie auf solchen Reisen Kontakt zu den Spielern?

Es gibt dann immer die Mannschaftsabende, aber ich gehe selten auf jemanden zu. Zu Alexander Bade hatte ich einen ganz guten Draht, dem ehemaligen Torwart und Torwarttrainer.

Waren Sie selbst auch Torwart?

Bei den alten Herren, ja. Da hieß es wie so oft: Der Dickste geht ins Tor.

Sie sind doch gertenschlank!

Als vor vier Jahren meine Mutter starb, habe ich mein Leben um 180 Grad geändert. Seitdem habe ich in der Spitze 49 Kilo abgenommen und laufe mittlerweile sogar Marathon.

Vorher haben Sie geprügelt, geraucht und gesoffen?

Nein, früher gehörte das ein oder andere Bierchen zum Stadionbesuch dazu. Auswärts auch mal mehr und Fast Food in dem Rahmen natürlich sowoeso. Da blieben „Figurprobleme“ nicht aus

Stehen die Fließbänder bei Ihrem Arbeitgeber Ford still, wenn Sie unterwegs sind?

Ich arbeite in der Getriebeentwicklung und habe mit meinem Vorgesetzten eine Vereinbarung: Wenn der FC spielt, bekomme ich frei oder tausche die Schicht. Und das, obwohl er Gladbach-Fan ist.

Haben Sie ein Lieblingsstadion?

Ganz klar das Rheinenergiestadion. Nicht nur wegen dem FC, sondern weil das das Flair mit den vier Tribünen eines englischen Fußballstadions hat. Genau wie das Millerntor in St. Pauli. Mein absolutes No-Go-Stadion ist dagegen das auf Schalke – eine Multifunktionsarena ohne jeden Charme.

Und wo hat es Ihnen am besten gefallen?

Letztes Jahr war ich in Rijeka/Kroatien, da ist das Stadion in eine Felswand am Meer hineingebaut. Aber das sportlich Größte für mich war das letzte Spiel im legendären Wembleystadion. Deutschland gewann im Oktober 2000 1:0 gegen England, durch ein Tor von Didi Hamann. Und ich war live dabei. Die FC-Aufstiege waren natürlich auch allesamt richtige Highlights.

Müngersdorf

Haben Sie mal überschlagen, wieviele Kilometer und Euro Ihr Hobby bis heute gefressen hat?

Vor fünf Jahren ist meine Wohnung ausgebrannt, mit all meinen Unterlagen und Archiven. Aber grob gesagt habe ich gut 3.000 Fußballspiele gesehen. Immerhin fahre ich seit 20 Jahren Grounds ab und noch länger zum FC.

Wie viele FC-Spiele haben Sie verpasst?

Seit 1994 vier: Eins wegen Stau auf dem Weg nach München. Zwei Spiele dann bewusst, da war ich, Anfang 2000, wohl ein bisschen „ausgebrannt“. Und einmal zu Karneval fehlte mir die Motivation, um nach Hamburg zu fahren.

Fühlten Sie sich danach eher deprimiert oder befreit?

Weder noch, am Wochenende darauf ging es einfach weiter. Und im Moment ist es für mich nicht denkbar, ein Spiel zu verpassen. Weil der Verein in letzter Zeit einfach so viel Spaß macht und die Mannschaft guten Fußball spielt.

Haben Sie eine Freundin?

Ja, seit neun Jahren.

Wie kommt man an eine Frau, die solch ein Hobby hinnimmt?

Anfangs hat sie sich sogar ein bisschen dafür interessiert. Inzwischen sieht sie es eher als Geld- und Zeitverschwendung. Aber wir haben eine klare Abmachung: An Auswärtswochenenden kann ich so viele Spiele sehen, wie ich will. Und wenn der FC Heimspiel hat, bleibe ich in der Heimat.

Wenn Sie am Geburtstag Ihrer Freundin einen Privatflieger zu einem wunderschönen, super-entlegenen Stadion besteigen könnten: Party oder Flug?

Das ist eine fiese Frage. Sagen wir mal so: Wenn der FC an dem Tag im Finale der Champions League stünde, müsste ich nicht lange überlegen. (lacht)

Gibt es Groundhopper-Nachwuchs?

Oh ja, auch in Köln. Das sind gute Jungs, aber man merkt schon einen Generationenunterschied.

Nämlich?

Die älteren Groundhopper hatten zum Beispiel kein Problem damit, wenn der Kollege aus Gladbach oder Leverkusen kam. Heute spielt das teilweise schon eine Rolle.

Sind oder waren Sie ein Ultra?

Ich habe 1995 die erste Kölner Ultra-Gruppierung mitgegründet. Daraus entwickelte sich schnell die Wilde Horde, die bis heute den Kölner Kern der Bewegung bildet. Das war dann aber schon nicht mehr meine Welt.

Wieso?

Schwieriges Feld... Für mich spielte zum Beispiel Gewalt nie eine Rolle. Und irgendwann wächst du einfach auch altersmäßig raus.

Stehen Sie denn noch in der Südkurve?

Nein, und ich sitze auch nicht im Oberrang Süd, auch wenn dort meine Ursprünge liegen. Mittlerweile sitze ich seit gut einem Jahrzehnt auf der Westtribüne nahe der Nord. Das hat sich nach dem Stadionumbau so ergeben.




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Donnerstag, 19. November 2015

Kölner Interviews (41): Matthias Welpmann, Vorsitzender der Köln-Cork-Gesellschaft

Matthias Welpmann wurde 1969 in Osnabrück geboren und wuchs in Dortmund auf. Nach seinem Geografie- Studium in Bonn zog er 1998 nach Köln. Seit 2003 promoviert, arbeitete er ab 2008 als Umweltmanager in der kommunalen Stadtentwicklungsgesellschaft von Leverkusen. Ein Jahr später zog der Umweltexperte für die Grünen in den Kölner Rat ein. 2015 schließlich wurde er nicht nur zum Umweltdezernenten der Stadt Neuss gewählt, sondern zudem zum Vorsitzenden des Vereines zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Cork.
Matthias Welpmann lebt mit seiner Frau in Ehrenfeld.

Bilder der Köln-Cork-Website zeigen ihn als irischen „Boy in green“. Heute jedoch trägt Matthias Welpmann Anzug und Krawatte. Schließlich kommt er gerade von seiner neuen Arbeitsstelle als Neusser Umweltdezernent.

Die Schwerpunkte Ihres Geografiestudiums waren Ökologie und Umweltforschung. Was haben Sie erforscht?

Es ging vor allem um Hochgebirgsforschung in den Alpen.

Tod der Alpenveilchen? Die Erosion des Matterhorns?

Wir haben eine morphologische Karte erstellt, eine grafische Darstellung von Reliefs bzw. Oberflächenformen. In den Bergen ist das übrigens eine recht anstrengende Arbeit. Ich habe zwei Monate in einem Wohnwagen gehaust und täglich hunderte Höhenmeter bewältigt.

Und was haben Sie herausgefunden?

Uns ging es vor allem um Naturgefahren. Früher wurden die Dörfer dort gebaut, wo Steinschlag oder Schneelawinen am unwahrscheinlichsten waren.

Weil unsere Vorfahren nicht ganz dumm waren.

Heute jedoch werden Häuser in die Fläche gebaut, die dann mit hohem technischen Aufwand gesichert werden müssen.

Die Berge in Irland sind nicht ganz so hoch. Wann waren Sie zum ersten Mal dort?

Das ist noch gar nicht so lange her, 2012 war das. Irland wollte ich schon immer mal kennenlernen. Und als in der Kölner Grünen-Fraktion die Partnerstädte aufgeteilt wurden, habe ich mich für Cork entschieden.

Irischer Berg


Was waren Ihre Eindrücke?

Mein erster Besuch führte ausschließlich nach Cork. Ich finde die Stadt sehr vital, sehr bunt, auch in sozialer Hinsicht sehr vielfältig.

Fanden Sie Cork „irisch“?

Je häufiger ich mir die Frage stelle, desto weniger kann ich sie beantworten. Aber gut: Beinahe jede Familie hat ihre Auswanderer, manchmal leben sämtliche Kinder irgendwo im Ausland. Das gibt es so in Deutschland nicht.

Cork kommt vom keltischen Wort für Sumpf, genau wie der Kölner Chorbusch bei Chorweiler. Gibt es weitere Parallelen zwischen Cork und Köln?

Nun ja, beide Städte liegen an einem Fluss, der die Innenstadt prägt. Handel und Industrie spielten immer eine wichtige Rolle. In Cork gab es sogar mal ein Fordwerk.

Und die Menschen?

Cork empfindet sich als die eigentliche Hauptstadt Irlands, die „Rebell City“. Das ist nur halbironisch gemeint, genau wie die Corker Eigenart, sich für die Größten zu halten. Den Kölnern ist das ja auch nicht ganz fremd.

Bevor Sie 1998 in Köln landeten, waren Sie sieben Jahre Bonner.

Bonn wurde mir mit den Jahren einfach zu piefig. Alles zu eng dort, und erst recht die Studentenszene. Meiner Meinung nach gibt es in Bonn keine einzige gute Kneipe. (lacht) Als ich dann einen Job in Bergheim bekam, war ich froh, nach Köln ziehen zu können.

Und nun sind Sie sogar Vorsitzender des Köln-Cork-Vereins. Wie laufen die Besuche in der Partnerstadt ab? Erst Hunderennen, dann Pub?

Ganz falsch ist das nicht. Zunächst mal werden wir immer im Rathaus offiziell empfangen, mit allem Brimborium. Beim letzten Mal hat uns dann ein Ratsmitglied auf eine Stadtführung begleitet. Der Mann war Historiker und die Einblicke sehr interessant.

Wer bezahlt diese Touren?

Das haben die Teilnehmer selbst bezahlt.

Wenn Sie eine Million für den Club hätten: Was würden Sie damit anfangen?

Ich möchte gern so viele Begegnungen wie möglich realisieren. Mit mehr Geld könnten wir uns breiter aufstellen, mehr Mitglieder aquirieren und für einen regeren Austausch sorgen. Das größte Problem sind eigentlich die Corker, deren Besuche in Köln sich doch sehr in Grenzen halten.

Mein Eindruck: Sowohl der kulturelle als auch der sportliche Austausch zwischen Köln und Cork ist sehr bescheiden.

Unser Verein existiert zwar schon seit 1989, er wurde ein Jahr nach der Städtepartnerschaft gegründet. Aber wir haben bislang nur 30 Mitglieder, da kann man nicht viel auf die Beine stellen. Manches hingegen läuft von selbst, zum Beispiel die Chor-Partnerschaft zwischen dem Corker Fleischmann Choir und dem Philharmonischen Chor Köln.

Drei Entweder - Oder-Fragen: Guinness oder Murphys?

Murphy´s, weil es aus Cork kommt.

In Irland: Irisches Frühstück samt Speck, Würstchen und Black Pudding oder kontinentales Müsli?

Irisches Frühstück.

Höhner oder Pogues?

Pogues.

Und als Umweltexperte sagen Sie gern: Kraneburger ist besser als Mineralwasser aus der Flasche?

Richtig. Es gibt in Deutschland nichts qualitativ Hochwertigeres zu trinken als Leitungswasser. Mineralwasserflaschen sind überflüssig wie ein Kropf. Das ist auch eines meiner Themen als frisch gewählter Umweltdezernent in Neuss.

In Irland gibt es klares Wasser, aber kaum Bäume.

Das hängt zum einen mit der langen Besatzung durch die Engländer zusammen. Irlands Wälder gingen für die englische Flotte drauf. Und was stehen blieb, wurde zum Verfeuern abgeholzt.

Wie gefällt Ihnen der Kölner Wald?

Oh, dazu kann man viel erzählen! Der Nüssenberger Busch in Ossendorf ist der einzige linksrheinische, noch wirklich naturbelassene Wald. Alles andere ist nicht Wald, sondern Forst.

Der Kölner an sich ist stolz darauf, in der angeblich grünsten Stadt Deutschlands zu wohnen. Stichwort Grüngürtel, der die Stadt komplett umfasst.

Der Grüngürtel ist eine tolle Sache. Und die Wahner Heide auf der rechten Rheinseite ist ein ökologisches Revier auf europäischem Spitzenniveau, das kriegen die Kölner gar nicht so richtig mit.

Sobald der Mensch eingreift, in Person eines Försters zum Beispiel, sprechen Sie jedoch nicht mehr von Wald?

Nein, denn ein Wald kann immer nur aus sich selber entstehen. Alles andere sind dann Gruppen von Bäumen, menschengemachte Parkanlagen. Auch wenn die Förster versuchen, etwas anderes zu erzählen.

Als Ehrenfelder wohnen Sie nicht gerade im Grünen.

Stimmt, aber das ist ein spannender Stadtteil, in dem man gut leben kann. Im Moment droht allerdings so eine Art Hipness-Kollaps.

Sie reden von der um sich greifenden Gentrifizierung Ehrenfelds?

Alles muss plötzlich hip und funky sein, in der Eisdiele fällt man auf, wenn man keinen Vollbart trägt. Unser Mietshaus in der Stammstraße steht exemplarisch für diese Entwicklung: In der Nachkriegszeit war im Parterre ein bekanntestes Tanzlokal, in den 1980ern dann eine schäbige Videothek. Die wurde abgelöst vom Kölner Künstler Theater ...

... und jetzt ist ein Sushi-Laden eingezogen?

... nein, aber ein Yoga-Studio, wo irgendwelche veganen Hansel Turnübungen machen. (lacht)




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Mittwoch, 11. November 2015

Thekentänzer (93)

Herzlichen Glückwunsch

„Ich hab schon genug Nerv wegen meinem Namen“, sagt Nicole. „Also halt´s Maul!“
Eigentlich hatte der Typ nur gefragt, ob der Hocker neben ihr noch frei sei.
Nicole bestellt sich ein Piccolo-Weinfläschchen und besteht darauf, es ohne Glas zu trinken.
„Die Kacke sieht aus wie´n Becks, also sauf ich das auch so.“
„Dein Bier“, sagt der Kellner.
Hinten am Hochtisch verbrennt einer nen Fünfer und grinst glücklich. Der Typ neben Nicole bestellt sich eine Bionade.
„Du bist so´n scheiß Passivtrinker, was“, macht Nicole ihn an. „Noch zwei Sätze von mir, und du bist breit wie´n Otter.“
Der Typ - seinen Deckel hat er auf „Jacks“ gemacht - kommt jetzt aus der Reserve: „Meine Ex hat mir gestern ´Happy Birthday´ aufn Schwanz geschrieben.“
Aber Nicole ist fit: „Für ´Herzlichen Glückwunsch´ hat´s wohl nicht gereicht, du Spacken.“
Die beiden schweigen sich eine Weile an. Ziemliche lange, Nicole leert zwei weitere Weinfläschchen. Aber wer genau hinschaut, erkennt: Der Kontakt reißt nicht wirklich ab. Irgendwann berühren sich ihre Knie unter der Theke.
„Weißt du zufällig, wie man Edding von der Haut kriegt?“ fragt Jacks.
„Klar“, sagt Nicole.

Manchmal ist man klein, und manchmal kommt man groß raus

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Mittwoch, 4. November 2015

Die schönste Frau des Mittelalters

Eine schwierige Recherche

Umberto Eco nannte sie die „schönste Frau des Mittelalters“: Uta von Naumburg, Stifterin des dortigen Domes. Für ein geplantes Buch wollte ich ein Foto von ihr machen. Aber während die anderen 221 Aufnahmen problemlos zu bekommen waren, machten Utas Verwalter (genauer: Verwalterinnen) Schwierigkeiten. Hier der Briefwechsel, der sich über insgesamt vier Monate zog.


Sehr geehrter Herr Imgrund,
Sie waren am Wochenende im Naumburger Dom und wünschen ein Foto der Uta für einen redaktionellen Beitrag. Sie haben im Presse-Anmeldebogen angegeben, dass Sie für aufgrund eines konkreten Rechercheauftrags Ihren Besuch vorgenommen haben. Darüber freuen wir uns sehr. Leider haben Sie nicht angegeben, wann und wo der Beitrag erscheinen soll. Könnten Sie mich kurz darüber in Kenntnis setzen? Anschließend sende ich Ihnen gern eine Aufnahme der Uta zu.

Mit besten Grüßen, XXX


Guten Tag Frau XXX,
hatten Sie meine weiteren Erläuterungen bekommen?
ich schreibe ein Buch namens ???, das in der erfolgreichen „111er-Reihe“ des Kölner Emons Verlags erscheint (www.emons-verlag.de). Dafür hätte ich gern ein Foto der Uta von Naumburg (am besten: 300 dpi). Der Naumburger Dom wird samt Öffnungszeiten im Buch genannt – Win-Win sozusagen. Wäre also prima, wenn ich das umsonst bekommen könnte. Natürlich erhalten Sie nach Erscheinen einen Buchbeleg.
Können Sie mir da helfen?
Ich hätte die Uta übrigens gern selbst fotografiert, aber nach der langen Anreise war der Dom leider wegen einer Hochzeit geschlossen.

Besten Gruß, Bernd Imgrund


Sehr geehrter Herr Imgrund,
es verhält sich so, wie ich es Ihnen bereits bei unserem Telefongespräch erläutert hatte. Für ein kommerzielles Verlagsprodukt fallen für die Nutzung eines Fotos der Stifterfigur Uta Gebühren an. Sie hatten erwähnt, dass Sie in diesem Fall auf eine Uta-Aufnahme verzichten wollen. Sollten Sie Ihre Meinung ändern, so wenden Sie sich bitte an meine Kollegin YYY, welche die Nutzung mit Ihnen vertraglich regeln würde.

Mit besten Grüßen aus Naumburg, XXX


Sehr geehrte Frau XXX,
das ist so unklug wie unprofessionell. Ob Thomas-Mann-Haus, Heinrich-Schliemann-Museum, Beethoven-Gesellschaft oder sonstwer: Alle haben sich über das Buchprojekt gefreut und mir unentgeldliche Fotos geschickt. Ich könnte genauso gut das kostenlose Foto von Wikipedia nehmen. Und die Folge wird sein: Naumburg bekommt keine Credits und keinen Buchbeleg.

Ist doch doof, oder?

Mit besten Grüßen, Bernd Imgrund


Der Fall wird nun von der Chefin übernommen, nennen wir sie YYY

Sehr geehrter Herr Imgrund,
Ihre Mail an Frau XXX wurde mir zur Bearbeitung übergeben.
Wir sind ein wenig irritiert, da wir bisher mit dem Emons-Verlag gut zusammengearbeitet haben. In der Publikation ??? erteilten wir auch eine Abdruckgenehmigung für eine Innenaufnahme des Naumburger Doms. Auf Bitten des Autors ermäßigten wir die Reproduktionsgebühr um die Hälfte. In der Anlage übersenden wir Ihnen den Antrag auf Veröffentlichungsgenehmigung, welchen Sie bitte ausgefüllt an uns zurücksenden. Die Reproduktionsgebühr entnehmen Sie dem Auszug aus unserer
Benutzerordnung. Wir werden Ihnen nach Eingang des Antrags unsere Konditionen mitteilen.
Bei Einverständnis erhalten Sie dann umgehend eine Digitalaufnahme der Stifterfigur Uta aus
unserem Bildarchiv.

Mit freundlichen Grüßen, YYY


Sehr geehrte Frau YYY,
Sie können auch mit mir gut zusammenarbeiten. Es ist allerdings auffällig, dass außer Ihnen praktisch jede deutsche Kultureinrichtung einsieht, dass Sie von meinem Buch profitiert und mir deshalb diese ja längst gemachten und archivierten Fotos kostenlos zur Verfügung stellt. Schließlich verlange ich ja auch nicht Geld von Ihnen, weil ich Uta, den Dom und Naumburg promote. Vielleicht lassen wir die Sache mal ruhen und denken nochmal nach.

Besten Gruß, Bernd Imgrund


Zwei Monate später nehme ich einen neuen Anlauf:

Sehr geehrte Frau YYY,
meine Fotorecherche neigt sich dem Ende zu.
Wie Sie sicher wissen, kann man Uta-Fotos zu Hauf im Internet finden. Ich würde dennoch lieber mit Ihnen zusammenarbeiten, weil das für mein Buch und den Naumburger Dom am fruchtbarsten ist.
Bislang habe ich für keines der 111er-Fotos einen Cent bezahlen müssen – im Gegenteil haben sich die Institutionen gefreut, bei mir aufgenommen zu werden. Und schon gar nicht habe ich irgendeinen Vertrag unterschrieben.
Obwohl Sie also vergleichsweise völlig unüblich vorgehen, biete ich Ihnen an, für ein Uta-Portrait 20 Euro zu überweisen.
Ich bräuchte es in den nächsten Tagen.

Mit besten Grüßen, Bernd Imgrund


Sehr geehrter Herr Imgrund,
gern können wir die Reproduktionsgebühr auch für Sie um die Hälfte ermäßigen. Bei einer Auflagenhöhe bis 5000 Stück beträgt dann die ermäßigte Gebühr für eine s/w Abbildung 20,00 EUR und für ein Colorabbildung 40,00 EUR. Von der geplanten Publikation „111 berühmte Deutsche“ erbitten wir uns ein Belegexemplar. Nach Eingang des Belegexemplars erfolgt die Rechnungslegung. Anbei übersenden wir Ihnen nochmals den Antrag auf Veröffentlichungsgenehmigung. Bei Einverständnis mit unseren Konditionen übersenden wir Ihnen die gewünschte Bildvorlage.

Mit freundlichen Grüßen, YYY


Hier der mitgelieferte Vertrag, wohlgemerkt: es geht um ein einziges Foto einer weltweit millionenfach abgelichteten Steinfigur:

VEREINIGTE DOMSTIFTER ZU MERSEBURG UND NAUMBURG
UND DES KOLLEGIATSTIFTS ZEITZ
DOMSTIFTSARCHIV UND DOMSTIFTSBIBLIOTHEK NAUMBURG

Antrag auf Veröffentlichungsgenehmigung

Firma : ........................................................................................................................................

Firmensitz : …………………………………………………………………………………….

(vollständige Adresse) ......................................................................................................................

bzw.

Name : ........................................................................................................................................

Beruf/Tätigkeit :...........................................................................................................................

Ständiger Wohnsitz : ...................................................................................................................

(vollständige Adresse) .......................................................................................................................

Titel: ……………………………………………………………………………………………

………………………………………………………………………………………………….

Verfasser : ...................................................................................................................................

Reihe : .........................................................................................................................................

Verlag : ………………………………………………………………………………………...

ISBN bzw. ISSN ….............................. Höhe der Auflage: ...............................

Auflage : ............................................... Weitere Auflage geplant: ja / nein

Voraussichtlicher Preis : ................. Voraussichtlicher Erscheinungstermin : …….…


Anzahl, Motiv, Größe sowie Art und Weise der Abbildung (bitte einzeln anführen)

……………………………………………………………………………………………….

……………………………………………………………………………………………….

………………………………………………………………………………………………..

Gewerbliche Dreh- bzw. Fotogenehmigung liegt vor : ja / nein

Die Gebührenordnung der Vereinigten Domstifter
zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts
Zeitz erkenne ich an : ja / nein


........................................., den ... Unterschrift



Guten Tag Frau YYY,

dieser Antrag ist in seiner Detailiertheit zugleich albern und grotesk.
Außerdem hatte ich Ihnen 20 und nicht 40 Euro geboten, obwohl ich für Ihre Uta Werbung mache.
Ich nehme jetzt das Foto von Wikipedia,
Besten Gruß, Bernd Imgrund


Eigentlich könnte die Sache hier zuende sein. Aber dann dachte sich Frau YYY wohl, sie könne mich beim Verlag anschwärzen. Schickte also das gewünschte Foto samt erneuter Gebührenanweisung und dem kompletten Schriftverkehr gen Emons Verlag:


Betreff: WG: Bildvorlage Stifterfigur Uta
Sehr geehrte Damen und Herren,

in einer zweiten Mail erhalten Sie über „WeTransfer“ eine Digitalaufnahme der Stifterfigur
Uta aus dem Naumburger Dom. Bei Einverständnis mit unseren Konditionen vom
29.07.15 erhalten Sie die einmalige Abdruckerlaubnis für unsere Bildvorlage in der
Publikation „111 berühmte Deutsche“. Als Bildnachweis wünschen wir die Angabe:
Vereinigte Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz,
Bildarchiv Naumburg, Fotograf: ZZZ.

Mit freundlichen Grüßen, YYY


Habe ich dankend abgelehnt.


Foto:


Wikimedia Commons/Linsengericht; „Naumburg-Uta“ von Linsengericht - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons - http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Naumburg-Uta.JPG#/media/File:Naumburg-Uta.JPG