Mittwoch, 28. Mai 2014


Interviews (28)

Heute: Guildo Horn

Guildo Horn wurde als Horst Köhler 1963 in Trier geboren. Nach dem Abitur absolvierte er ein soziales Jahr in einer Lebenshilfe-Werkstatt für geistig Behinderte. Danach schloss sich ein Diplomstudium der Pädagogik an. Musikalisch folgten auf diverse Chöre und Tanzkapellen Anfang der 1990er die Gründung der Orthopädische Strümpfe. Drei jahre lang spielte die band ihre rockig-ironischen Schlagerversionen im Kölner Luxor und wurde während dieser Zeit deutschlandweit bekannt. Vor ein noch größeres Publikum trat Horn 1998 beim Eurovision Song Contest, wo er den 7. Platz belegte.
Heutzutage verbindet Guildo Horn seine Prominenz gern mit sozialem Engagement in verschiedenen Facetten. Er lebt mit Frau und Tochter im Bergischen Land.

In der plüschigen Lobby des Savoy-Hotels am Eigelstein muss Guildo Horn zunächst für einen kurzen TV-Spot vor der Kamera stehen. Der eingefleischte Fußballfan wünscht Jogi Löws Truppe alles Gute und hält dann symbolisch für elf Sekunden die Luft an.

Sie sind Anfang der 90er drei Jahre lang fast jeden Sonntag im Luxor aufgetreten. Erinnern Sie sich?

Na klar, ich habe ein Elefantengedächtnis. Da haben wir insgesamt 80 Mal gespielt, zum ersten Gig haben wir noch Fanbusse aus Trier mitgebracht. Die kamen dann alle in orthopädischen Seventies-Klamotten an, um zu zeigen, wie man so eine Art Schlagerparty in Trier feiert.

Die Konzerte waren stets ausverkauft.

Stimmt, und danach war ich immer der Letzte, der ins Bett fiel. Großartige Zeit, wir haben gefeiert, bis der Arzt kommt.

In Trier waren Sie damals schon eine Berühmtheit.

Ja, aber in Köln zu spielen, war ein Riesenschritt. Wenn in Trier eine Band aus Köln spielte, dann stand der Stadtname auf dem Plakat in Klammern dahinter. Und egal wie gut oder schlecht die waren: Da musste man hin. Prädikat: besonders Köln.

Kaiserslautern liegt näher an Trier als Köln.

Aber Trier ist hübscher als Kaiserslautern, das nimmt man bei uns genauso wenig wahr wie Saarbrücken. Köln war immer die große Stadt, an der man sich orientierte.


Das Maß aller Dinge - zumindest an der Mosel

Ist es Ihnen wichtig, dass Trier gegenüber Köln die ältere Römerstadt ist?

(lacht) Nein, das ist mir unglaublich egal.

Guilo Horn sagt „unklaublich“. Wie alle Moselfranken spricht er g und b als k und p aus.

Gibt es in Trier vergleichbaren Animositäten bezüglich der Flussseite, auf der man wohnt?

Nein. Meine Techniker, uralte Kumpels von mir, gehen immer sogar immer in einen Laden auf der anderen (also nördlichen, B.I.) Moselseite. Der Strumpf ein tolerantes Wesen! Was hier in Köln läuft, werde ich nie kapieren. Ich weiß eigentlich nie, auf welcher Seite ich gerade bin.

Stimmt! Am Ende des Interviews wird er fragen, ob man nach Mülheim, wo er den nächsten Termin hat, über die Brücke muss.

Als Mosel-Anrainer hätten Sie statt Schlager- auch Volksmusikfan werden können.

Ich habe mit vier Jahren im Kammerchor angefangen, ich war im Landesjugend- und später in einem Männerchor. Da habe ich von Klassik bis Folklore alles mitbekommen.

In Köln haben wir recht viele Lieder über die eigene Stadt ...

... in keiner Stadt, außer vielleicht New York, gibt es so viele ... (lacht)

Stimmt, allein mit den Alben der Räuber übertrumpft man sie alle. Haben Sie Derartiges in Trier gespielt.

Klar, ich war Schlagzeuger in Tanzkappellen, die komplette Mosel rauf und runter. Andererseits: Ich bin zwar mit unserem Dialekt aufgewachsen, aber kein Mundartkünstler.

Wie würden das Verhältnis von Schlager und Volksmusik beschreiben?

Zunächst mal ist alles Schlager. Das Wort stammt aus dem Wien des 19. Jahrhunderts und wurde mit Operetten verbunden: Lieder, die jeder mitsingen kann. In Deutschland existieren verschiedene Schlager-Strömungen: Eine kommt aus der Volksmusik, eine aus dem Beat, eine andere eher aus der Italo-Ecke. Aber für mich ist das alles eins.

Macht Joan Jett auch Schlager?

Natürlich. Das ist populäre Musik, halt auf Englisch. Wenn du bei Wolfgang-Petry-Songs die Stimme wegnimmst, bist du bei den Toten Hosen, da gibt´s keine klaren Grenzen. Und so versuchen wir uns mit den Orthopädischen Strümpfen eben auch an Dehnungsschlagern.

Jane Fonda? Aerobic?

(lacht) Auch, ja. Aber es geht eigentlich um die „Dehnung“ des Themas „Schlager“. Wir patchworken gerne und packen etwa „Tanze Samba mit mir“ mit „Papa was a Rolling Stone“ zusammen.

Die Verdeutschung von Joan Jetts „I love Rock´n´Roll“ ist meine erste Erinnerung an Guildo Horn. Warum ausgerechnet dieser Song?

Weil es super passt, darauf „Ich find Schlager toll“ zu singen. Das erklärte perfekt, worum es uns bei unserer Show geht.

Also ein programmatischer Song?

Bei uns war anfangs alles theoretisch untermauert! Als ich die Band damals zusammengestellt habe, war ich noch Pädagogikstudent. Da hat jeder Strumpf von mir ein Buch zur „Psychologie des deutschen Schlagers“ bekommen und musste es stets bei sich führen.


Was ist denn Ihre schlagerphilosophische Meinung zu Heinos letzter LP mit den Rocksong-Covern?

Heino ist ein netter Kerl, und PR-mäßig war das ein echter Coup. Die musikalische Umsetzung finde ich jetzt nicht so spannend, ich hätte die Sachen lieber im richtigen Heino-Sound gehört.

Was unterscheidet Ihre Rock-Adaptionen von denen Heinos?

Heino musste sich, soweit ich weiß, auch aus urheberrechtlichen Gründen sehr eng an die Vorlage halten.Wir versuchen den Songs unseren eigenen musikalischen Stempel aufzudrücken.

Und sei es als Big Band.

Ja, als die „Meatles“ haben wir mal Lieder von BAP, Westernhagen & Co. im Bigbandsound gespielt. Sowohl Wolfgang Niedecken, als auch Westernhagen haben mir damals eine Veröffentlichung untersagt. Gelebte Toleranz!

Gelebte Toleranz

Ihnen wird beim Umgang mit Schlagern immer Ironie unterstellt. Ich bin mir da nicht so sicher ...

Ich mir auch nicht. Zynismus mag ich gar nicht, Zyniker haben keinen Spaß am Leben. Ich bin dagegen ein Spielkind und lache am liebsten über mich selbst. Wenn ich so eine Idee wie die zur Bigband habe, dann muss ich das einfach machen, da geht´s auch nicht um Geld.

Wir sind nur ein Jahr auseinander und haben in den 70ern sicher dieselben Ausgaben der alten „Hitparade“ gesehen. Ich fand z.B. Michael Holm wirklich klasse. Ich wollte sogar so aussehen wie der.

Ich auch. Aber Sie haben´s geschafft.

Dank meinerseits, gemeinsames Gelächter.

Zwei Michael-Holm-Verehrer

Meine Liebe zum Schlager ist früh erwacht und hat nie aufgehört. Auch als ich mir die ersten Deep-Purple-LPs gekauft habe, lag Udo Jürgens mit in der Tüte. Und auf meinen Mix-Cassetten folgte Chris Roberts auf Frank Zappa. Wenn du sowas abspielst, bekommst du immer spannende Reaktionen.

Michael Holm war also Ihr frühester Held. Haben Sie ihn mal kennengelernt?

Meine erste Platte hieß „Rückkehr nach Mendocino“ - nach einem Michael-Holm-Hit. Zwei Jahre später war ich mit ihm in einer Sendung, und wir hatten ein gemeinsames Bad zwischen unseren Umkleidekabinen. Später hat Michael unser Dankealbum produziert.

Hatten Sie ein Lieblingslied damals?

Michael Holms „Tornerò/Wart auf mich“ und „Wunder gibt es immer wieder“ von ...

... Jürgen Marcus?

Katja Ebstein! Meine Initialzündung war allerdings der „Lachende Vagabund“ von Fred Bertelmann. Meine Großtante hatte zwischen ihren Nierentischen eine hölzerne Musiktruhe, und wenn wir da zu Besuch waren, lief dieses Lied gefühlt ständig. Im übertragenen Sinne habe ich da meine erste Salzlette in Eierlikör getunkt und war nun oral fixiert auf den deutschen Schlager.

In dem Zusammenhang: Ireen Sheer, Vicky Leandros oder Daliah Lavi?

Guildo Horn überlegt hier eine Weile - vielleicht ist er sich nicht sicher, ob er auf diese Frage eingehen will. Aber dann kommt die Antwort doch sehr entschlossen.

Daliah Lavi.

1994 durften Sie selbst in der legendären „Hitparade“ auftreten. War da noch etwas vom alten Glamour der Sendung zu spüren?

Ja, absolut. Wir waren kaum in Berlin vorgefahren, da kamen schon die Autogrammjäger. Uns kannte kein Mensch da, aber wir haben direkt Bernd Clüver und Cindy & Bert getroffen. Alle drei: echte Hammer-Rock´n´Roller!

Gab´s keine Vorurteile Ihnen gegenüber?

Ein paar waren schon etwas skeptisch. Aber gerade die Vorgenannten kamen sehr offen an: Boah, guck dir die Hose an, diese Schuhe, hatte ich auch früher. Wir hatten viel Spaß miteinander.

Sie haben sich nicht als Außenseiter gefühlt?

Habe ich mein ganzes Leben nicht. Da, wo ich bin, ist für mich vorn. Ich orientiere mich nie an Trends, da habe ich gar keine Zeit zu.

Was man liest: Die Schlagerszene gaukelt eine heile Welt vor, ist aber in Wirklichkeit total verlogen. Rex Guildo war schwul und verzweifelt, Bernd Clüver war Alkoholiker ...

... und Kurt Cobain war heroinsüchtig und hat sich die Birne weggeschossen. Das ist alles dieselbe Musikbranche, da sehe ich keinen Unterschied. Die sich zu wichtig nehmen und intolerant rumreden, kommen lustigerweise oftmals aus der Rock-Pop-Ecke.

Zum Beispiel?

Bei irgendeiner Echo-Verleihung hatten die Kastelruther Spatzen mal wieder abgeräumt. Hinter mir saßen Moses Pelham und Xavier Naidoo und haben die ausgebuht. Das ist komplett kindisch und respektlos. Toleranz zeigt sich in Taten, nicht in Worten. Und links reden, rechts scheffeln - das mag ich überhaupt nicht.

Wie halten Sie es mit Politik und Pop?

Sagen wir mal so: Ich muss nicht in jedem Lied über Atomkraft und den Dritten Weltkrieg singen. Ich möchte den Leuten in meinem Konzert lieber für zwei Stunden freigeben von den Widrigkeiten der Welt.

Ein Liedermacher wird also eher nicht mehr aus Ihnen?

Als Guildo Horn nicht! Aber vielleicht als Horst, wer weiß.

Als Guildo Horn sind Sie seit Jahren etabliert und nutzen diesen Kunstnamen auch häufig für soziale Projekte.

Mit einem bekannten Gesicht kann man mehr erreichen. Für Sky Sports mache ich zur Zeit eine Serie, die untersucht, wie barrierefrei Fußballstadien sind.

Sie waren auf dem Gebiet aber schon vorher aktiv?

Ich habe schon nach dem Abi ein soziales Jahr in einer Lebenshilfewerkstatt absolviert, wo ich mit geistig Behinderten zu tun hatte. Diese Menschen sind mit ihrer Individualität, ihrem Selbstbewusstsein einfach unglaublich faszinierend, die ziehen mich regelrecht in ihren Bann. Manchmal, wenn ich´s übertreibe, haut mir meine Managerin auf die Finger und sagt: Mach mal wieder mehr Musik, Guildo.


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Mittwoch, 21. Mai 2014


Angelika

Angelika hat vier Kinder
aber keinen Horst mehr.

Naja, sagt sie,
meine Mutter passt auf die Brut
auf.

Trinken wir noch nen Sauren?
fragt sie.
Oder lieber nen
Korn?

Korn, sage ich, und
Angelika unterschreibt das sofort. Mit
Horst, sagt sie, hab ich auch immer
Korn, aber
scheiß auf den

Blöden Wichser.
Der Kellner kuckt kurz hoch,
hält sich dann aber raus. Sein Glück,
denn mit Angelika ist heute nicht
gut Kirschen essen, die
trinkt Schnaps.

Nach dem dritten Korn
und dem zehnten Kölsch
dreht Angelika richtig auf, ich
kann da nicht mithalten. Hey, Bernd,
stell mich
dem Spacken da hinten an der Theke vor, du
Pfeife!

Hab ich dann auch gemacht.


Manchmal macht man sich zum Affen

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Mittwoch, 14. Mai 2014

Thekentänzer (73)

Die amerikanische Touristin

Die Kellnerin ist hübsch und
Knibbelt einen Aufkleber vom Fenster während
Die amerikanische Touristin erzählt
Dass sie sich nach Tomatensuppe sehnt.

Der Typ am Flipper verflucht das Gerät
Schlägt Schreit Spuckt Streichelt und
Die amerikanische Touristin sagt
Dass sie jetzt mal ein „local beer“ probieren möchte.

Der Maler bekritzelt einen verbeulten Bierdeckel
Auf dem eine Telefonnumer stand aber
Die amerikanische Touristin
Schreibt sie ihm noch einmal auf.

Draußen scheint die Sonne
Scheint Sengt Brennt Brutzelt und
Die amerikanische Touristin zieht
Ihre extrem kurze Lederjacke aus.

An der Wand hängt ein Foto mit
Jungen Türken in Buntfaltenhosen, ich
Leere mein Glas, während
Die amerikanische Touristin erzählt
Dass sie sich nach Tomatensuppe sehnt.

Eine Tomatensuppenalternative


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Mittwoch, 7. Mai 2014

Coloniales (42)

Kölnische Wandmalereien

In die Kapelle von St. Alban, der Kriegsruine neben dem Wallraf-Richartz-Museum, kommt man normalerweise nie. Aber Ende April wurde sie für einen Tag geöffnet. Sehr hübsch dort: Die Wandmalereien des Kölner Kirchenmalers Peter Hecker. Hier ein paar Eindrücke aus der Kapelle:





Und St. Alban von außen, bei Regen, mit Baustelle: