Mittwoch, 30. Dezember 2009

Thekentänzer (22)

Mann und Frau

Tonja: Ist irgendwas?
André: Was soll denn sein.
Tonja: Irgendwas ist doch.
André: Gar nichts ist.
Tonja: Warum kuckst du denn schon wieder so sauer?
André: Ich kucke sauer?
Tonja: Ja, sauer.
André: Ich kucke nicht sauer. Ich habe einen harten Tag hinter mir.
Tonja: Ich auch.
André: Was soll das überhaupt heißen, "sauer"?
Tonja: Na, sauer eben.
André: Zitronen sind sauer, junge Trauben. Geht es vielleicht ein bisschen präziser?
Tonja: Jetzt gibt er schon wieder den Oberlehrer.
André: Es gibt keine Oberlehrer mehr. Und wer ist überhaupt "er"?
Tonja: Na, du halt.
André: Dann sag doch auch "Du", wenn du mit mir über mich redest.
Tonja: Ich rede gar nicht über dich. Aber du. Du redest schon wieder über dich.
André: Ich dachte, ich habe sauer gekuckt.
Tonja: Hast du auch. Aber über mich.
André: Was?
Tonja: Sauer über mich. So war es doch.
André: Aha. Um dich soll es also wieder gehen. Immer verdreht sie einem das Wort im Mund.
Tonja: Jetzt hast du auch "sie" gesagt.
André: Na und. Du doch auch.
Tonja: Nein, "er". Nicht "sie".
André: Du willst diesen deinen von dir gestarteten Disput ins Lächerliche ziehen.
Tonja: Du hast damit angefangen.
André: Und was meinst du mit "schon wieder"?
Tonja: Was?
André: "Schon wieder" hast du gesagt. Ich würde "schon wieder" so sauer kucken.
Tonja: Hast du auch.
André: Und auch noch "schon wieder", was?
Tonja: Das erste Mal wars jedenfalls nicht.
André: Seit wann?
Tonja: Sagen wir, seit heute morgen.
André: Heute morgen bin ich um Sieben aus dem Haus.
Tonja: Und hast sauer gekuckt.
André: Ja, warum wohl.
Tonja: Weil dein Ei zu hart war?
André: Quatsch!
Tonja: Weil der Kaffee zu dünn war?
André: Quatsch!
Tonja: Warum dann?
André: Gar nicht. Ich habe nicht sauer gekuckt, und wenn ich dieses schwammige Wort noch einmal höre, werde ich stink...
Tonja: Come on, come on!
André: ...wütend.
Tonja: Ich bin auch wütend.
André: Nein, du bist sauer. Zu dir passt das.
Tonja: Jetzt wirst du ausfallend.
André: Aha. Endlich mal ein klares Wort.
Tonja: Ausfallend. Weil du das nicht hören willst.
André: Was nicht hören?
Tonja: Daß ich wütend bin. Und warum.
André: Red nicht so laut.
Tonja: Ich rede so laut ich will.
André: Das hört doch jeder.
Tonja: Na und, kann auch jeder hören.
André: Noch ein lautes Wort, und ich gehe.
Tonja: Geh doch. Du bist ja verklemmt.
André: Da haben wirs wieder.
Tonja: Du bist wie dein Vater.
André: Die alte Leier.
Tonja: Wie dein Vater.
André: Such dir doch einen anderen.
Tonja: Das sagst du immer.
André: Und du machst es nie.
Tonja: Ich mach´s, sobald ich nicht mehr wütend bin.
André: Sehr gut.
Tonja: Wieso?
André: Dann muss ich dich halt wütend halten.
Tonja: Du willst meine Gefühle lächerlich machen.
André: Du interessierst dich für meine noch nicht einmal.
Tonja: Das stimmt nicht.
André: Stimmt wohl.
Tonja: Ich habe dich gefragt.
André: Ob ich sauer bin, hast du gefragt.
Tonja: Eben. Und ob irgendwas ist.
André: Ist das schon Interesse?
Tonja: Findest du mich nicht mehr hübsch?
André: Werd jetzt nur nicht hysterisch.
Tonja: Ich finde dich nicht mehr attraktiv.
André: Dann such dir doch einen anderen.
Tonja: Die meiste Zeit, meine ich.
André: Was?
Tonja: Wenn du so beleidigt durch die Gegend guckst.
André: Hauptsache, ich bin hässlich.
Tonja: Das habe ich nicht gesagt.
André: Was ist denn sonst das Gegenteil von "hübsch"?
Tonja: Ich liebe dich.
André: Danke, Schatz, ich dich auch.
Tonja: Ich meine das ernst.
André: Danke, Schatz. Überleg dirs noch mal.
Tonja: Du willst dieses Gespräch abbrechen?
André: Ja.
Tonja: Siehst du, genau das meine ich.
André: Du warst schon immer hartnäckig.
Tonja: Du kennst mich.
André: Oh Gott, ja.
Tonja: Jetzt bleib doch mal für eine Sekunde ernst.
André: Einundzwanzig.
Tonja: Du bist doch schon wieder betrunken.
André: Was soll man auch sonst tun.
Tonja: Dann wirst du immer so.
André: Wie?
Tonja: So albern und selbstmitleidig.
André: Ich bin nicht betrunken.
Tonja: Du müsstest dich sehen.
André: Du wirst auch immer so.
Tonja: Wie?
André: Dass du über alles quatschen willst.
Tonja: Genau das meine ich.
André: Hä?
Tonja: Dass du alles ins Lächerliche ziehst.
André: Hä?
Tonja: Dass man mit dir über nichts reden kann.
André: Hä?
Tonja: Okay, lassen wirs.
André: Was lassen?
Tonja: Dieses Gespräch.
André: Gespräch?
Tonja: Du hast es zu dem gemacht, was es wurde.
André: Ich habe es nicht gewollt.
Tonja: Was?
André: Das Gespräch natürlich.
Tonja: Also lassen wirs.
André: Wenn du es genau wissen willst.
Tonja: Will ich.
André: Ich habe eine andere.
Tonja: Glaube ich nicht.
André: Stimmt auch nicht.
Tonja: Also hören wir jetzt endlich auf.
André: Wir haben doch gerade erst angefangen.
Tonja: Wir haben noch nicht mal angefangen.
André: Sollen wir uns lieben?
Tonja: Heute nicht.
André: Hilft doch immer.
Tonja: Und morgen früh?
André: Bin ich nicht sauer.
Tonja: Glaubst du doch selbst nicht.
André: Erst morgen abend wieder.
Tonja: Ich finde dich nicht witzig.
André: Du hast keinen Humor.
Tonja: Es gibt Leute, die sehen das anders.
André: Dann geh doch zu denen.
Tonja: Schluß jetzt.
André: Schluß.
Tonja: Schluß.
André: Kuß und Schluß.
Tonja: Du kannst mich mal.
André: Wo gehst du hin?
Tonja: Nach Hause.
André: Ist nicht dein Ernst.
Tonja: Zahlst du meins mit?
André: Du bleibst hier!
Tonja: Sagst du?
André: Sage ich!
Tonja: Ich wäre gegangen.
André: Du und der Konjunktiv.
Tonja: Wenn ich gewollt hätte.
André: Spielchen.
Tonja: Dein Spielchen.
André: Vorbei.
Tonja: Schade!
André: Zu billig.
Tonja: Da ist er wieder, der Herr Oberlehrer.
André: Verletzen aus Verletztheit.
Tonja: Such dir doch eine andere.
André: Ich halte die Augen offen.
Tonja: Auf der Arbeit?
André: Ich komme viel rum.
Tonja: Oh Mann!
André: Oh Frau!
Tonja: Wir sehen uns.
André: Du haust mal wieder ab?
Tonja: Endgültig!
André: Geh doch.
Tonja: Bleibst du noch?
André: Was wäre dir denn lieber?
Tonja: Dass du mitkommst.
André: Wieso?
Tonja: Weiß ich nicht.
André: Dann geh alleine.
Tonja: Mach ich auch!
André: Ich dachte.
Tonja: Gar nichts hast du mir zu sagen.
André: Hab ich doch auch gar nicht.
Tonja: Hast du wohl. Nur zuhören kannst du nicht.
André: Ich will mir Mühe geben.
Tonja: Das sagst du immer.
André: Nicht immer. Jetzt!
Tonja: Jetzt?
André: Ja, nur frei heraus.
Tonja: Na gut.
André: Na also?
Tonja: Ist irgendwas?
André: Was soll denn sein?


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Mittwoch, 23. Dezember 2009

Coloniales (27)

Jakob und die Renaissance

Die Kölner Architekturgeschichte wird in erster Linie durch den gotischen Dom und die romanischen Kirchen geprägt. Aber auch die Renaissance hat hier ihre Spuren hinterlassen, etwa in Form der Rathauslaube oder des Lettners von St. Maria im Kapitol. Um ein komplettes Renaissance-Gebäude handelt es sich beim Haus Bachem – laut manchen Quellen „Im Bachen“ – an der Ecke Großer Griechenmarkt und Bachemstraße. Wie die Maueranker unter dem prächtigen Doppelgiebel ausweisen, stammt es aus dem Jahr 1590. Ursprünglich soll hier der Hof eines erzbischöflichen Kämmerers namens von Bachem gelegen haben. Spätestens im 19. Jahrhundert, das ist belegt, übernahmen dann die Brauer das Zepter. Möglicherweise trat irgendwann in den 1820er oder früher 1830er Jahren ein kleiner Cellist namens Jakob hier auf, der mit seinen Eltern gleich nebenan am Großen Griechenmarkt wohnte und dort auch 1819 geboren worden war. Dass er bereits in frühem Alter in Gasthäusern musizierte, ist bekannt, denn der kleine kölsche Junge mauserte sich zu einem berühmten Komponisten. Weil er nach Frankreich ging, wurde aus Jakob Jacques. Sein Nachname, Offenbach, blieb. Seit
Die Brauerei-Tradition in Haus Bachem endete 1880, und historische Fotos belegen, dass das Gebäude in den Folgejahren zusehends verfiel. Wie durch ein Wunder jedoch war es in weitem Umkreis das einzige, das die Bombardements und Feuersbrünste des Zweiten Weltkriegs nahezu unbeschadet überstand. Erhalten blieb auch das sogenannte Hangstüffje, die ins hohe Erdgeschoss eingehängte Kammer, wie sie sich etwa auch im Brauhaus Im Walfisch (Salzgasse 13, von 1626) findet. Dort in der Altstadt hört man auch das frisch renovierte Glockenspiel des Rathausturms. Täglich um 18 Uhr serviert es ein Potpourri mit Melodien Jacques Offenbachs, darunter die „Barkarole“ aus „Die Rheinnixen“, der „Cancan“ aus „Pariser Leben“, der „Galopp infernal“ aus „Orpheus in der Unterwelt“ und „Klein Zack“ aus „Hoffmanns Erzählungen“.


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Mittwoch, 16. Dezember 2009

Thekentänzer (21)

Hansis Hund

Mal mit dem Hund raus will er, der Hansi, aber da hat er schon die Neige der Kornflasche intus.
„Mach das, Hansi“, sagt Marlene, „Bangie freut sich.“ Und dann schiebt sie ab ins Wohnzimmer mit ihrem Rollstuhl, vor den Fernseher, nebens Sofa, neben Hansis jetzt leeren Platz an der Armlehne, ein Knopfdruck ein anderes Programm eine Richter-Serie Marlene schüttelt den Kopf.
„Na komm schon, du krummer Hund.“
Bangie wedelt mit dem Schwanz und pisst vor Freude auf den Läufer im Flur. Hansi hebt ihn auf, den Läufer, hängt ihn zum Trocknen an den üblichen Garderobenhaken. Die Pfütze auf den alten Dielen, diese Mühe, die ihm das bereitet, dieses Gefühl des Ungenügens und vage Erinnerungen an systematische Säuberung. Dann lieber alles verschwimmen lassen, die Brühe am Boden im Kopf vor den Augen. Alles verschwimmen lassen, Auflösung, Wohlgefallen am überwundenen Gewissen. Ein kurzer Blick um die Ecke noch, ins Wohnzimmer hinein, verstohlen voll Liebe: „Also, Schätzchen, mach´s gut, mein Schätzchen, ich erzähl dir nachher.“
Keine Frage, dass Hansi die Pipeline ansteuert. Keine Frage, dass er zunächst einen Umweg nimmt, der Vorfreude wegen. Zum Fluß runter, an der Touristeninfo entlang – Bötchentouren, Dreiviertelhosen und Brillen an Halsbändern. Gesehenwerden: Guck da, der Hansi, führt den Hund aus der Hansi, den Bangie, ja das ist ein Pärchen, die zwei. Das sind man welche die Marlene im Rollstuhl was willst du dran machen das Bein musste ab. Vom Marktplatz runter in südlicher Richtung, die Fußgängerzone, Geschäfte und Neon. Da möchte ich nicht wohnen, sagt Marlene immer, was haben wirs gut hier am Rand, dieses Rauschen der Krach meine Nerven.
Weit weg ist der Hansi nun schon, hüpfenden Herzens. Das ist das Verschwimmen, Verströmen, das Loslassen. Diebische Freude, Vorfreude, die Sprüche der Jungs und von Susi, der Wirtin. Die Sprüche vorm Klo, an den Wänden, was haben wir hier nicht schon alles zusammen erlebt und geschrieben. Das waren doch wir, nicht, das haben doch wir über all die Jahre ich weiß noch, das war doch, „OB-Team – In der Regel sind wir voll.“
„Der Hansi“, sagt Susi, Sonne und Mond. „Der Hansi, ja da freu ich mich aber.“


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Mittwoch, 9. Dezember 2009

Thekentänzer (20)

Der kleine Heinz und der dicke Heinz

Der kleine Heinz und der dicke Heinz saßen zusammen an der Theke ihres Stammlokals.
„Du bist also der kleine Heinz“, sagte der dicke Heinz nach geraumer Zeit gegenseitigen Schweigens.
„Und du bist der dicke“, folgerte der kleine Heinz, und: „So dick bist du eigentlich gar nicht“, zog er nach, um dem unglaublich dicken Heinz ein wenig zu schmeicheln.
„Und du auch eigentlich gar nicht so klein“, gab der dicke Heinz unter Missachtung der Tatsache zurück, dass der kleine Heinz auf einem viel höheren Barhocker saß als er selbst.
Nach dieser kurzen Vorstellung schwiegen die beiden Heinze erstmal wieder ein Weilchen. Denn eigentlich kannten sie sich gar nicht wirklich. Zwar war dies ihre gemeinsame Stammkneipe, aber erobert hatten die beiden sie aus ganz verschiedenen Richtungen. So war der kleine Heinz ein Zugezogener, der Dicke hingegen gegenüber dem Lokal aufgewachsen. Damals hatte der Laden noch „Bei Erika“ geheißen.
„Eigentlich ist der Name Heinz so um 1970 ausgestorben“, nahm der dicke Heinz den zwischenzeitlich beiseitegelegten Faden wieder auf. Und: „Hab ich gelesen“, fuhr er fort, nachdem sich des kleinen Heinz´ Reaktion auf einen leeren Seitenblick bei erhobenem Glas beschränkt hatte. „Ich habe mich da mal informiert.“
„Hast du ein Problem?“ fragte der kleine Heinz nun, und nachdem der dicke Heinz verlegen auf seine Plauze geschielt hatte: „Mit dem Namen, meine ich.“
„Gefällt dir das? Der kleine Heinz zu sein?“
„Ich bin nicht der kleine Heinz“, sagte der kleine Heinz sehr bestimmt, um sich sodann wieder seinem Glas zuzuwenden. Er schien die Richtung dieses Gesprächs auf keine Art nehmen zu wollen.
Tatsächlich hatte den kleinen Heinz niemand je den kleinen Heinz gerufen, bevor er hier verkehrte. Erst hier, und nachdem er das Stammpublikum des Ladens kennengelernt hatte, war ihm dieses Adjektiv zugewachsen. Kein anderer Grund hatte dazu geführt als jener, den kleinen vom altbekannten dicken Heinz zu unterscheiden.
„Mein Opa hieß Heinz“, sagte der dicke Heinz. „Bei uns in der Familie kriegen alle die Vornamen ihrer Großeltern.“ Er sah ein bisschen traurig aus bei dieser Mitteilung. „Wie war das denn bei dir beim ersten Mal?“
Der ungläubige Blick des kleinen Heinz ließ den dicken seine Frage präzisieren: „Na, als dir zum ersten Mal wirklich klar wurde, dass du Heinz heißt.“
„Wir sind alle Heinze“, antwortete der kleine Heinz.
„Was?“
„Meine Mutter war eine Heinz, mein Vater war ein Heinz. Die kommen aus Nachbardörfern, die haben dann geheiratet, und dann haben die mich eben Heinz genannt.“
„Heinz?“ stotterte der Dicke.
„Heinz Heinz, genau“, nahm ihm der kleine Heinz die Scheu. „Ich heiße Heinz Heinz.“


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Mittwoch, 2. Dezember 2009

Straßenkämpfer (9)

Oriental mag er nicht

„Ein Taxi, bitte“, sagt die Prostituierte vom Militärring.
Sie ist klein, geradezu winzig, wie die Turnerinnen aus dem alten Ostblock. Über dem lila Minirock trägt sie eine beige Daunenjacke, darunter weiße Strumpfhosen. Ihre Hände sind blau. Hier draußen regiert die Bulgarenmafia den Straßenstrich, sagt man.
Die Tankstellenfrau greift zum Handy, während die Mutter am Stehtisch ihr Kind abzulenken versucht.
„Willst du ein bisschen Senf bei das Würstchen?“, fragt sie.
Aber die Tochter reagiert nicht, starrt die blauen Hände und den lila Rock an. Das Würstchenglas schwitzt, die Brötchen sind aus, die Ofenklappen lappen nach vorn. Nachdem das Taxi bestellt ist, geht die kleine Prostituierte zur hintersten Wand. Legt die Hände zusammen und stellt sich vor das zimmerhohe Kühlfach mit den Bierbüchsen und Colaflaschen. Neonleuchten wirken immer zugleich grell und zwielichtig.
„Jetzt iss auch! Das wird sonst kalt, das Würstchen.“
„Ich hab aber keinen Hunger.“
„Ganz plötzlich, oder wie!“
Die Mutter, keine Dreißig, schaut empört auf das Kind herab. „Na, gib her“, sagt sie dann. Das Würstchen ist schnell vertilgt.
Der Mann, der die ganze Zeit vor den Zeitungen stand, wechselt jetzt zum nächsten Regal. Unter der beigen Daunenjacke wölbt sich absolut nichts, und es gibt noch deutlich kürzere Röcke.
„Ungarische haben Sie nicht?“
„Was?“, fragt die Tankstellenfrau.
„Chips“, sagt der Mann.
„Ach so“, sagt sie und kommt hinter der Theke hervor. „Probieren Sie doch mal die Oriental von Funny Frisch, die sind wirklich gut.“
„Die mag ich aber nicht“, sagt der Mann. Er grinst jetzt, wahrscheinlich schämt er sich ein bisschen.
„Was Chips angeht, bin ich aber auch sehr wählerisch“, sagt die Tankstellenfrau. „Am besten gehen Sie vorn zum Kiosk.“
„Da war ich schon“, sagt der Mann. Zwischen den aufgestellten Kragenspitzen des Mantels schweift sein Blick noch einmal durch den Raum, dann dreht er sich zur Tür.
„Tuste mir noch nen Kaffee, Hilde?“, sagt die Mutter vom Stehtisch. „Den brauch ich einfach nach sonem Würstchen.“
Die Tür geht auf, jemand will sein getanktes Benzin bezahlen. Direkt hinter ihm quietschen Reifen. Das Taxi ist da.


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Mittwoch, 25. November 2009

Henne Mautkracher, Frontmann der Eierläjer


Coloniales (26)

Henne Mautkracher & das Kölsche Folklore-Gesetz

Die aktuellen Hits der Karnevalssession 2009/10 heißen „Bütze deluxe“ (Bläck Fööss), „Himmelhoch High“ (Eierläjer), und „Halleluja“ (Brings). Von allen drei Bands werden, das sei nur am Rande vermerkt, Fremdwörter verwendet (aus dem Französischen, Englischen und Hebräischen). Was jedoch viel schlimmer wiegt, ist das gänzliche Fehlen der gängigen kölschen Schlüsselwörter, ohne die eigentlich kein Fastelovendslied denkbar ist.
In diesem Zusammenhang sei deshalb an die Vorschriften erinnert, die ein Kölner Folkloresänger von Rechts wegen einzuhalten hat. Im Speziellen also an den Paragraphen 11, Absatz 11 des Kölschen Folklore-Gesetzes:

In einem echt kölschen Lied müssen mindestens drei der folgenden Worte im Refrain Verwendung finden: Kölle, Kölsch, Kölscher, 1. FC Kölle, Dom, Rhing, Flönz, hl. Willy. Außerdem haben die Worte Hätz, Jlöck und Jeföhl sowie die Komposition „lecker Mädche“ zumindest in den Strophen aufzutauchen. Zuwiderhandlungen werden mit 11 Pflichtbesuchen in der Philharmonie bestraft. Wiederholungstätern droht die Ausweisung nach Helauland, optional die Abrasur des Schnauzbarts.

Wer angesichts dessen nur mit der Schulter zuckt, dem sei noch einmal das tragische Schicksal des Kevin Kannebäcker vor Augen geführt:

Kevin Kannebäcker aus Köln-Kalk war ein aufstrebender Volksmusiker, der mit „Olle Kamelle“, „Öönswie is alles Kölle“ und „Kölsch Beömmelt“ schon drei Hits in den Lokalcharts gelandet hatte. Auch der Song „Ming Fründin is en lecker Öllich“ war bereits auf Platz 13 eingestiegen, als die Prüfstelle für kölschgefährdendes Liedgut zuschlug: Kannebäcker habe vor das Wort „Öllich“ das Adjektiv „kölsche“ zu setzen, sonst lande das Lied auf dem Index. Sein Einwand, das schade der Metrik des Refrains („Ming Fründin is en lecker kölsche Öllich“), wurde in allen Instanzen abgeschmettert. Weil seine Angst vor Helauland allzu übermächtig war, entschied sich Kannebäcker notgedrungen für die Barbierung.

Auch Altstars der kölschen Szene blicken besorgt auf die Entwicklung der letzten Jahre. Henne Mautkracher, Frontmann der Eierläjer, schickte uns statt eines Kommentars ein selbstverfasstes Gedicht:

Kölle, du bes mi Hätz
Kölle, du bes mi Jlöck

Kölle, du bes e Jeföhl

Kölle, du Stadt am Rhing

Rhing, du Fluss durch Kölle

Kölle is Kölle
Kölle bliev Kölle

Der Rhing is der Rhing

Der Rhing bliev der Rhing

Kölle, Kölle, Kölle, Rhing, Rhing, Rhing
.


Die entscheidenden Passagen stammen aus dem Reiseführer „Ölle. Die Stadt am Niehr“, Emons Verlag. Wer an diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch erinnert werden möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

Mittwoch, 18. November 2009

Momentaufnahmen (7)

Becks gegen Beulen

Burger King, Verteilerkreis
Kleiner, ziemlich moppeliger Junge: „Ich hätte gern vier Hamburger und vier Ketchup.“
Verkäufer: „Kommt noch jemand?“
Kleiner, ziemlich moppeliger Junge: „Nö.“

Kneipe, Nordstadt, 11 Uhr abends
Kölschtrinker: „Und wo kommst du her?“
Weizentrinker: „Wales.“
Kölschtrinker: „Hä?“
Weizentrinker: „Wales, das liegt bei England.“
Kölschtrinker: „Ah, du bist Engländer.“
Weizentrinker: „Nein, Waliser.“
Kölschtrinker: „So als normaler Deutscher, also ganz klar, wir kennen das nur als England.“
Weizentrinker: „Ich will nicht mehr mit dir reden.“
Kölschtrinker: „Von oben bis unten, diese Insel, das ist England.“
Weizentrinker: „Ich bin Kelte, und du bist ein Idiot.“
Anderer Kölschtrinker zum Wirt: „Mach mal drei Jamies.“
Anderer Kölschtrinker zu den Streitenden: „Prost.“
Kölschtrinker: „Prost.“
Weizentrinker: „Prost.“

Brief der RheinEnergie vom 4. November 2009:
Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde,
es gibt gute Neuigkeiten für Sie!
Zum 1. Januar 2010 senken wir den Arbeitspreis für Strom um 1,13 Cent je Kilowattstunde und den Grundpreis um 1,73 Euro pro Jahr. Bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch führt die Preissenkung zu einer Ersparnis von 2,97 Euro pro Monat.
Kölnische Rundschau vom 6. November, S. 9:
Mit deutlich höheren Preisen für Erdgas müssen Kunden der RheinEnergie rechnen. Der Energieversorger erhöht die Gaspreise mit Beginn des neuen Jahres um rund acht Prozent. Für einen normalen Privathaushalt würde die monatliche Belastung somit um 7,93 Euro steigen.

Kneipe, Nordstadt, 1 Uhr nachts
Gast: „Hast du vielleicht einen Eisbeutel?“
Kellner: „Wieso?“
Gast: „Meine Freundin ist vom Hocker gefallen und hat eine Beule.“
Kellner: „Wie wärs mit einer kalten Flasche Becks?“
Gast: „Tut´s auch.“

Linie 12, Rudolfplatz
Erster erwachsener Mann mit Brille: „Wie hieß die Großmutter von Romy Schneider?“
Zweiter erwachsener Mann mit Brille: „Okay, sag, aber nicht so laut.“
Erster erwachsener Mann mit Brille: „Omi Schneider.“

Kneipe, Nordstadt, 3 Uhr morgens:
Stark Betrunkener: „Ich komme mit zu dir.“
Leicht Betrunkener: „Nein!“
Stark Betrunkener: „Guck dich doch mal an!“
Leicht Betrunkener: „Was denn?“
Stark Betrunkener: „Ja, deine Frisur, du siehst aus wie ein Wirsing.“
Leicht Betrunkener: „Wirsing?“
Stark Betrunkener: „Ja.“
Leicht Betrunkener: „Ich nehme dich trotzdem nicht mit.“
Stark Betrunkener: „Selbst schuld, aber merk dir eins: Betrunken schneide ich die Haare am besten!“


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Mittwoch, 11. November 2009

Gedicht (1)


Der alte Dachs

Es kam der Herbst, es wurde kalt
Die Blätter fielen ab im Wald
Der Förster feuerte den Ofen
Hurra, rief Dachs, bald geh ich pofen.

Im Sommer schon hat er gesammelt
Laub und Zeugs, das nicht vergammelt
Im Herbst, so ist das bei den Dachsen
Ließ er ein dickes Fell sich wachsen.

Und eines Morgens sah der Dachs
Da liegt ein Flöckchen Schnee im Gras
Jetzt ist´s soweit, der Winter naht
Ist Schlafenszeit im Dachsenstaat.

Noch einmal schwingt der Dachs die Füßchen
Auf zur Küche, zu den Nüsschen
Er hat sie alle weggeschmatzt
Danach ist er schnell eingeratzt.

Und als der Frühling dann erwacht
Erwacht auch Dachs aus tiefer Nacht
Und seufzt: Das Jahr wird wieder schwer
Ach wenn´s doch endlich Winter wär.


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Mittwoch, 4. November 2009

Thekentänzer (19)

Die Simpsons beim Iren

An einem späten Nachmittag saß B. in einer irischen Kneipe in der Kölner Innenstadt. Hinterm Tresen arbeitete ein junges blondes Mädchen, das er dort schon häufiger gesehen hatte. Außer ihm hockten noch drei deutsche Guinnesstrinker an der Theke, denen man anmerkte, dass sie sich für große Irlandkenner hielten. Zwei von ihnen stellten ihre Assimilation durch urwüchsige Bärte und dicke Bäuche zur Schau, der dritte trug ein kariertes Hemd, über dem ein keltisches Kreuz baumelte. Flann O´Brien scheint recht zu haben: Wer zu lange Fahrrad fährt, ist irgendwann selber eins.
Einer der beiden Bärte hieß Erwin, und „Immer wenn der Erwin kommt, muss die Carola niesen“, sagte einer seiner Kumpane, als Carola, die Kellnerin, niesen musste. „Soll ich wieder gehen, oder was“, meinte Erwin mit gespielter Entrüstung, und, man glaube es oder nicht, auch Carola, die hübsche blonde Kellnerin, lachte über diesen Scherz. In jenem Moment kam B. erstmals der Gedanke, dass er hier nicht hingehöre. Der unangenehme Effekt solcher Verschwisterungen von trinkenden Deppen und zapfenden Frauen ist, dass man in seiner extrem privaten Kneipenatmosphäre gestört wird. Denn es gibt keinen öffentlichen Raum, der intimer wäre als der Schankraum, wo man, im Gegensatz etwa zu Parties, nie zu reden verpflichtet ist, weil man sein Bier selber bezahlt. Und so kam es, dass B. sich zunehmend unwohl fühlte in seiner Haut. Die selbstgewählte Isolation verwandelte sich in eine ausgestellte: Rings um ihn herum wurde gescherzt, und seine ursprünglich tiefe innere Ruhe machte bald den Anschein arroganter Verstocktheit, wie er an den – seltenen – Blicken der übrigen Gäste zu erkennen glaubte.
Das Fass lief über, als dann auch noch eine junge dunkelhaarige Frau hereinkam, die jedem einige Anstecker, ein Feuerzeug und einen kleinen Zettel auf die Theke legte. „Ich bin gehörlos, und wenn Sie wollen, verkaufe ich Ihnen für 4 Euro einen Anstecker und für 7 Euro ein Feuerzeug“, stand darauf. Die Kellnerin kaufte einen Anstecker, und neben B. fragte sogar einer der Keltophilen – der Gehörlosen ins Gesicht blickend und beim Reden wild grimassierend –, ob sie vielleicht noch weitere Anstecker zur Auswahl habe. B. schob den Krempel beiseite und bereitete als Antwort vor, dass er eben kein Feuerzeug mit einem Aufkleber der Simpsons gebrauchen könne. Aber: Niemand fragte ihn, jeder hingegen registrierte seine Wegschiebgeste, und seine Stellung war fortan nicht mehr zu halten. Er verließ den Laden wortlos und beschloss, nie mehr auszugehen.


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Mittwoch, 28. Oktober 2009

Momentaufnahmen (6)

... und Tom Waits wird auch langsam alt

Bahnlinie 12, Zollstock
1. Frau: „Gestern war ich zum ersten Mal dieses Jahr auf der Sonnenbank.“
2. Frau: „Wieso?“
1. Frau: „Hach, ich brauchte einfach mal so´n paar UV-Strahlen.“

Einbahnstraße, Friesenviertel
Alter Anwohner zum gegen die Einbahnstraße radelnden Fahrradfahrer: „Können Sie keine Verkehrsschilder lesen?“
Fahrradfahrer: „Jank drieße, do ahlen Essel.“
Besonders schön: Das weiche Doppel-s.

Café, Belgisches Viertel
Mann: „Ich will nicht, dass Tom Waits alt wird.“
Frau: „Is klar, Schatz, du kriegst ne Glatze.“

Autokino Porz, Markttag
Marktfrau: „Sie machen Kontrolle, ne?“
Ich: „Nein.“
Marktfrau: „Sie kontrollieren die Preise, ne!“
Ich: „Nein.“
Marktfrau: „Aber Sie schreiben ja die ganze Zeit, Sie sind bestimmt von der Zeitung!“
Ich: „Nun ja.“
Marktfrau: „Das is´n richtiger Türkenmarkt geworden hier. Keine Parkplätze kriegste hier mehr, nur noch Türken.“
Ich: „Keine Parkplätze?“
Marktfrau: „Nee, aber überall Türken. Wir kommen aus Bonn, wissense. Da gibt es sowas nicht.“
Ich: „Parkplätze?“
Marktfrau: „Nee, Türken.“

Grundschüler, Rodenkirchen
„Die Römer haben alles erobert, außer die Gallier, die waren dann alle in ihrem Dorf. Aber dann sind die Germanen gekommen und haben die Römer vertrieben, und dann wurde Krieg und Köln war sehr kaputt und alle mussten in die Keller.“

Kneipe, Alter Markt
1. Engländer: „After I did it for the first time, you know what I did?”
2. Engländer: „What?“
1. Engländer: „I cried.“


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Mittwoch, 21. Oktober 2009

Thekentänzer (18)

Unbedingt Umluft

Mit dem Ausziehen der Lederjacke legt der Typ ein Motörhead-T-Shirt frei, dessen schwarze Ärmel nahtlos in zwei zutätowierte Arme übergehen.
„So´n Macintosh ist letztlich auch nur n Mensch“, sagt er. „Manchmal braucht der n bisschen Wärme.“
„Versteh ich jetzt nicht“, antworte ich aufmunternd. Schließlich habe ich zu dieser frühen Stunde so gut wie nichts zu tun, und der Express-Mann war auch noch nicht da.
„Ja, manchmal muss man einfach die Platine in den Backofen tun und bisschen aufdrehen. Dann läuft der wieder, der Mac.“
Der dicke Türke sieht ihn von der Seite verständnislos an. Seit er hier ist, hat er ein Kölsch, aber vier Kippen weggezogen. Jetzt legt er einen Fünfer auf die Theke:
„Gibs du mir Packung Davidoff Classic.“
„Hier ist Selbstbedienung“, sage ich, „der Automat steht hinten am Klo.“
„Was?“
„Davidoff ham wir hier nicht.“
„Ah, gutt.“
„Ich war mal der Camel-Kopf“, sagt der Tätowierte. „Auf Programmierer, das war nur ne Umschulung. Vorher Schauspieler, völlig erfolglos, kannste dir ja denken. Aber mal der Kopf vom Camel-Kamel, bei ner ziemlich großen Benefiz-Sache.“
„Und hinter dir im Kostüm noch´n anderer?“
„Noch zwei. Einer der Höcker, einer Hintern.“
„War heiß, wa?“
„Wie Hölle, und konntste noch nichma rauchen unter dem Ding.“
Gegenüber tritt ein älterer Mann im Trainingsanzug aus dem Haus. Er humpelt stark, sieht nach frischer Operationsnarbe aus. Drei Schritte, dann bleibt er stehen und hält sich an einem Laternenmast fest. Die Packung des Türken ist endgültig leer, er geht. Zum Glück sind gerade zwei neue Gäste gekommen. Einer von ihnen trägt einen braunen Anzug und sieht recht aufgeweckt aus.
„Entweder allein, oder eine ewig betrunkene Frau um die Ohren – das ist das Drama meines Lebens“, sagt der Programmierer. Und bevor ich jetzt in eines der üblichen Beziehungsgespräche eintauchen muss, nimmt mir der Aufgeweckte die Last ab.
„Was willst du mit Frauen“, sagt er. „Ich hab sieben Gitarren, für jeden Tag eine.“
„Die haben aber alle keine Titten.“
„Ob du´s glaubst oder nicht“, sagt der Aufgeweckte, „aber genau das hab ich kommen sehen.“
„Was jetzt?“
„Das spürt man einfach schon beim Annähern, was für ne Stimmung in einer Kneipe herrscht. Also, dass ich schon vor ner Minute wusste, was fürn Gespräch ich jetzt hier mit dir führe.“
Der Tätowierte blickt nun mich an.
„Will der n paar auf die Manschette oder was?“
Auf der anderen Straßenseite schleppt sich der frisch Operierte zurück in seinen Hauseingang. Kurz danach passiert der dicke Türke das Fenster, intensiv qualmend. Die Tür geht auf, nacheinander stolpern 17 junge Männer herein.
„17 Veltins“, sagt der Anführer.
„Wir haben hier weder Veltins noch Davidoff Classic.“
„Dann sag mir doch mal: Wie weit isset denn von hier zu Fuß bis zum Paschapuff?“
Genauso weit wie mit dem Auto, müsste ich jetzt antworten. Tue ich aber nicht. Der Programmierer leert sein viertes Weizen, und als er mich angrinst, kommt er mir vor wie mein bester Freund.
„Also hör zu“, sagt er, während ich 17 Kölsch zapfe. „220 Grad sind okay für so ne Platine. Aber eins ist ganz wichtig, schreib dir das auf!“
Wie im Tran greife ich tatsächlich zu einem Stift und sage: „Ja?“
„Auf Umluft, den Ofen. Unbedingt Umluft!“



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Mittwoch, 14. Oktober 2009

Coloniales (25)

Der Frechener Bach

Nach Marsdorf fährt man eigentlich nur, wenn man etwas kaufen will. Ein Auto zum Beispiel, oder zumindest einen neuen Fernseher. Denn dieser Vorort ganz im Westen der Stadt wurde als reines Gewerbegebiet aus dem Boden gestampft. Aber so steht man dann da an der Haltestelle der Linie 7 und sieht plötzlich diese beiden Rinnsale. Eine steile grüne Böschung und in deren Sohle ein kleiner Bach, der in einer Betonschale von West nach Ost fließt; und der sich ein paar Meter dahinter in eine weitere Halbröhre ergießt, die wie ein Strich von Süden nach Norden verläuft.
Es sind der Frechener Bach und der Südliche Randkanal, von denen hier die Rede ist. Ursprünglich stand der bei Frechen entspringende Quell in sehr engem Kontakt zum Kölner Westen. Als nämlich 1895 der Stadtwald angelegt wurde, nutzte man sein Wasser zur Speisung des neuen Stadtwaldweihers. Weil dabei jedoch zu viele Abwässer und Sinkstoffe mitgeführt wurden, installierte man schon 1899 eine Pumpstation und ließ den Frechener Bach versickern.
Die linksrheinischen Gewässer sind durch den Braunkohleabbau im Vorgebirge stark beeinträchtigt worden. Auch der Frechener Bach wird heute kaum noch von Grundwasser, sondern von Regenwasser sowie Wasser der Frechener Kläranlage gefüttert. In Marsdorf, wo er auf den Randkanal trifft, sieht man noch ein ungenutztes Wehr und eine Ableitung des Baches, die ihn mittels einer Brücke über den Kanal führen könnte. Auch das ehemalige Bett, das ihn entlang der Dürener Straße weiter gen Köln führte, ist noch leidlich intakt. Im Rahmen des Projektes Regionale 2010 soll dieser Lauf des Frechener Baches in den nächsten Jahren renaturiert werden – es wäre dies ein echter Gewinn für das linksrheinische Landschaftsbild. Wie beim weiter südlich fließenden Duffesbach wäre dann am Militärring jedoch endgültig Schluss.


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Mittwoch, 7. Oktober 2009

Coloniales (24)

Business-likes Verhalten

Ich habe auf dem Mitarbeiterfest eines großen Konzerns gelesen. Der Konzern leistet sich eine Eventabteilung, die ein Eventunternehmen engagiert hatte, um das Fest zu organisieren. Das Eventunternehmen nahm noch ein paar kleinere Veranstalter mit ins Boot, deren einer dann eben mich vorschlug. Die Arbeit war gut bezahlt, aber keine Angel ohne Haken. Hier ist er, es handelt sich um das Schreiben der obersten Eventagentur an alle Mitwirkenden:

Rauchverbot
Es gilt ein Rauchverbot für alle Gäste im ganzen Gebäude, auch auf den Terrassen. Vor dem Haupteingang stehen zwei Aschenbecher für die Raucher zur Verfügung.

Verhalten
Es handelt sich um eine interne Kundenveranstaltung, business-likes Verhalten sowie entsprechende Kleidung ist erwünscht, obwohl es sich um ein Freizeitprogramm für die Gäste handelt.
Das oberste Gebot der Veranstaltung den Gästen gegenüber ist absolute Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Der Gast soll sich bei Ihnen wohl fühlen und hat generell immer Recht. Zeigen Sie ihm, dass Sie Ihren Job gerne machen und sich wirklich freuen, dass er da ist. Wir freuen uns, wenn Sie unseren Gästen auch über Ihren Vortrag hinaus für Tipps rund um Köln und das Kölsche Leben zur Seite stehen.
Wir bemühen uns für alle Beteiligten den optimalen Rahmen zu erreichen. Doch wie das im Leben so ist, es klappt nicht immer alles. Schön wäre, wenn Sie das mit Gelassenheit zur Kenntnis nehmen würden und vor Ort unsere Projektleiter unterstützen.
Tabu sind Kaugummi kauen oder am Einsatzort Zigarette rauchen.

Business-liker und gelassener denn je,

Bernd Imgrund



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Mittwoch, 30. September 2009

Thekentänzer (17)

Erdbeerfleisch und blonde Mäuse

„Alles klar?“ fragt Didi.
„Nee“, sagt die Budweiser-Biggi.
„Dann bist du hier richtig.“
Didi wirkt unruhig. Seit er aufgehört hat zu rauchen, weiß er nicht mehr wohin mit seinen Fingern.
„Sollen wir denn jetzt mal ne Runde würfeln?“ fragt er.
Jerômes Stirn wirkt nach dem achten Whiskey ziemlich zerfurcht, als hätte er große Sorgen.
„Scheiß Wochenende war das“, sagt er, „musste ich mich unbedingt irgendwie abreagieren.“
„Haste wen vermöbelt?“
„Nee, aber in der Spielebude war ich. Sag ich zu dem Typ: ´Ich will ein Ballerspiel.´ Sagt der: ´Da gibt´s viele.´ Sag ich: ´Ja, so richtig mit innen Kopf schießen und so. Und auch auf keinen Fall mit irgendwelchen Monstern, weil ich will richtige Menschen abknallen.´“
„Du bist ja n echter Rocker, was?“ sagt die Budweiser-Biggi.
Didis Stimme klingt belehrend, als er ihr entgegnet: „Rocker sind auch nur Hippies in Lederhosen. Kommt, lasst uns ne Runde würfeln.“
„Was laberst denn du?“ geifert die Budweiser-Biggi. “Ich war mal mit nem Rocker zusammen, du Flasche.“
„´Born to be wild´ ist nichts als ein verdammtes Hippielied. Hör dir doch nur mal dieses Genöhle im Refrain an: ´Born to be wa-ha-ha-ha-eild´. Dann weißt du bescheid.“
Didi ist jetzt in voller Fahrt, die Würfelsucht für einen Moment heruntergedimmt.
„Gibt sowieso keine echten Rocker mehr, haste gelesen? Die Kölner Hell´s Angels ham sich von denen aus Frechen vertrimmen lassen. Also der FC verliert zuhause gegen Leverkusen und die Kölner Angels gegen welche, wo hinten auf der Karre BM draufsteht.“
„BM“, brabbelt Jerôme und ordert einen neuen Jamie. „Blonde Mäuse. Weißt du, was ne gute Frau is?“
„Okay, sag es uns“, sagt die Budweiser-Biggi.
„Die sich nach´m Poppen in zwei Kumpels und nen Kasten Bier verwandelt.“
„Stimmt, das wär super“, sagt Didi ungerührt. „Und´n paar Frikadellen fänd ich auch noch gut.“
Jerôme sieht ihn entgeistert an: „Meinst du das jetzt ernst?“ Bald darauf bezahlt er und geht, Didi und Biggi bleiben allein zurück.
„Komm, lass uns ne Runde würfeln,“ sagt Didi.
„Okay“, sagt die Biggi.
Beim ersten Wurf fliegen zwei der drei Würfel ins Spülbecken. So gegen 2 ist die Flasche mit dem Birnenschnaps leer. Biggi und Didi sind in ein Gespräch vertieft, dem nur sie beide folgen können. Immer wenn Biggi in einen ihrer Sekundenschläfe sinkt, nippt Didi heimlich an ihrer Flasche.
„Wenn deine Katze Marmelade frisst ...“, hebt Didi träge an.
„Was dann?“ fragt die Budweiser-Biggi.
„ ...dann war Fleisch in den Erdbeeren.“


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Mittwoch, 23. September 2009

Momentaufnahmen (5)

Pornographische Kurzgeschichte nachts um 3 im McDonald´s an der Bonner

Kino, Ringe
Fönfrisiertes Jüngelchen: „Sind die gesüßt?“
Popcorn-Verkäuferin: „Ja.“
Fönfrisiertes Jüngelchen: „Dann nehm´ ich die nicht.“

Kneipe, Altstadt
Gast: „Ich hätte gern zwei Tannenzäpfle, ein Radler und einen halben Salatteller.“
Kellner: „Aber sonst geht´s noch, ja?“

Heimwegslyrik: Krieger
Der Ventilator dreht seine Runden, der
Flipper fiept sein Dideldidu und der Rosenverkäufer
ist nur 1,50 und kriegt jetzt
einen Schnaps.
Der langsame Karl bestellt sich sein
Kristallweizen, während der Arab immer
zwei Wasser vorm Trinken trinkt. „Ich
heiße Ingomar“, sagt der Neue, „ich
bin ein Krieger, ich krieg jetzt
ein Kölsch.“

Kneipe, Nordstadt
„Ich hab´ das Spiel schon auf Sky gesehen“, sagt der Typ bei der Übertragung um 10. Und das bedeutet: Er trinkt mindestens seit halb 4.

Aldi, jene der beiden Kassenschlangen, wo´s mal wieder viel länger dauert
1. Mann: „Mahatma Glück.“
2. Mann: „Mahatma Pech.“
Ich: „Mahatma Gandhi.“
1. Mann, 2. Mann & Ich: (lachen)

Pornographische Kurzgeschichte nachts um 3 im McDonald´s an der Bonner
Felicia Ulrich aus Solingen, zweifache Mutter, Unternehmerin und neuerdings McDonald´s Qualitäts-Scout. Dieses Amt hat sie in die Pfalz geführt: auf die Salatfelder von Landwirt Thomas Gödelmann (sic!). Denn während der Saison stammt der McDonald´s Salat fast nur aus deutschem Freilandanbau.
Lediglich im Winter wird er aus Südeuropa bezogen, aber immer aus kontrolliertem Landbau. Felicia Ulrich ist verblüfft: „Was ich nie gedacht hätte: Der Salat wird von Hand geerntet (sic!) und weiterverarbeitet. Und weil die Wege zum Restaurant möglichst kurz sind, schmeckt´s da auch immer knackig frisch.“


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Mittwoch, 16. September 2009

Coloniales (23)

Kammerjäger Ostermann

Willi Ostermann steht in Köln auf einer Stufe mit seinem Namensvetter Millowitsch und der heiligen Ursula. Seine Lieder gelten als Evergreens, wenn nicht gar als Hymnen, und in der Altstadt wurde ihm ein denkmalgekrönter Platz gewidmet. Aber hat der Mann all dies auch wirklich verdient?
Ostermann starb 1936. Angeblich ist er erst 1934 in die NSDAP eingetreten. Das stimmt vermutlich genauso wenig wie die Behauptung, dass er mit den Nazis nichts am Hut hatte. Seit 2007 sind seine Werke „gemeinfrei“, das heißt, jeder darf sie nach Belieben veröffentlichen und kopieren. Das ausführlichste Archiv zum heiligen Willi hat die Kölschband „De Kallendresser“ aufgebaut und ins Netz gestellt (www.kallendresser.de). Dort findet man auch einen Hinweis auf Ostermanns Gedichtband „Plattkölsche Kriegsgedichte“. Es ist einer von insgesamt lediglich zweien, auf die man bei der Google-Eingabe „Willi Ostermann“ + „Plattdeutsche Kriegsgedichte“ stößt. Und hier wie da wird lediglich der Titel angeführt, ohne Hinweis auf den Inhalt dieses Büchleins oder gar den Abdruck eines der Poeme.
Den erwähnten Band bekam ich von Volker Gröbe, viele Jahre Vorsitzender der Akademie för uns kölsche Sproch. Das Buch stammt aus dem Jahr 1914 und heißt mit vollem Titel: „Plattkölsche Kriegsgedichte über die großen Ereignisse im Jahre 1914“. Ostermann war damals bereits berühmt, erfolgreich und wohlhabend. Auch war er kein junger Stürmer mehr, sondern ging auf die 40 zu. Ich erwähne dies, um deutlich zu machen, dass das gleich folgende Gedicht nicht der widerwärtige Auswuchs eines kriegslüsternen Heißsporns oder frustrierten Künstlers ist. Sondern das Werk eines erwachsenen, chauvinistischen Volkshelden.
Aber lesen Sie selbst, wie Ostermanns Willi sich (in der Original-Rechtschreibung) seinerzeit die Entsorgung der russischen Kriegsgefangenen vorstellte:

Russe!

(Russen hintereinander gefangen am 30., 31. August und 4. September 1914)

En dreßigtausend Russe
Am Mondagmeddag hat
Eet deutsche Heer gefange,
Su heeß et en d´r Stadt.

Doch schon am selbe Ovend
Schlog en Tepesch mer ahn,
Dat et kein dreßigtausend.
Nä, sechszigtausend Mann.

Un dann des andren Morgens
Ich nix mie sage kund,
Wie jet vun sibbzigtausend
Dann en d´r Zeidung stund.

Die sin noch jitz am zälle,
Un mich nit wundre soll,
Wenn Engk diss Woch mer höre,
Das Hunderttausend voll.

Wat mäht mer no, ich froge,
Met all däm fremb Gemöß,
Dat Ungeziefer födere,
Beß dat se engelöß?

Beß jetz han Kammerjäger
För Russe sich bewäht.
Die sollen se vertilge,
Mie sin se doch nit wäht.


Darauf ein dreifaches: „Ich mööch zo Fooß noh Kölle jonn“!


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Mittwoch, 9. September 2009

Straßenkämpfer (8)

Neulich in der Muckibude

Mist, der Typ geht genau an das Gerät, das ich gerade verlassen habe. Morgens um halb 9 trifft man in der Muckibude normalerweise nur alte Damen, die ein paar Einheiten BauchBeinePo mit einem gepflegten Schwätzchen verbinden. Aber der junge Mann da, der hat so ziemlich meine Figur (jedenfalls brust- und bizepsmäßig, der Rest ist ja sowieso egal). Nur dass der Sack 60 Kilo auflegt, wo ich auf 30 eingestellt hatte.
Dass man auf die Gewichtsmargen der anderen Kraftbolzer spinkst, ist normal. Und genauso, dass man sich nichts anmerken lässt. Aber der Angeber hier, also ich glaube, der hat mich so ein bisschen verächtlich von der Seite gemustert.
Während er an Gerät 1 seine 60-Kilo-Einheiten wegpumpt, sitze ich an Station 2. Da schaffe ich normalerweise noch weniger. Über 25 Kilo bin ich da noch nie gekommen, jedenfalls nicht, wenn ich mich an den empfohlenen Turnus von 3 mal 15 Aktionen halte. Zum Glück stöhnt und prustet der Typ gerade, als ich an der 2 fertig werde. Schnell ziehe ich den Pin raus und stecke ihn in die 50. Wirst schon noch sehen, Bürschchen!
Eigentlich sieht der Kerl ganz sympathisch aus. Aber ich kann ihn trotzdem nicht leiden. Offenbar macht er kürzere Pausen zwischen den Blocks, an der sechsten Station hat er mich ein. Die ist ganz schlimm, da geht´s um die Oberschenkelmuskulatur. Ich habe halt schlanke Beine, sage ich mir. Kein Problem, dass ich hier nur 55 wegpumpe, während der Typ mit 95 hantiert. Irgendwann, Bürschchen, hast du Beine wie ein bulgarischer Gewichtheber. Dann geht gar nix mehr.
Erst als wir an die Innenschenkelmaschine kommen, fällt mir auf, dass mein Konkurrent fingerfreie Handschuhe trägt. Einen gewissen Sinn machen die durchaus, weil man schonmal schweißnass abrutschen kann. Aber der Typ ist bei mir jetzt erst recht unten durch. Fingerfreie Handschuhe sind Schaumacher-Accessoires, völlig klarer Fall.
Die Endstation bildet immer die lange Bank, auf der man die Knie anwinkelt und Sit-ups für die Bauchmuskeln macht. Höllische Schmerzen bereitet das, aber ich beiße mich stumm durch. Als ich zur Seite blicke, bemerke ich, dass dem anderen etwas aus der Tasche gefallen ist: eine etwa zehn Zentimeter lange, flache Röhre mit anscheinend pulverigem Inhalt. Aha, denke ich, der verdammte Angeber dopt! Hundert pro hat der da irgendein Muskelpräparat drin, Anabolika, Stereoide, Epo, was weiß ich. Klar, dass der dann immer das Doppelte pumpt, der Sack.
Als er sich erhebt und breitbeinig Richtung Umkleide stolziert, will ich meinen Triumph auskosten.
„Hey“, rufe ich, „du hast da was verloren.“
Zum ersten mal seit dem Beginn unserer gemeinsamen Runde sieht er mich voll an. Kurze blonde Haare, blaue Augen, offenener Blick.
„Super. Danke“, sagt er, „das war der Zucker von McDonald´s.“


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Mittwoch, 2. September 2009

Coloniales (22)

Soeben ist der zweite Band der „111 Kölner Orte, die man gesehen haben muss“ erschienen. Als Appetizer hier einer meiner neuen Lieblingsorte. „Lieblings-„, weil er nicht nur originell daherkommt, sondern zudem so unauffällig mitten in der Stadt liegt.


Das Anamorphische Deckengemälde

Das griechische Wort Anamorphose bedeutet soviel wie Umformung. In der Kunst versteht man darunter solche Bilder, die ihre wahre Gestalt erst unter einem bestimmten Blickwinkel preisgeben. Im Mittelalter diente diese Technik der illusionistischen Deckenmalerei ebenso wie zur Verschlüsselung von Verbotenem, also etwa von erotischen Szenen. Längenanamorphosen werden heutzutage gern bei auf der Straße angebrachten Verkehrszeichen verwendet, um den flachen Winkel der heranfahrenden Autofahrer auszugleichen. Außerdem findet man sie inzwischen in jedem Fußballstadion: Horizontale Werbebanner neben den Toren wandern für den TV-Zuschauer scheinbar in die Vertikale.
Eine Sonderform dieses Verfahrens ist die sogenannte katoptrische Anamorphose, bei der die Dekodierung über einen Spiegel läuft. In der Passage am Hohenzollernring erkennt man auf dem Deckengemälde zunächst einmal nur eine zerlaufene, weißlich-graue Ringfläche, die entfernt an entsprechende Formen bei Dalí erinnert. Erst ein Blick in den zentral angebrachten zylindrischen Spiegel enthüllt dem Betrachter die Taubenschar, die den Spiegel umkreist. Die Lichtverhältnisse in der Ringpassage sind zwar alles andere als optimal, aber der Effekt ist immer wieder verblüffend.
Insgesamt erstreckt sich das Deckengemälde in dem schmalen Durchgang zwischen Ringen und Friesenwall über 200 Quadratmeter. Jenseits der Tauben sind verschiedene Landschaftselemente zu entdecken: sphärische Wolken-, Wasser-, Wald- und Wiesenflächen, zumeist jedoch eher konturlos und lediglich farblich angedeutet. Das 1980 geschaffenen Werk von Peter Möbus und Klaus Weidner überdacht seit Anfang 2009 eine komplett neue Verkaufslandschaft. Die Ringpassage wurde renoviert, vom Boden bis hin zu den Schaufenstern der kleinen Modeläden, Cafés und Antiquariate, die hier angesiedelt sind.


Infos

Adresse: Hohenzollernring 16-18 bzw. Friesenwall 13-17
ÖPNV: Bahn 1, 7, 12, 15, Haltestelle Rudolfplatz
Tipp: Historisch interessant ist das kleine Haus am Friesenwall 47a, in dessen Giebel noch der Balken für den ehemaligen Lastenaufzug steckt.



Bernd Imgrund: 111 Kölner Orte, die man gesehen haben muss, Emons Verlag, Köln 2009, 12,90 Euro. Mit Fotografien von Britta Schmitz.


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Mittwoch, 26. August 2009

Straßenkämpfer (7)

Der kleine Mann

Eine Stimme, hinter mir, auf dem Fußballplatz: „Am Ende zahlt das doch wieder alles der kleine Mann!“
„Das sowieso“, murmelt eine andere.

Ob Stadion oder Stammtisch, in Deutschland läuft kein Glas Bier voll, ohne dass irgendwer das Lied vom kleinen Mann singt. Wie eine Hymne, oder eine Litanei aus der Kirche: „Danke – Für meine Arbeitsstelle/ Danke – Ich bin ein kleiner Mann/ Danke – Oh Herr ich will dir danken, dass ich danken kann.“ Und auf der anderen Seite gibt es „Die da oben“. Das sind die mächtigen Feinde des kleinen Mannes.
„Das könnte denen da oben so passen.“
„Was will der kleine Mann schon tun.“
„Die da oben machen doch sowieso, was sie wollen.“
„Und ausbaden muss es dann der kleine Mann.“
„Die da oben lachen sich ins Fäustchen.“
„Der kleine Mann zahlt halt immer drauf.“
So ähnlich laufen diese Gespräche jedes Mal, egal, ob es um die Erhöhung der Benzinpreise oder zu dünnes Klopapier geht. Allerdings hört man niemanden je sagen: die kleinen Männer. Offensichtlich gibt es den kleinen Mann nicht in der Mehrzahl. Er steht immer allein. „Die da oben“ hingegen, das sind viele. Die halten zusammen, damit der kleine Mann ja nicht größer wird.
Der kleine Mann trägt einen Helm, weil er von denen da oben tagtäglich was auf den Deckel bekommt. So bleibt er klein, kann aber weiter arbeiten. Grau ist sein Helm, und von dem ganzen Staub, den der kleine Mann gefressen hat, ist auch sein Gesicht ganz grau geworden. Er trägt formlose graublaue Arbeitsklamotten, damit der Dreck nicht so auffällt, der an ihm haftet. Der kleine Mann ist eine graue Maus. Eine kleine graue Maus.
In seltsamem Kontrast zu dieser Selbsteinschätzung steht der heilige Zorn, mit dem der kleine Mann seine Klagen vorträgt. Wenn es nämlich um „die da oben“ geht, ist jeder kleine Mann immer zugleich der Größte.
Die da oben sind die Bösen, der kleine Mann hingegen ist gut. Der hat gar keine Zeit, böse zu sein. Der malocht, und danach ist er viel zu erschöpft, um was Böses zu tun. Da legt er sich aufs Sofa und streckt die Beine aus. Aber wer will denn schon sein Leben lang ein kleiner Mann sein?
Oskar Matzerath, der war so einer. Hatte sich freiwillig in den Keller gestürzt, damit er nicht wachsen musste.
Streiks gibt es nur in Frankreich, da langen sie richtig zu. Und warum kann der deutsche kleine Mann sowas nicht auch? Weil er, aus irgendeinem historischen Grund, noch viel kleiner ist als der französische kleine Mann. Weil er so klein ist, dass man ihn selbst dann übersieht, wenn er auf die Barrikaden geht.
Wenn der deutsche kleine Mann streiken soll, steckt man ihn in ein leuchtfarbenes Leibchen und drückt ihm eine Trillerpfeife unter den Schnäuzer. Aber der kleine Mann von der Straße scheint sich auf selbiger gar nicht recht wohl zu fühlen. Schnellen Schritts bringt er den Marsch hinter sich, wie den Weg zwischen Werkstatt und Kantine, wenn es ans Fressen geht. Wenn man ihm eine Kamera vor die Nase hält, beginnt er zu stottern. Mit scheuen Stolz latscht er hinter seinem Banner her, und ab und und an schickt wohl auch mal einer einen Fluch gen Himmel. Auf der Abschlusskundgebung steigt dann irgendein Fettsack vom DGB aufs Podium, schimpft großmäulig auf die da oben und holt sich seinen Applaus ab. Und danach geht der kleine Mann erleichtert nach Hause, oder in die Wirtschaft. Da ist er dann wieder der Größte.

Ich drehe mich um. Der Mann hinter mir trägt keinen Schnäuzer. Aber viel größer als 1,60 ist er auch nicht.



Die Passage ist so ähnlich zu lesen in: Bernd Imgrund: Quinn Kuul, Roman, Verlag Haffmans bei Zweitausendeins.

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Mittwoch, 19. August 2009

Fränki (2)

Wählen gehen

Ist ja wohl vollkommen logo, dass ich nich wählen gehe. Ich glaub, wählen gehen ist das Bescheuertste, was man überhaupt machen kann. „Wer wählt, lebt verkehrt“, das haben ja schon die alten Hippies immer gesagt.
Oder so ähnlich, aber vernünftig reimen konnten die selbstgehäkelten Spacken ja sowieso nich. Ich hasse die. Genau wie Politiker und so, und deshalb wähle ich auch keinen von denen.
Wählen ist imgrunde wie Müsli kaufen. Da denkt man sich: Klar, ab morgen leb ich gesünder! Da tu ich was Gutes für mich und kauf mir n scheiß Müsli. Und immer wenn ich Hunger hab, fress ich nur noch Müsli. Adé Currywurst, und auch der Dönerkümmel wird arm, weil ich geh nich mehr dem seine fettige Pampe essen.
Und am besten eben noch sonen weißen Joghurt dazu. Da könnt ich normal schon schreien, wenn ich den nur in sonem Einkaufswagen sehe. Also irgendson scheiß Vollkornmüsli mit rechtsgedrehten Kichererbsen oder so, und dazu n weißer Joghurt. Aber dann kriegt man halt sonen Anfall und kauft sich das mal, so á la, hey, klasse, Magerstufe tralala, is voll gut für die Plautze.
Und dann steht der Mist zuhause bei einem rum. Jedesmal, wenn du den Kühlschrank aufmachst, steht da der blöde Joghurt. Und eigentlich wolltest du dir nur ne Büchse Bier ausm Gemüsefach greifen, aber dann kuckt dich da der Joghurt an und sagt: „Fränki, du Loser, du wolltest doch jetzt mal gesünder essen und so.“
Und oben im Regal eben die Müslipackung. Vitamine, Kohlehydrate, und logo auch: Cerealien.
Schon dieses beknackte Wort: Cerealien!
Das ist der absolute Tiefpunkt von aller menschlichen Intelligenz. Dass die Werbefuzzis es geschafft haben, dass meine vollverspackten Mitbürger son Wort in den Mund nehmen: Cerealien. Ich würd eher sterben, als mir sowas auflabern zu lassen. Lieber den finalen Dönerhappen als auch nur eine einzige scheiß Cerealie.
Und genauso ist das eben auch mit dem Wählen. Sagen dir alle: Damit tust du was Gutes! Damit tust du letztlich auch dir selber was Gutes, weil dann ja deine Lieblingspartei gewinnt. Und die tun dann deine Steuern senken. Oder wenigstens, dass die einem mal einen ausgeben. Oder dass vielleicht am allerbesten mal einer sein Fett wegkriegt, ders richtig verdient hat. Also mein Chef oder so, oder der Spackenwirt vom scheiß Kosmos, der mir immer mindestens fünf Bier zuviel abrechnet. Dass die Politiker denen einfach die Arbeit wegnehmen, so: Hey, du Spacken, du hast dem Fränki immer den Deckel vollgekritzelt, du kommst jetzt innen Knast.
Aber nix da. Du kannst wählen, wen du willst, für dich persönlich ändert sich absolut nada.
Und deswegen kauf ich eben auch kein Müsli. Dem kuckt man dann sowieso nur beim Vertrocknen zu. Wie so jeden Tag n paar Millionen von den blöden Cerealien verrecken. Und im Kühlschrank, der Joghurtbecher: Nach paar Monaten hebt sich langsam der Deckel, weil der Schimmel keinen Platz mehr hat in dem ganzen weißen Gemansche. Und dann ab innen Mülleimer, zu den Bierbüchsen. Bye Bye Joghurt, bye bye ihr armen kleinen Cerealien.
Kriegt man voll den Durst von, von soner Nachdenkerei. Dabei sauf ich eh schon genug. Kommt halt einfach nix Vernünftiges bei rum, ob jetzt beim Wählen oder Müsli kaufen oder so.
Mach ich nich.


Bei den Fränki-Posts handelt es sich um die Fortschreibung des gleichnamigen Romans, s. www.emons-verlag.de

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Mittwoch, 12. August 2009

Coloniales (21)

Das Relief am Sachsenring

Die Kölner Stadtmauer wurde nie über-, aber einmal unterwunden. Davon zeugt ein Denkmalrelief am Sachsenring, an dem sich der größte erhaltene Rest der mittelalterlichen Stadtmauer entlangzieht.
Die blutigen Kämpfe, von denen hier berichtet wird, ereigneten sich im Jahr 1268. Zwanzig Jahre zuvor war der Grundstein des neuen Doms gelegt worden, zwanzig Jahre später sollte es zur großen Schlacht von Worringen kommen. Aber schon seit den frühen 1260er Jahren gärte der Konflikt zwischen dem Klerus und der städtischen Führungsschicht. Erzbischof Engelbert von Falkenburg hatte 1262 die gerade errichteten Stadtmauertürme am Rhein besetzt, den Bayen- im Süden und den Kunibertsturm im Norden. Zwar konnte er von der Kölner Bürgerschaft nach hartem Kampf vertrieben werden, aber 1268 witterte er eine neue Chance. Zwistigkeiten unter den Kölner Patrizierfamilien nutzte Engelbert zu einer schlagkräftigen Koalition mit einer der Parteien, die ihm die Macht über die Stadt zurückerobern sollte.
Angeblich war es ein verräterischer Schuster, der einen Tunnel unter der Stadtmauer nahe der Ulrepforte anlegte. Und laut dem historischen Stadtschreiber Gottfried Hagen seien am 12. Oktober 1268 rund 5.000 Bewaffnete unter Führung des Limburger Herzogs Adolf V. hier eingedrungen. Die Kölner jedoch setzten sich wiederum zur Wehr, diesmal unter der Befehlsgewalt der neuen mächtigsten Sippe der Stadt, den Overstolzen.
Der Widerstand war erfolgreich, die Eindringlinge wurden zurückgeschlagen, viele von ihnen getötet. Noch im Jahr 1360 blickte man städtischerseits voller Stolz auf diese „Schlacht an der Ulrepforte“, wie sie bald genannt wurde, zurück. Damals nämlich ließ der Rat jenes Relief anbringen, das bis heute nahe dem nördlichen Turm am Sachsenring zu besichtigen ist. Möglicherweise handelt es sich dabei um Deutschlands ältestes an ein historisches Ereignis erinnerndes Denkmal. Und mit ziemlicher Sicherheit ist ihm der Erhalt dieses repräsentativen Abschnitts der mittelalterlichen Stadtmauer zu verdanken.

P.S.: In der Rheingasse nahe dem Heumarkt zeugt das Overstolzen-Haus, letzter erhaltener Profanbau der Romanik, von der Macht des historischen Patriziergeschlechts.


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Freitag, 24. Juli 2009

Coloniales (20)

Die Märchensiedlung

Dass sich die Straßennamen dieses Viertels zwischen Neufelder und Bergisch-Gladbacher Straße an deutschen Märchen orientieren, wirkt einleuchtend. Rapunzelige Häuser stehen zwischen viel Grün, und im Süden fließt mit der Strunde auch noch ein kleiner Bach vorbei. Wie etwa auch in der Gremberghovener Eisenbahnersiedlung wurde in Holweide der aus England stammenden Idee der Gartenstadt gehuldigt. Die Arbeiterfamilien des Ballungszentrums sollten weiter draußen im Grünen mit mehr Raum, mehr Licht und besserer Luft versorgt worden. Große Gärten sollten zudem den Anbau von Obst und Gemüse ermöglichen, mithin von billigen und gesunden Lebensmitteln. Im Gegensatz zu den meisten Innenstadtwohnungen waren die Häuser zudem mit eigenen Toiletten ausgestattet. Geheizt wurde mittels eines Kachelofens, der über ein Heißluftsystem sämtliche Zimmer erwärmte.
Die Märchensiedlung entstand ab den 1920er Jahren auf Initiative der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Wohnungsbau (GAG). Den Architektenauftrag bekamen Manfred Faber und der in Köln überaus umtriebige Wilhelm Riphahn. Er zeichnet für zahlreiche Siedlungen wie die Weiße Stadt in Buchheim, aber auch für Repräsentationsbauten wie das Opernhaus verantwortlich.
Eigentlich dominierten hier zwei Haustypen: Zwischen größeren Bauten mit herabgezogenen Dächern an den Zeilenenden standen etwas schlichtere Häuser. Auffällig dabei die klare Anordnung der jeweils vier gleich großen Fenster. Die Homogenität der Bebauung hat im Laufe der Zeit gelitten, aber viele Bewohner haben mit Hilfe alter Fotos bereits Korrekturen vorgenommen. Sehr ursprünglich wirkt etwa der Weg vom Rapunzelgässchen über den Rotkäppchenweg in die Siebenrabengasse. Nebenbei erkennt man dabei auch, woran die Architekten bei aller Weitsicht nicht gedacht haben: Die engen, kopfsteinbepflasterten Wege lassen kaum Raum für Autos.


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Momentaufnahmen (4)

Gläserne Trinkhörner

Kneipe, Nordstadt
Der Mann schläft seit gut einer Stunde mit dem Kopf auf dem Tresen und wacht nun kurz auf: „Ich war aufm letzten Konzert von Rory Gallagher“, murmelt er wie im Traum.
Dann schläft er wieder ein.

Kneipe, Nordstadt
Zwei junge Kulturschaffende unterhalten sich:
Kulturschaffender 1: „Der Quander, der will eigentlich´n Künstler sein, das is doch klar. Das is son unglücklicher Verwaltungsfuzzi, der gern Opern inszenieren würde.“
Kulturschaffender 2: „Klar, voll das Arschloch, der Typ. In Köln hat der doch komplett verkackt, der hat doch absolut nix vorangebracht.“
K 1: „Nee, nix. Konsequent wäre, der würde erstmal hier kündigen und sich dann nen neuen Job suchen. Aber die feige Nummer hat Angst, dass die den sonst nirgendwo nehmen.“
K 2: „Genau, keine Eier, das sind halt alles so Säcke, da könnt´s du kotzen. Und weißt du, was das Schlimmste an dem is?“
K 1: „Was denn?“
K 2: „Der Mittelscheitel.“
K 1: „Genau. Wie der Daum.“
K 2 (lacht): Genau, aber der is immerhin freiwillig abgehauen, die alte Koksnase.“
K 1: „Apropos.“
K 2: „Nee, ich hab nix.“

Kneipe, Nordstadt

Ein ansonsten guter Trinker kommt herein und bestellt zwei Bionaden. Fragt der Kellner:
„Hast du irgendeine geschmackliche Präferenz?“
Darauf einer der Thekenhänger:
„Gib ihm Knoblauch-Nuss.“

Kneipe, Nordstadt
Protokoll einer Anzeige wegen Beleidigung und Übler Nachrede:
„Ich verkehre seit 10 Jahren in der Gaststätte „D“. Der Tatverdächtige ist dort Kellner, er trägt den Spitznamen „XY“. Zur Tatzeit hat er behauptet, dass ich ein Zechpreller sei. Das stimmt aber nicht. Diese Behauptung hat er in Anwesenheit anderer ausgesprochen. Darunter war auch der Zeuge „YZ“, den ich gut kenne. Desweiteren hat der Tatverdächtige ´Du kleines, rotes, schwules Rotkäppchen´ zu mir gesagt.“

Kneipe, Nordstadt

Der Mann schläft seit gut anderthalb Stunden mit dem Kopf auf dem Tresen und wacht nun kurz auf: „Und weißt du, was aus Köln kam und im 3. Jahrhundert nach Christus der letzte Schrei war?“
Kellner: „Nein.“
Mann: „Gläserne Trinkhörner. Glä-ser-ne Trinkhörner!“
Dann schläft er wieder ein.


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Mittwoch, 22. Juli 2009

Thekentänzer (16)

Beige Jacke, rote Tasche, schwarze Stiefel

Halb 8, ich fege die Scherben der letzten Nacht zusammen. Gerade hat es geregnet, der Laden dämmert in fahlem Braun. Am Gitter vor dem Fenster taucht ein Gast von gestern auf und entriegelt sein Fahrrad. Auf dem Flipper liegt ein halbierter Bierdeckel: „Peter“ ..., und dann ein Nachname samt Telefonnummer. Und unter einem der Stehtische hockt etwas Großes, Schwarzes.
Ein Tier, geht es mir durch den Kopf. Aber als ich mich bücke, halte ich zwei Frauenstiefel in der Hand. Fast neu, gutes Leder. Und direkt daneben ein paar Strümpfe. Interessant!
Eine Viertelstunde später klingelt das Telefon. Ob ich vielleicht eine beige Jacke und eine rote Tasche gefunden hätte, fragt die Frau. Ich gehe in die kleine Küche, und am Haken hängen: beige Jacke und rote Tasche.
„Ist ja toll“, sagt die Frau mit der angenehmen, leicht rauchigen Stimme. „Und steckt womöglich die Kamera noch in der Tasche?“ – Sie steckt.
Die Frau ist erleichtert, begeistert, in fünf Minuten will sie da sein.
Und fünf Minuten später betritt sie auch den Raum: Mitte 30, hübsch, braune Haare, Seitenscheitel.
„Ich hoffe, das wird mir eine Lehre sein“, sagt sie zur Begrüßung.
Ich hole ihre Sachen, sie zieht die Jacke an. Sogar das Portemonnaie steckt noch darin.
„Wahrscheinlich war ich so spät, dass gar keiner mehr was klauen konnte“, sagt sie.
„Wie lange warst du denn hier?“ frage ich.
„Weiß ich nicht.“
Als sie zur Tür geht, sehe ich, dass sie Flipflops an den nackten Füßen trägt. Eigentlich zu kühl für diesen Tag.
„Sag mal, bist du dir sicher, dass du den Laden mit Schuhen verlassen hast?“
Die Frau dreht sich noch einmal um und sendet einen Augenaufschlag.
„Dann sind das doch bestimmt deine Stiefel da“, sage ich.
Die Frau blickt in die Richtung meines Zeigefingers. „Ja“, sagt sie dann und setzt sich – so ein bisschen schüchtern, so ein bisschen ertappt, so ein bisschen resigniert – auf die Fensterbank.
Und während sie sich den ersten Strumpf über den Fuß streift, schiebt sie nach: „Ich hab´ mich einfach nicht getraut, nach denen auch noch zu fragen.“


P.S.: Alle Männer, denen ich diese Geschichte erzählt habe, haben spontan gelacht. Und danach, das sah man ihnen an, haben sie sich so manches überlegt.

P.P.S.: Ja, die Fußnägel der Frau waren lackiert. Schwarz.


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Mittwoch, 15. Juli 2009

Momentaufnahmen (3)

Dann lieb die doch platonisch!

Klamottenladen, Schildergasse
Ein Nordafrikaner um die 30 erklärt seinem Kumpel die feine Kunst der Schuldeneintreibung:
„Gibt im Prinzip nur drei Möglichkeiten. Erstens, du gibst mir die Kohle, Cash und sofort. Zweitens, du hast zackzack nen Anwalt am Arsch.“
„Und drittens?“
„Und drittens eben, ich lass mir jeden Tag nen Finger von dir bringen.“

Domdach
Während einer Führung bestaunt eine Dauerwellenfrau die hohen Fenster. Dann meldet sie sich, hebt also den Arm, schnipst sogar ein bisschen und wendet sich an die Führerin:
„Werden die eigentlich jemals geputzt?“

Vor der Stadtbücherei, Neumarkt
Zwei Männer mit Bierflaschen stehen vor meinem Motorrad:
Trinker 1: „Happichs nich gesagt, das is der Typ.“
Trinker 2: „Na toll, der hat ja auch nen Helm in der Hand.“
Trinker 1: Sachma, Kollege, von wann is denn die Maschine?“
Ich: „Von 1978.“
Trinker 1: „Happichs nich gesagt, und wieviel Kubik hat die?“
Trinker 2: „800, is doch klar.“
Trinker 1: „Du Blöd, du hast auf das Schild gekuckt, du Blöd, abasachma, Kollege, wieviel PS hat die eigentlich?“
Ich: „55.“
Trinker 1: „Happichs nich gesagt, ich happ 50 geschätzt, war doch verdammt nah dran. Weiße, mein Freund hier, der is Afghane, der kennt sowas alles nich. Aba jetz sachma, Kollege, dat mit den 3.000 Kilometern aufm Tacho, dat stimmt aba nich, stimmts?“
Ich: „Nein, der ist einmal durch inzwischen.“
Trinker 1, seinen Freund triumphierend fixierend: „Na, happichs nich gesagt, du alter Afghane, du.“

Deutscher Problemfilm, 3. Programm
Ein Mann (Lehrer, Sozi) ist darüber bestürzt, dass seine Frau (Lehrerin, an der selben Schule) ihm in dreißig Ehejahren so manches verschwiegen hat. Auch zweifelt er zusehends an ihrer Zuneigung. In einer Schlüsselszene schleudert sie ihm dann die bittere Wahrheit an den Kopf:
„Wie kann man jemanden lieben, der sich am Telefon immer noch mit ´Hür üst dör Hörbört´ meldet!“

Kneipe, Nordstadt
Eine Frau tröstet einen unglücklichen Mann:
Frau: „Aber du bist doch verknallt in die.“
Mann: „Ja, aber auch wieder nicht.“
Frau: „Oder wie wär´s, dann lieb die doch platonisch.“
Mann: „Würd ich ja. Aber die trinkt ja nix.“

Archäologische Zone, Rathausplatz
Auf der Pressekonferenz wird OB Schramma gefragt, ob er davon ausgehe, dass die Bebauung des Rathausplatzes wie geplant 2012 abgeschlossen sei.
„Ja, davon gehe ich aus“, sagt Fritz Schramma, „aber es wird wahrscheinlich Ende 2012 werden.“
Niemand lacht.



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Mittwoch, 8. Juli 2009

Coloniales (19)

Das Grab vom Lehrer Welsch, oder: Die Kayjass war in Kalk

Es waren die Straßengruppe „Drei Laachduve“, die zur Session 1937/38 das Lied von der „steinahl Schull“ in die Welt setzte, in der „dreimol Null es Null es Null“. Der Lehrer, der solches angeblich lehrte, Heinrich Welsch nämlich, war damals schon seit drei Jahren tot.
Dass der Mann solchermaßen zu Nachruhm kam, hat er unbedingt verdient. Wobei zunächst einmal sein Wirkungsort korrigiert werden muss: Welsch arbeitete nicht in der Kaygasse am Griechenmarkt, sondern im rechtsrheinischen Kalk. Der 1848 geborene Welsch entstammte einer Bauernfamilie aus der Nähe von Meckenheim, seine Lehrer waren katholische Geistliche. Erste Erfahrungen als Pädagoge machte er in Koblenz, wo er ein Pensionat für Waisenkinder leitete. Nach Anstellungen in Worringen und Sülz war er 1881 nach Kalk gekommen, wo er das Elend der Arbeiterkinder – Armut, ungesunde Ernährung, fehlende Bildung – kennenlernte. 1905 gründete er hier die erste Hilfsschule, vier Jahre später stand bereits eine Erweiterung an. Welsch, so wird berichtet, sorgte sich nicht nur um den Schulunterricht seiner Eleven, sondern auch um ihre sozialen Verhältnisse. So soll er sich beispielsweise für junge, unverheiratete Mütter eingesetzt haben, die wegen ihres „Fehltritts“ gesellschaftlich ausgegrenzt wurden. Welsch schied 1914 aus dem Schuldienst aus und starb 1935.
Sein Grabmal auf dem Kalker Friedhof besteht aus einer planen, von zwei kleinen Stelen gefassten Platte. „Hier ruhen der Lehrer Heinrich Welsch und seine Ehefrau Katharina Welsch“, steht darauf. Es handelt sich um ein schlichtes Reihengrab, nichts deutet darauf hin, dass hier der Held eines der berühmtesten kölschen Lieder liegt. Seinen Namen trägt inzwischen allerdings eine Kölner Lehranstalt, die Rheinische Förderschule für Sprachbehinderte in Flittard.



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Mittwoch, 1. Juli 2009

Coloniales (18)

Der Weiße Mönch

Bildstöcke stehen zumeist an Wegkreuzungen und ähneln einem Tabernakel. Hinter einem Gitter, in einer Nische steht das Bildnis von Christus oder einem Heiligen, der diesen Ort beschützen soll. Nicht selten gemahnen sie auch an ein Verbrechen, das an dieser Stelle stattfand.
Im Westen von Dünnwald, am Beginn der Prämonstratenserstraße, weiß man von keinem Verbrechen, aber von einem blutigen Kampf. Hier soll im Jahr 1250 ein Streit zwischen Köln und dem Grafen Adolf IV. ausgetragen worden sein. Den 50 gefallenen Kölnern zu Ehren habe man sodann dieses Denkmal errichtet. Darüber hinaus ranken sich mehrere schaurige Erzählungen um den Ort. Am bekanntesten ist die des Heidengeistes, der sich hier herumtrieb, um Vorbeikommende vom Glauben abzubringen, indem er ihnen frevlerische Worte zuflüsterte. Wer jedoch fromm den Hut zog, den ließ der Kobold unbehelligt.
Gesichert ist demgegenüber die Identität jenes Heiligen, dem der heutige Bildstock gewidmet ist: Norbert von Xanten (1080-1134), Gründer des Prämonstratenserordens. 1143 kam dann auch das Dünnwalder Kloster in die Hand dieser Mönche. Heutzutage firmiert es unter dem Namen St. Nikolaus und ist die größte und schönste romanische Kirche im Rechtsrheinischen.
Weil Norbert und seine Anhänger weiße Gewänder trugen, gilt er auch als der erste „Weiße Mönch“. Sein Bildnis in Form eines geschnitzten Holzreliefs stammt aus dem Jahr 1952 und wurde von einem Dellbrücker Holzbildhauer geschaffen. Zur Zeit ist es jedoch nicht an seinem Platz. Die einen sagen, es werde wie demnächst der gesamte Bildstock von ehrenamtlich arbeitenden Handwerkern der Umgegend restauriert. Die anderen behaupten, Norberts Schnitzerei sei geklaut worden.
Sonderlich beliebt war er im übrigen nicht, der Norbert von Xanten. Als Ordensgründer predigte er strengste Askese, und später als Magdeburger Erzbischof verdonnerte er auch die einfachsten Priester zum – damals noch nicht so strikt gehandhabten – Zölibat.



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Montag, 22. Juni 2009

Thekentänzer (15)

Die Nuschel

Es ist kurz nach 8, und die beiden Typen wirken noch reichlich verstrahlt vom Vorabend. Er könne sich bis zum Weinhaus Vogel noch an alles erinnern, sagt der Rothaarige.
„Und vom Kölschen Boor weißt du nichts mehr?“ fragt sein Kumpel, der sich als Hannes vorgestellt hat. Sein Resthaar ist grau, oder wie man heute sagt: melatenblond.
Der Fussige sieht ihn auf eine sehr müde Art erstaunt an. Dann schüttelt er langsam den Kopf.
„Und wie wir in der Torburg gegen die Mauer gepinkelt haben und die Bullen kamen, und wo du denen dann ...“
„Halt´s Maul“, sagt der Fussige. Er heißt Franz, und da kommt er auch her.
Zwei Schnäpse lang schweigen sie, dann scheint Franz wieder zu alter Frische zu finden.
„In Füssen am Geldautomaten hab ich letztens einen getroffen“, hebt er an. „Zahnarzt war der, der isst nur noch Fleisch.“
„Den ganzen Tag?“
„Nur noch Fleisch, der will beweisen, dass der Mensch ein Fleischfresser ist.“
„Kann ich dem seine Adresse mal haben?“ bringt sich nun der dritte Gast ein. Er hat bislang geschwiegen und geraucht, zu seinen Füßen steht eine große bunte Einkaufstasche.
„Ich sag doch: am Geldautomaten! Was weiß denn ich, wie der Arsch heißt“, sagt Franz.
Der dritte Gast hat sich seinen Deckel auf den Namen Jean machen lassen: „Ja, weil ich nämlich Vegetarier bin.“
„Ach so“, sagt der Franz, während Jean in seiner Tüte kramt. Kurz darauf verlangt er nach einer Schere und öffnet einen Beutel mit einer bräunlich wabernden Asiasoße. Alle müssen probieren, ich auch. Das Zeug schmeckt scheußlich, aber zum Glück steht gerade vor jedem ein fast volles Bier.
„Treffen sich zwei teuer gekleidete Schicksen“, beginnt Hannes einen Witz. „Sagt die eine: Von Prada krieg ich immer Blasen.“
„Den kenn ich“, sagt Jean.
„Sagt die andere: Komisch, bei mir is das genau umgekehrt.“
Jean lacht trotzdem, wird dann aber plötzlich todernst: „Auf der Aachener Straße waren vor Jahren alle Hausdächer undicht. Da ist also Wasser eingedrungen und in der Folge bekamen alle Mauern Risse. Und die Hausbesitzer haben die Risse nur so halbherzig zuspachteln lassen. Und weil Köln ja Erdbebengebiet ist, werden die Fassaden von der Aachener eines Tages alle wie so Kartenhäuser zusammenklappen.“
„So´n Scheiß“, sagt Franz, „du bist ja voll der Psycho, wa!“
Hannes bestellt vier Saure, was zum jetzigen Zeitpunkt eine komplette Lokalrunde bedeutet. „Auf die Aachener“, sagt er, und dann: „Was liegt am Strand und man versteht es kaum?“
Und als er den für eine Scherzfrage angemessenen Moment der Stille hat verstreichen lassen, schreit er: „Ne Nuschel!“
Er legt den Kopf auf die Unterarme, stirbt fast vor Lachen, kommt nochmal hoch: „Ne Nuschel, glaubst du das? Ne Nuschel!“
„Is ja gut.“ Franz klopft ihm auf den Rücken. „Aber apropos Nuschel: Weißt du, weshalb Fleisch gar nicht so ungesund sein kann?“
Der Vegetarier verzieht sein Gesicht, spitzt aber die Ohren.
„Weil es keine fetten Tiger gibt“, sagt Franz.



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Mittwoch, 17. Juni 2009

Fränki (1)

Bifis und Nüsschen

Der Kümmel nebenan hat jetzt auch Softeis. Sone riesen Maschine, hat der direkt aufn Gehweg gestellt. Hundert pro hat der da keine Genehmigung für, aber was heißt schon Ordnungsamt auf Türkisch. Ürdnüngsümt oder so, is klar.
Aber auf jeden Fall kann man da jetzt Softeis kriegen, und in der scheiß Kneipe hier gibts immernoch nur Nüsschen und Bifis.
Wobei man natürlich sagen muss: Bifis sind echt lecker. Und wer will schon morgens um 5 ein Softeis.
Andererseits ist ja bei den Bifis das große Problem, dass jedes von denen anders schmeckt. Das is so, als wär eben jedes von diesen verkackten Salamiwürstchen vonnem anderen Schwein, und das Schwein hat sich wieder von was ganz anderem ernährt als das davor, und deshalb kommen bei dem auch ganz andere Bifis raus.
Wenn man zum Beispiel, sagen wir mal so um 3 oder so, voll Hunger kriegt und sich son Bifi bestellt. Dann ist das der absolute Hammer, sowas Leckeres hat man sein ganzes Leben nicht gegessen. Nur dass die Teile eben nicht besonders lang sind, höchstens so 14 Zentimeter oder so. Und dann hat man logo Hunger auf ein zweites.
Und dann reißt man da wieder den kleinen Spalt von der Aluverpackung auf. Und dann drückt man das Teil so voll gierig aus seiner Zellophanhülle raus. Und dann haut man die Zähne da rein und stellt fest: Das schmeckt nicht mehr ganz so gut wie das erste.
Aber klar, satt is man natürlich trotzdem noch nicht. Und logo könnte man sich jetzt mal zur Abwechslung ne Packung Ültjes bestellen. Abwechslung is ja immer gut, und Nüsschen wär sowas wien zweiter Gang, so fast schon menümäßig und so.
Aber macht man nicht.
Weil man voll gierig auf diesen verdammten Salamistengel ist.
Und weil da wahrscheinlich irgendwelche miesen Stoffe drin sind, die einen süchtig machen.
Und dann schiebt man sich das dritte Bifi rein und das schmeckt voll kotze.
Drei Bifis hintereinander, das geht einfach nicht. Das is so wie drei Softeis hintereinander. Da hat dann nur der Kümmel was von, weil einem schlecht is danach.
Sowas müsste mal in diesen scheiß Beratungsspalten von den Zeitungen stehen:

Liebe Frau Barbara,

immer wenn ich beim Saufen nachts totalen Kohldampf kriege und dann nach dem zweiten Bifi noch ein drittes esse, wird mir kotzübel. Haben Sie dafür eine Lösung? Da wär ich Ihnen aber schon im Voraus voll dankbar für.

Mit besten Grüßen,

Ihr Fränki Kattwinkel


Und klar, in der nächsten Ausgabe von dem Spackenblatt steht dann die Antwort:


Lieber Fränki,

dein Problem teilst du mit tausenden anderen Freunden der Gastronomie. Wie wäre es denn, wenn du einfach mal einen Abend zuhause bleiben würdest? Oder sagen wir, dass du dir mal n paar Butterbrote machst, bevor du ausgehst? Wobei, ich verstehe schon, dass das manchmal einfach nicht passt, weil man eben erst später Hunger kriegt. Wegen dem ganzen Bier und so. Und deshalb rate ich Euch, lieber Fränki und liebe andere Fränkis unseres Landes, ich rate euch: Lutscht einfach zwischendurch mal einzweidrei Softeis vom Kümmel nebenan, und der Hunger ist gestillt.

Herzlichst,

Eure Frau Barbara


Tja, und dann müsste ich rauskriegen, wer diese Frau Barbara is und müsste die mal ordentlich vermöbeln. Alles nur Arbeit, und außerdem geht der verdammte Hunger von soner Denkerei natürlich kein bisschen weg. Ich schätze, ich bestell mir erstmal ne Packung Nüsschen. Oder zwei. Wobei, Nüsschenpackungen aufmachen is natürlich erst recht der Horror.

Also am besten direkt so Nägel mit Köpfen: Ich hätt gern zweimal Nüsschen und zwei Bifis, du Spacken, aber die Nüsschenpackungen machst du mir vorher auf!



Bei den Fränki-Posts handelt es sich um die Fortschreibung des gleichnamigen Romans, s. www.emons-verlag.de
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Mittwoch, 10. Juni 2009

Coloniales (17)

Das Rubenshaus

Das Haus in der Sternengasse 10: ein roter Klinkerbau, vollkommen unspektakulär. An der Mauer vor dem Eingang jedoch: ein reliefartiges Denkmal, das offenbar Eindruck schinden soll. Was ist, besser: Was war hier einst los?
Ganz einfach: Hier lebte früher einer der berühmtesten Maler der Welt, nämlich Peter Paul Rubens. Zu seiner Kölner Zeit jedoch, das muss man dazusagen, war er noch ein Kind. 1577 geboren, wohnte er hier bis zu seinem 11. Lebensjahr. Das aus Bronze und Marmor gefertigte Denkmal zeigt ihn hingegen als Malerfürsten: mit wilder Pose und wehendem Mantel mehrere Pinsel und eine Farbpalette ausbalancierend.
Ursprünglich stammte die Familie aus Antwerpen, wohin sie nach dem Tod des Vaters 1587 auch wieder zurückkehrte. Während seiner Kölner Zeit entwickelte Rubens eine enge Bindung an die Peterskirche in der nahen Jabachstraße. Hier wurde er getauft, hier liegt sein Vater begraben. Und 1638, inmitten des Dreißigjährigen Religionskrieges und kurz vor seinem Tod, schuf er die Kreuzigung Petri*. Das beeindruckende Gemälde ziert seitdem den Hauptaltar der Kirche.
Auch späterhin war das Rubenshaus immer wieder Schauplatz historisch bedeutsamer Ereignisse. Am 3. Juni 1642 starb hier Maria von Medici**, französische Königin, die bei der befreundeten Familie Rubens Zuflucht gesucht hatte. 1883 eröffnete Hermann Päffgen in diesen Mauern sein erstes Brauhaus. Und von 1926 bis 1938 war die Sternengasse Nr. 10 Spielstätte einer kölschen Institution, des Hänneschen-Theaters nämlich.
Kurioserweise rankt sich um die Sternengasse auch eine Briefpost-Tradition. 1578, der kleine Peter Paul war gerade ein Jahr alt, wurde Jacob Henot***, wohnhaft in der Sternengasse, zum ersten Kölner Postmeister ernannt. Das Bürogebäude Sternengasse 1 gehört bis heute der Post AG, während der Neubau Nr. 10 auf dem Gelände des ehemaligen Rubenshauses als Fernmeldeamt 2 der Deutschen Telekom fungiert.

* Die Kirche St. Peter mit Rubens´ Gemälde von der „Kreuzigung Petri“ findet sich in der Jabachstraße 1, geöffnet Di-Sa 11-17, So 13-17 Uhr.
** Das Herz der Maria von Medici wird im Dom hinter dem Dreikönigsschrein aufbewahrt.
*** Jacob Henots Tochter Katharina wurde ein Opfer der Kölner Hexenprozesse, man verbrannte sie am 19. Mai 1627 auf Melaten. Heutzutage sind eine Straße und eine Schule nach ihr benannt, am Rathausturm wurde sie figürlich verewigt.



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Mittwoch, 3. Juni 2009

Thekentänzer (14)

Von einer, die auszog, kein einziges Bier zu bezahlen

Wie die sich schon aufbaut, kaum dass sie den Barhocker erobert hat. Legt auf die Theke: ein total zerfleddertes Päckchen Tabak, das wahrscheinlich irgendwer irgendwo vergessen hat, wo es starken Umwelteinflüssen ausgesetzt war; ein angefressenes Feuerzeug, mit dem mindestens zweitausend Flaschen Bier geöffnet worden sind; eine relativ neue Tüte mit Minifiltern und einen kleinen, irritierenden Handspiegel.
Und natürlich sieht sie gut aus. Groß, mindestens einsachtzig, blond, Walküre.
Als erstes verfällt ihr der alte Knabe aus dem Orient, der sonst immer nur zum Würfeln hier herkommt. Von den beiden Bieren, die er bei mir ordert, stellt er eins kommentarlos vor die Frau. Ihr „Danke“ bringt ihn in das avisierte Gespräch, und bald schon kann er ihr erzählen, dass er mitten in einer unglücklichen Ehe steckt. Nach dem dritten Glas jedoch scheint er Angst vor den möglichen Konsequenzen seines Handelns zu bekommen. Jedenfalls geht er erstmal nach nebenan. Falafel essen oder so.
Wie vorauszusehen war, ist dies der Zeitpunkt für den komischen Kauz am Fenster. Beim Reinkommen trug er einen Cowboyhut mit irgendwelchen Lederapplikationen, der nun neben ihm auf dem Tresen liegt. Genauso wie die Nischenzeitschrift zum Thema „Rafting“, die er beim Hinsetzen wie absichtlich aus seiner Brusttasche gezogen hat. Bevor die blonde Frau kam, hat er mir von seiner Idee für eine Porno-Komödie erzählt. Ausführlich und sehr detailliert, aber davon vielleicht ein andermal. Im Laufe dieses Abends wird er jedenfalls ausschließlich Gerri Zitrone trinken, aber mehrere Kölsch bestellen.
Die Frau, machen wir´s nicht allzu dramatisch, tut nichts Aufreizendes. Sie schnorrt auch nicht oder biedert sich irgendwie an. Sie ist einfach nur da. Andererseits: Walküren sind Todesengel, das Altnordische „valr“ bedeutet soviel wie „die auf dem Schlachtfeld liegenden Leichen“.
Der alte Würfler legt, bevor er die letzte Verbindung Richtung Meschenich nimmt, seinen Kopf an ihre weitaus höhere Schulter. Ich muss zapfen, glaube aber, dass sie ihm zum Abschied einen Kuss auf die ziemlich kahle Stirn gehaucht hat. Mal sehen, ob der je wiederkommt.
Der Porno-Comedian tippt sich quer durch den ganzen Laden bis zu ihr hinüber an die Hutkrempe. Eine Geste, auf die er wahrscheinlich sein ganzes Leben lang gewartet hat.
Und irgendwann bricht auch die Frau auf, deren Namen ich nicht kenne, weil sie nie einen Deckel gemacht hat.
„Was bin ich dir schuldig?“ fragt sie.



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Mittwoch, 27. Mai 2009

Straßenkämpfer (6)

Der Club der schönen Mütter

Vor einigen Tagen hatte ich beruflich in Porz zu tun. Dabei überquerte ich einen Spielplatz, und es geschah exakt das, was man auf einem Porzer Spielplatz erwartet: Eine Mutter rief nach ihrer „Chantal“. An den Geräten turnten auch vier Jungs. Zwei sahen aus wie Dennis, die anderen beiden gingen eher Richtung Kevin.
Am frühen Abend dann überkam mich der Durst, und ich fuhr in die Südstadt. Wiederum passierte ich einen Spielplatz, und da saß das, was die großartige Band „Fehlfarben“ als „Der Club der schönen Mütter“ besungen hat. Eine von ihnen sagte: „Mit wieviel Jahren hat denn der Cornelius mit Blockflöte angefangen?“
Die Antwort habe ich nicht gehört, aber in dem Moment fiel mir ein, dass ich zu diesem heiklen Thema mal eine schöne Kurzgeschichte geschrieben habe. Sie heißt:


Cornelia (und Kurt)

Pampers, Buggy, Wilkinet, Kika, Kita, Bobbycar – Merkst du was?
Scout und Hipp und Stilleinlage, Waldorf, Maja, Tigerente - Merkst du, wie geläufig mir diese Vokabeln sind?
Aber ich kann sie nicht mehr hören!
Ich ertrage das einfach nicht mehr, wie alle mit diesen Wörtern jonglieren. Als beherrschten sie eine Geheimsprache. Susanne war die erste in meinem Bekanntenkreis, euer Lukas dürfte jetzt wohl Vier sein, stimmts? Und seitdem reißt das nicht mehr ab. Ich traue mich manchmal kaum noch, auf irgendwelche Treffen mit alten Freundinnen zu gehen. Jedes Mal ist wieder eine schwanger.
Und wie sie es dann immer hinauszögern, bis sie damit rausrücken. Ich habe da inzwischen einen Blick für: Wenn eine schwanger ist und es gleich erzählen will, sehe ich ihr das schon im Vorhinein an. Als trüge sie schon das Mutterkreuz auf der Stirn.
Und danach hagelt es dann natürlich immer die üblichen Glückwünsche.
Dass das alles so vorhersehbar ist und immer genau gleich abläuft, nervt mich am meisten. Alle schrauben sich in ihre höchsten Tonlagen und schreien „Nein!“ und „Gibts doch gar nicht!“, als hätte ihnen jemand vom achten Weltwunder erzählt. Und kurz darauf setzen die, die schon Kinder haben, dieses wissende Grinsen auf, als wollten sie sagen: „Na wart´s ab, du weißt noch gar nicht, was du dir da eingebrockt hast.“
War das bei Susanne und dir auch so, dass ihr monatelang über einen Vornamen gegrübelt habt? Eine fängt immer an: „Wie soll er denn heißen?“ Und dann geht das los. Stundenlang. Dass „Max“ und „Marie“ zwar schöne Namen seien, aber dass ja heutzutage leider alle so hießen. Die kennen die Rankings alle auswendig, von Eins bis Zehn, wie sie alljährlich in den Zeitungen stehen. Oder sie haben im Internet nachgeschaut, welche Namen noch frei sind. Und dann nennen sie ihren kleinen Scheißer Renzo oder Rocco oder Sid, oder Siobhan oder Carlotta mit „C“. Und finden das supercool.
„Rocco!“ – Stell dir mal vor. Läuft der später als „Rocco“ durch die Gegend und ist vielleicht dürre und nur einssechzig groß. Oder „Carlotta“, als ob´s „Charlotte“ nicht auch täte. Sagt eine: „Carlotta.“ Sagt eine andere: „Lotta aus der Krachmacherstraße.“ Sagt eine: „Sid.“ Sagt die nächste: „Sid Vicious, hihi, der hat seine Freundin umgebracht.“ Und dann: „Siobhan, das ist keltisch, spricht sich ´Schiwonn´ aus, ist das nicht reizend.“ Die denken wirklich, sie seien hochindividuell, megaironisch und jedenfalls extrem unspießig. Dabei funktionieren sie genau nach dem selben Schema wie die Prolls. Wenn die ihre Kinder Nicole, Chantal oder Denis taufen, dann denken die doch auch, das wäre total exklusiv.
Und das routinierte Gerede, wenn dann mal wieder eine ihren Sechs-Pfund-Renzo entbunden hat: Klappt es mit dem Stillen? Pumpst du vorher ab, wenn du abends mal ausgehst? Per Hand oder elektrisch? Oder nimmst du dann Milchpulver? Welches? Wie steht´s mit Schwangerschaftsstreifen? – Postnatale Gymnastik, ich sag´s dir!
Was glaubst du, wie oft ich in den letzten paar Jahren das Wort „Dreimonatskolik“ gehört habe. Anfangs habe ich dabei immer an Lolek und Bolek gedacht, aber inzwischen kriege ich schon Phantomschmerzen, sobald jemand das Wort nur ausspricht. Diese Koliken scheinen so etwas wie der Urgrund für alle Probleme zu sein, die junge Eltern überhaupt haben können. Der Kleine schreit zu viel? Entwickelt sich nicht weiter? Schläft schlecht, trinkt schlecht, kackt schlecht?
Na alles klar, keine Angst, ist nur die Dreimonatskolik.
Es erschüttert mich manchmal, wie ergeben Frauen werden, sobald Nachwuchs da ist. Wie die sich in ihr Schicksal fügen. Natürlich kühmen sie ein bisschen, weil sie keine Nacht mehr vernünftig schlafen können. Aber für mich klingt es immer so, als kokettierten sie nur, als wären sie mehr auf Neid denn auf Mitleid aus: „Ich will mich nicht beschweren, er ist sooo süß!“ Es ist, als wären sie plötzlich ein anderer Mensch, wie umgepolt. Vorher waren sie Frauen, jetzt sind sie Mütter.
Es ist ja nicht so, dass ichs denen nicht gönne. Zumal meinen Freundinnen. Ich will nur nicht damit belästigt werden, jedenfalls nicht permanent. Ich fühle mich auch nicht direkt ausgeschlossen, obwohl ich nicht wirklich mitreden kann. Aber ich finde es schon irgendwie unsensibel und penetrant, im Beisein von Kinderlosen ohne Ende über Babys zu reden.
Stell dir vor – nur mal als Beispiel – ich würde Wellensittiche züchten und dich jetzt zwei Stunden mit den Feinheiten der Wellensittichzucht zutexten. Stell dir vor, alle deine Freunde züchten plötzlich Wellensittiche und reden über nichts anderes mehr als Jod-SL-Körnchen und die Vorteile von Schwenkkäfigen. Und du bist der einzige, der Wellensittiche scheiße findet: Wie kämst du dir da vor?
Genau!
Susanne ist noch vergleichsweise harmlos. Sie war die Erste, deswegen macht sie vielleicht nicht mehr so viel Aufhebens davon. Außerdem kennt sie mich gut genug, um das Thema auszusparen. Aber auch bei ihr sehe ich dieses milde, mitleidige Lächeln, wenn ich mich mal wieder drüber aufrege. Vielleicht hat sie ja Recht und es gibt tatsächlich so ein Glückshormon, das ausgeschüttet wird, sobald ein Kind da ist. Susanne ist davon vollkommen überzeugt. Ein Hormon der ewigen Freude, ebenso unerklärlich wie unversiegbar selbst in den härtesten Zeiten. Sie sagt, wir – also die Kinderlosen – könnten froh sein, dass wir das Gefühl nicht kennen, das dieses Hormon auslöst. Die Natur habe das gut eingerichtet, denn wenn wir - schon wieder ´Wir´ - wüssten, was wir verpassen, wären wir unglücklich.
Das mag ja stimmen, aber wer ist ´Wir´? Gehöre ich zu einer Gruppe von Mangelmenschen? Bin ich ein Krüppel, weil ich kein Kind habe? Du merkst: Ich übertreibe. Aber so kommt das bei mir an. Und wenn ich dann so einen Haufen glücklicher Mütter vor mir habe, weiß ich nicht mehr, wem wirklich etwas fehlt.
Degeneriert sind doch die, nicht ich! Man muss sich doch nur mal anhören, wie die sich unterhalten: „Titi sagt jetzt schon MAMA, Titi sagt jetzt schon PAPA, und vor allem NEIN - haha, jaja - NEIN sagen können sie immer als erstes, jeden Tag eine neue Entwicklung, und Titi kann jetzt schon ein paar Schrittchen gehen“ – SCHRITTCHEN, logisch, alles wird verniedlicht –, „Titi isst schon allein mit seinem Löffelchen und macht schon aufs Töpfchen.“ – Ich fasse es manchmal nicht, was für ein hohles Geschwätz an sich intelligente Frauen plötzlich absondern. Debiles Delirieren ist das, ich kann das nicht anders nennen. Und was die dann alles lustig finden, worüber die sich halb totlachen, die altklugen Sprüche ihrer Kinder, die doch in Wirklichkeit nur den Eltern nachgeplappert sind. Ich glaube, dass hinter diesem typischen Elterngerede letztendlich eine tiefe Angst steckt. Die verschanzen sich hinter ihrem Jargon, die nutzen den zur Selbstbestätigung. Vor allem die Frauen.
Vielleicht spüren sie, dass etwas Ungeheuerliches geschehen ist, ein großer Wandel, den sie nicht genau überblicken können. Alles, was sie wissen, ist, dass sie plötzlich weg vom Fenster sind, dass nichts mehr wie vorher ist und es keinen Weg zurück gibt. Und weil ihnen das solche Angst macht, demonstrieren sie umso vehementer ihre neue Existenz: Ich bin jetzt jemand, der neues Leben gezeugt hat. Jetzt ist alles geritzt und ich kann in Ruhe ne alte Schachtel werden.
Ich rede normalerweise nicht so. Ich habe mich jetzt ein bisschen da reingesteigert. Aber du weißt, was ich meine!
Ich sag´s dir ganz ehrlich: Ich will keine Kinder haben. Und ich will erst recht nicht so werden wie die Mütter, die ich kenne. Dieses Hormon, wenn es denn existiert, scheint eine extrem harte Droge zu sein. Eine, die mit sofortiger Wirkung blöd macht. Wenn ich schwanger wäre, würde ich mich davor am allermeisten fürchten.
Man hat Angst, wenn man keine Kinder hat, und man hat Angst, wenn eines unterwegs ist. Ist doch bescheuert, oder?



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