Dienstag, 23. März 2010

Momentaufnahmen (10)

Kneipe, Nordstadt, 21 Uhr
Mann mit Jeansjacke: „Ich kenne einen Typ, der hat mal aufgehört zu rauchen.“
Mann mit Lederjacke: „Was du nich sagst.“
Mann mit Jeansjacke: „Nee, aber pass auf: Der hört samstagsmorgens auf zu rauchen. Also Freitag vollstrack, und dann Samstagmorgen die mega Birne und beschließt: Ich rauche nicht mehr.“
Mann mit Lederjacke: „Okay, super, so geht´s mir jeden verschissenen Samstagmorgen.“
Mann mit Jeansjacke: „Ja, aber jetzt! Der schafft das auch, zwei Wochen keine Fluppe. Keinen einzigen Zug, und dann is wieder Samstag.“
Mann mit Lederjacke: „Klaro, zwei Wochen später halt.“
Mann mit Jeansjacke: „Und dann kuckt unser Mann die Lottozahlen, und was glaubst du, hat der sechs Richtige!“
Mann mit Lederjacke: „Nicht schlecht, Herr Specht.“
Mann mit Jeansjacke: „Eben genau! Und weißt du, was der macht? Was der als erstes macht, also wo der quasi noch nichmal die Kohle hat?“
Mann mit Lederjacke: „Nee, aber sag!“
Mann mit Jeansjacke: „Der geht zu seiner Tanke und kauft sich alle Kippen, die im Regal stehen. Alles!“



















Auch dieses Kind könnte einmal nikotinsüchtig werden.


Kneipe, Nordstadt, 21.30 Uhr
Deutscher Gast: „Sag mal, kennst du einen, der Mustafa heißt?“
Arabischstämmiger Gast: „Soll das ein Witz sein?“

Kneipe, Nordstadt, 0.30 Uhr
1. Mann: „Die macht mich echt wahnsinnig!“
Frau: „Was hab ich dir denn getan?“
1. Mann: „Kannst du mir nicht helfen, Alter?“
2. Mann: „Klar, die Frage ist nur, ob ich 110 oder 112 wählen soll.“

Kneipe, Nordstadt, 5 Uhr
Kellner: „Letzte Runde!“
Blond gefärbte Frau: „Ich will ja arbeiten. Ich will ja arbeiten. Ich will ja arbeiten. Ich will ja arbeiten. Ich will ja arbeiten. Ich will ja arbeiten. Ich will ja arbeiten. Ich will ja arbeiten. Ich will ja arbeiten. Ich will ja arbeiten, will ja arbeiten, will ja, will ja, will.“


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Gemütliche Kneipe in Refrath


Thekentänzer (26)

„Maybrit Illner ist eine neoliberale Rampenhure“

Betrunkener Mann zu betrunkener Frau:
„Ich hab die Schnauze gestrichen voll, verstehste. Ich hab die Schnauze so dermaßen gestrichen, das kannst du dir gar nicht vorstellen. (leiser:) Du sowieso nich, jetz glotz doch nich immer auf den blöden Fernseher, wenn wir uns unterhalten.
Verstehst du, was ich meine? Das sind doch alles dermaßene Betrüger, da fass ich mich doch an den Kopf. Der Westerwelle ist doch noch harmlos, jetz denk mal der Müntefering, jaha!
Da komm´ wir nämmich in die Bereiche, wos richtig losgeht. Der Münte leckt doch schon seit Jahrzehnten am Nabel der Macht, verstehste. Und der kleine Guido höchstens n paar Zentimeter tiefer. (Pause)
N paar Zentimeter tiefer, verstehste, mannomann, der war gut. Und die vom Fernsehen sowieso, die sind doch alle korrupt bis auf die Knochen. Und schwul auch. Bei dem Jauch angefangen, und bei der Dachma Berchhoff, obwohl. Die is ja schon tot oder was. Aber dann nimmste mal die Maybrit Illner, woll, die alte Ossibraut. Jetz sach ma ganz laut: Maybrit Illner, dann weißte nämmich bescheid. (laut:)
MAYBRITT ILLNER IST EINE NEOLIBERALE RAMPEMNHURE!
Die is dem Münte und dem Westerwelle und der Merkel seine rechte Hand. Die hält für die ihr Gesicht ins Fernsehen, und exakt genau deswegen hab ich die Fresse so dicke. Sooo dicke hab ich die, hast du den Zettel vorm Rewe gelesen? Liest du überhaupt mal was? ´Verbeamtete Lehrerin sucht Wohnung im Agnesviertel. Mit Balkon´, stand da drauf. Und dann hat die Schnecke da noch fünf Ausrufezeichen hinter gemacht, die verbeamtete Schnecke, die. Die Maybrit Illner und sowelche verbeamteten Lehrerinnen, das ist das Ende von Deutschland. Und dann kriegen die ein Kind nachm anderen und sind nie in der Schule, ich sach dir eins: Ich hab die Schnauze gestrichen voll.“

Betrunkene Frau zu betrunkenem Mann:
„Lass uns gehen, ja?“


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Mittwoch, 17. März 2010

Fundstücke (3)

So war das, so ist das

Katholikenland I
Bei der Reichstagswahl im Bereich der heutigen Stadt Pulheim am 6. November 1932 im Dorfe Stommeln kam die NSDAP auf gerade einmal 10,1 Prozent. Genau 8 % mehr Stimmen entfielen auf die KPD. Insgesamt 820 Wahlberechtigte, also 49,9 %, stimmten hingegen für das katholische Zentrum.
(Quelle: Josef Wißkirchen: Stadt Pulheim. Geschichte ihrer Orte von 1914 bis zur Gegenwart, S. 340)

Katholikenland II
Bei den Gemeinderatswahlen im Bereich der heutigen Stadt Pulheim am 15. September 1946 waren im Dorfe Geyen 538 Personen wahlberechtigt. Die Wahlbeteiligung lag bei 100 %. Auf die SPD, die FDP, die KPD, BHE und sonstige Parteien entfielen: 0 %. Alle 538 Wähler machten ihr Kreuz bei der CDU.
Zum Vergleich: Im benachbarten Sinnersdorf kamen die Christdemokraten nur auf 92,3 %! (Quelle: Wißkirchen, S. 353)

Liebe, Treue, Andeutungen
„Die Ehe mit seiner Frau Agnes von Vohburg ließ er (Kaiser Friedrich Barbarossa, 1122-1190, B.I.) durch Reklamation eines unangemessenen Verwandtschaftsgrades (6. Grad!) annulieren. Hat man dies nicht vorher gewusst? Sicher, die zweite Ehe der Agnes von Vohburg mit einem weit unter ihr rangierenden, abhängigen Ministerialen deutet möglicherweise an, dass das Gerücht über ihre Treulosigkeit nicht aus der Luft gegriffen war, da bei solch unstandesgemäßer Verbindung in jenen Zeiten ausschließlich eine Liebesheirat zugrunde liegen konnte.“
(Manfred Höfer: Die Kaiser und Könige der Deutschen, S. 83)

Agnes´ Umzugs-Laster



Unsere Heimat
„Das Bild der Landschaft im Landkreis Köln wird geprägt durch die vielen Hochspannungsleitungen, die die Kölner Bucht in allen Himmelsrichtungen durchziehen.“
(Friedrich Werner in: Hans Reykers: Chronik von Brauweiler, 1969, S. 145)

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Mittwoch, 10. März 2010

Thekentänzer (25)

“Nenn mich Torte!”

"Wer ausrastet, rostet nicht", sagt der Typ und wirkt dabei einigermaßen ruhig. Seine schulterlangen Haare liegen auf einer speckigen Jeansjacke, deren Ärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt sind. Auf seiner höckrigen Nase steckt eine seriöse Randlosbrille, die in verstörendem Kontrast zu seinem Äußeren und seinem Auftreten steht.
"Verstehste, also dass es eigentlich heißt: Wer rastet, rostet. Aber dass ich daraus mache: Wer ausrastet, rostet nicht! Das is gut, ne?"
"Das ist durchaus originell", sage ich und zapfe ihm ein weiteres Kölsch. Seinen Deckel hat er sich auf Torte machen lassen, aber eigentlich heiße er Thorsten, hat er angefügt. Und dass er aus dem Osten komme, im weitesten Sinne: Thüringen. Draußen ist es jetzt stockdunkel, Zeit, das Licht weiter runterzudimmen und die Nacht einzuläuten. "Du brauchst keinen Wetterfrosch, um zu wissen, woher der Wind weht", singt Bob Dylan.
"Das is echt nicht schlecht, ne?" sagt der Thorsten. "Sowas fällt mir im Prinzip andauernd ein, so Sprüche, da bin ich ne echte Konifere drin."
Ich will schweigen, sage es dann aber doch und finde mich zugleich peinlich: "Koniferen sind Nacktsamer."
"Ja ja", antwortet Thorsten, "is klar."
Am Ende der CD, in einen Moment der Stille hinein, betritt ein weiterer Mann den Laden. Ende 20, weißer Pullover mit V-Ausschnitt, Hugh-Grant-Frisur. Lange weiße Finger, extrem nervöser Raucher.
"Ich hatte schon Angst, ihr hättet renoviert."
"Wie meinst du das?" frage ich.
"Naja, ich war hier schonmal vor zehn Jahren."
Der Nervöse sagt das mit großem Ernst, so, als sei er wirklich erleichtert darüber, dass hier alles beim Alten ist. Thorsten lacht trotzdem, nickt den Nervösen fragend-bittend-dankend an und nimmt sich wortlos eine Benson & Hedges aus dessen Packung. Genauso wortlos bekommt er Feuer.
Der Nervöse bestellt ein Guinness, ein Kölsch und zwei Korn, was erst auffällig wirkt, als auch in der nächsten Minute niemand sonst hereinkommt, er das Kölsch auf Ex nimmt und danach das Guinness ansetzt.
"Schreib Olivier", sagt er, als ich nach dem Deckel greife.
"Oliver, na super", krakeelt Thorsten, "du bist echt voll in Ordnung, Alter! Du kannst mich Torte nennen."
"Prost, Torte."
"Auf uns! Nur wer ausrastet, rostet nicht."
Es ist genau zehn Uhr. Olivier trinkt die beiden Korn, Thorsten zieht die Zigarette durch. Zwei Männer und eine Frau kommen aus der Kälte, bestellen drei Kölsch und gehen nach hinten zum Flipper durch.
"Weiberfastnacht hamse mir´n Lappen abgenommen", sagt Thorsten.
"Wieviel hattest du denn getrunken?" frage ich.
"Bis der Arzt kommt. Wie immer."
"Heute Nachmittag ist mein Vater gestorben", sagt Olivier.
Thorsten trinkt.
“Ja ja”, sagt er. “Is klar.”


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Dienstag, 2. März 2010

Straßenkämpfer (11)

Die Gnadenbrotgasse

Jessica nahm die Teelichter vom Bord des hinteren Fensters. Der Camping-Anhänger schwankte, als sie dort hinten hantierte, und wieder fragte sie sich, welchen Anblick der Karren wohl von außen bot, wenn sie gerade bei der Arbeit war. Das schwankende Schiff, beschlagene Fenster, und dann war sie stets froh, dass es der Freier war, der als erster nach draußen musste. Spaziergänger mit Hunden, jugendliche Glotzer, glotzende Jogger.
Im Sommer, zwischen zwei Kunden, die Zigarette auf der Stufe zum Wagen in Strapsen. Da gewöhnt man sich dran, wie die gucken, wie die weggucken. Und die Dreisten, die Anzüglichen mit ihren Bemerkungen und Gesten. Und die alten Kerle vom Schwulenstrich weiter hinten im Wald, die noch am nettesten waren. Immer ein Schwätzchen, soso und blabla, und wenn mal was iss, Jessica, auf mich kannste zählen.
Auf den Theo hatte sie gewartet, wie immer. Der letzte Kunde, jeden Montag und Donnerstag, darauf war er ein bisschen stolz. Donnerstag, weil er danach schon immer ins Wochenende ging. Ausgehungert war der montags, aber wie. Wie ein Löwe, wie ein Lamm, oh Gott, besorgs mir, Jessica, oh Gott iss das schön.
Jessica zieht den langen Mantel über, der ihr weiteres Umziehen erspart, schließt den Camper ab und steigt in ihr Auto. Acht Uhr. Petra, gegenüber auf der anderen Seite des Weges, streckt noch immer die langen Beine aus dem Wagen. Dicke Bücher liest die alte Petra, kaum noch Kunden hat die. Getönte Scheiben, der Pkw, aber was ist das schon im Vergleich zum eigenen Camper. Und direkt hier am Wegrand, vor der Ecke zum Parkplatz, da kommt die nie mehr hin. Jessica auch nicht, nicht mehr, zu alt fürs dicke Geschäft. Die haben alle Loddel, die auf dem Parkplatz, so schön geschützt wie der ist. Die kommen längst alle aus dem Ausland, die wissen doch gar nicht, wo sie hier sind. Militärringstrooß wird auf der vierten Silbe betont, wisst Ihr das, Mädels?
Die haben doch keine Ahnung, vom Geschäft, von diesen Männern hier. Die sind nur jung und sehen gut aus. Gnadenbrotgasse, so ist das doch. Jessica (36) und Petra (45) von der Gnadenbrotgasse, komm Süßer, ich blas dir einen, nen Zehner und ab dafür.

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