Mittwoch, 27. Juli 2016

Coloniales (63)

Die Hochwassermarken von 1784


Am 28. Februar 1784 wurde Köln von einem gewaltigen Hochwasser überschwemmt. Mülheim wurde fast komplett vernichtet. Von dieser Katastrophe zeugen diverse Hochwassermarken im Stadtgebiet. Ein paar Beispiele:

# Chor der Elendskirche St. Gregor/Straße An St. Katharinen: Die Leiste samt Schild befindet sich in Kopfhöhe eines normal großen Erwachsenen, was umso bemerkenswerter ist, als dieser Ort in der Südstadt heute rund 150 Meter vom Rhein entfernt liegt.



# Portal von St. Maria Lyskirchen: Die Markierung zieht sich über den Eingang der romanischen Kirche, in einer Höhe von etwa 3,50 Metern.



# Haus Ecke Filzengraben und Am Leystapel: Direkt um die Ecke von St. Maria Lyskirchen, aber noch etwas näher zum Rhein hin. Höhe: rund 4 Meter. In Brusthöhe findet sich hier ein weiteres historisches Erinnerungsschild: Das Hochwasser vom November 1882 nimmt sich gegenüber dem 100 Jahre früheren jedoch geradezu bescheiden aus.

# Schmitz-Säule vor Groß St. Martin: Auch auf der 1965 errichteten Steinstele wurde das legendäre Hochwasser vermerkt. Wegen des erhöhten Fleckens, auf dem man sich hier befindet, liegt die Markierung jedoch nur in Hüfthöhe.


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Mittwoch, 20. Juli 2016

Kölner Gespräche (54), heute: Mirko Lüdemann von den Kölner Haien

Mirko Lüdemann wurde 1973 in Weißwasser in der ehemaligen DDR geboren. Der Eishockeyspieler begann seine Karriere beim ES Weißwasser, wechselte 1991 nach Kanada und 1993 zu den Kölner Haien. 132 Einsätzen in der Nationalmannschaft stehen über 1.000 für die Haie gegenüber. Damit ist er Rekordspieler des Vereins, mit dem er zweimal Deutscher Meister wurde. Im April 2016 beendete er seine Karriere als Aktiver und wechselte in den Geschäftsbereich der Haie. Seine Trikotnummer 12, mit der er 23 Jahre auflief, wird dann nicht mehr vergeben. Mirko Lüdemann wohnt mit seiner Frau und Tochter in Sülz.

Herr Lüdemann, worüber wollen wir sprechen?

Übers Tontaubenschießen.

Das kenne ich nur als olympische Randsportart, die meistens morgens um halb 5 läuft.

Ja, leider. Denn das ist ein durchaus anspruchsvoller Sport - nicht unbedingt von der Bewegung, aber vom Ablauf her.

Tontaubenschießen erfordert den ganzen Mann?

So würde ich es nicht ausdrücken. Aber sagen wir: Man muss schon zielen können, und zwar mit beiden Augen.

Normalerweise visiert man beim Schießen mit einem Auge über Kimme und Korn. Warum brauchen Sie zwei?

Wenn das linke Auge zu ist, sehen Sie weniger, ganz einfach. Fliegt die Tontaube nach links, müssen Sie ihren Flug vorhersehen und nicht auf, sondern vor sie zielen. Beim Tontaubenschießen ist also jeder Schuss ein Schuss ins Blaue.

Darum geht´s?

Vorhalten, das ist es, was man am Anfang lernen muss. Man visiert die Taube zwar zunächst an, aber den Schuss muss man ein Stück vor sie setzen, um sie im Flug zu erwischen.

Haben Ihre Gewehre einen guten Sound?

Das knallt schon ordentlich. Beim ersten Mal habe ich den Fehler gemacht, ohne Ohrenschützer aufzutauchen. Danch hatte ich drei Tage lang ein Pfeifen im Ohr. Da hatte ich anfangs sogar richtig Schiss, dass da was kaputtgegangen ist.

Sie und Ihre Sportskameraden schießen mit Schrot. Damit trifft man doch alles.

Bis zu einer gewissen Entfernung schon. Aber bei 20, 30 Metern hört es dann auf.

Kennen Sie sich mit der Ballistik von Schrotpatronen aus?

Ich weiß jedenfalls, dass man sich auf 50 Meter problemlos hinstellen kann. Bis dahin ist der Schrot so verflogen, da tun Sie sich nicht mehr weh.

Was bedeutet das für den Schützen?

Dass man die Tontaube so schnell wie möglich runterholen sollte. Bei Olympischen Spielen werden Sie feststellen: Die Profis drücken praktisch sofort ab.

Was für einen Menschenschlag trifft man am Tontaubenschießstand?

Querbeet jeden, Männer wie Frauen. Leute eben, die Spaß daran haben, ein bisschen in der Luft rumzuballern. Oder sagen wir es ernster: Menschen, die mit sportlichem Hintergrund schießen möchten. Der besondere Kick ist vielleicht, dass wir nicht auf Scheiben zielen, sondern auf ein bewegliches Ziel.

Wie sind Sie zu Ihrem seltsamen Hobby gekommen?

Das war zuhause in Weißwasser. Kurz nach der Wende war dort ein ehemaliger russischer Schießstand umgebaut worden. Anfangs haben wir uns mit ein paar Jägern getroffen. Dann sind wir nach hinten auf die Trapbahn und haben uns gedacht, so, jetzt lassen wir mal ein paar Scheiben fliegen. Ich selbst mache das jetzt seit acht, neun Jahren.

Warum sind Sie dabeigeblieben?

(überlegt länger) Ich denke, es ist das Hochgefühl in dem Moment, wo man die Taube trifft.

Adrenalin?

So weit würde ich nicht gehen. Aber am Anfang trifft man halt gar nichts. Und sich allmählich zu verbessern, ist sehr befriedigend.

Konnten Sie sich mit den erwähnten Jägern von Weißwasser messen?

Ein richtiger Jäger schießt natürlich besser als Leute wie ich. Mit den Tontauben üben die für richtige Enten, wobei letztere, glaube ich, sogar noch ein bisschen schneller sind.

Und was heißt „besser“?

Von zehn Tauben trifft ein guter Jäger acht. Heutzutage komme ich im Schnitt auf sechs bis sieben. Aber ein Neuner war auch schon dabei.

Schonmal ein Turnier mitgemacht?

Nein, zumal man dafür Sportschütze sein müsste. Für mich ist das nur ein Hobby.

Dennoch sind Sie von Haus aus Berufssportler. Ist Tontaubenschießen für sie eher ein Mit- oder Gegeneinander?

Mein sportlicher Ehrgeiz ist dabei begrenzt. Ich will einfach nur eine schöne Zeit mit meinen Kumpels haben und bin froh, wenn ich die ein oder andere Taube treffe.

Es gibt verschiedene Modi beim Tontaubenschießen. Manchmal flattern auch Doubletten auf.

Stimmt, beim Skeetschießen. Die Scheiben kommen obendrein aus verschiedenen Richtungen. Da habe ich mich bisher noch nicht rangetraut. In der Heimat schießen wir nur Trap, da fliegen die Tauben einzeln. Woher sie kommen, weiß man da allerdings auch nicht. Es gibt immer fünf mögliche Positionen, also Abschussstellen.

Waren Sie mal mit auf einer richtigen Pirsch?

Einmal war ich tatsächlich dabei. Mit auf dem Hochsitz, aber leider kam nichts vorbei.

Das heißt, Sie hätten keine Probleme damit gehabt, auf richtige Tiere zu schießen?

Ich hätte gar nicht gedurft, nur der Jäger, mit dem ich unterwegs war. Dementsprechend habe ich auch kein eigenes Gewehr. Eine Weile hatte ich geplant, die nötigen Scheine zu machen. Aber da geriet ich dann in einen Konflikt mit meiner Frau. (lacht)

Weil sie an Bambi und die armen kleinen Wildschweine dachte?

Nein. (lacht) Sie dachte wohl eher an unseren nächsten Streit und dass ich dann runter in den Keller gehe.

Wo schießen Sie heute?

Wir hatten immer die Möglichkeit, in Troisdorf auf den Schießstand zu gehen. Einmal im Monat war ich da mit einem Kumpel, aber seit zwei, drei Jahren ist der geschlossen. Jetzt beschränkt sich mein Tontaubenschießen auf die Urlaube in der Heimat einmal im Jahr.

Lebt auf dem Schießstand von Weißwasser noch ein Stück vom alten Ostblock?

Nein, das ist alles komplett umgebaut, von den Russen sieht man da nichts mehr.

Wenn man aus Weißwasser kommt: Ist man Weißwasserer?

Weißwasseraner!

Sie haben nach der Wende in Kanada gespielt und leben seitdem 23 Jahre im deutschen Westen. Wie empfinden Sie demgegenüber Ihre Weißwasseraner Heimat?

Da ist es so ruhig geblieben wie früher, und das ist schön so. Früher bin ich mit meinen alten Freunden noch regelmäßig um die Häuser gezogen bis zum nächsten Morgen. Aber seit wir alle Familie haben, sind wir etwas zurückhaltender geworden.

Heutzutage wird eher in der Datsche gegrillt?

Datschen brauchen wir nicht, bei uns zuhause sind die Grundstücke größer als hier. Da hat man Platz. Aber gegrillt wird gern, und manchmal gehen wir auch angeln. Das Kölner Leben ist im Vergleich hektischer.

Wobei der Kölner ja nicht von Hektik, sondern von Lebensfreude spricht.

(lacht) Ja, klar, kann man so oder so sehen. Als ich hier angekommen bin, dachte ich nur: Hilfe, Polizei. Nur Autos, nur Lärm, so viele Menschen. Und dann habe ich auch noch auf der Luxemburger gewohnt.

Und zum ersten Karneval haben Sie sich in der Bude eingeschlossen?

Karneval habe ich die ersten rund 15 Jahre gar nicht miterlebt, weil ich zu der Zeit immer mit der Nationalmannschaft unterwegs war.

Im Rahmen Ihres Jobs, über den wir heute nicht reden, waren Sie ja ohnehin jede Woche mindestens einmal verkleidet.

Genau, das hat mir dann auch gereicht. (lacht)

Sehen sie sich gern Western an, oder Kriegsfilme?

Als Kind habe ich natürlich Winnetou gesehen. Soldat James Ryan war, glaube ich, mein letzter Kriegsfilm.

Old Shatterhand träfe so eine Tontaube ohne zu zielen aus der Hüfte.

Selbst der hätte seine Schwierigkeiten.

Klären Waffen Konflikte?

Eigentlich nicht, siehe Amerika. Ich würde dieses Waffengesetz, nach dem sich jeder alles besorgen kann, abschaffen. Dabei kommen einfach zu viele unschuldige Menschen ums Leben. Wir haben es in letzter Zeit oft genug erlebt. Aber ich fürchte, bei der starken Waffenlobby dort wird das in den nächsten Jahren nichts.

Was lernt man beim Tontaubenschießen fürs Leben?

Dass man nicht auf Menschen schießen sollte.

Mittwoch, 13. Juli 2016

Kölner Gespräche (53): Benjamin Katz, Fotograf

Benjamin Katz wurde 1939 in Antwerpen geboren, wohin sein Vater, ein Berliner Jude, mit seiner Frau geflohen war. Er wuchs in Brüssel auf und zog 1956 nach Berlin. Dort gründete er mit Michael Werner die Galerie Werner & Katz, die aufsehenerregende, skandalumwitterte Ausstellungen z.B. mit dem jungen Georg Baselitz organisierte. Vom Galeristen zur Fotografie gewechselt, wurde er bekannt für seine dokumentarischen, situativen Künstlerportraits. Mehrmals war er an der Kasseler documenta beteiligt. Zuletzt wurde ihm Anfang 2016 der Düsseldorfer Kunstpreis der Künstler verliehen. Im September startet eine große Retrospektive in Paris.
Benjamin Katz lebt mit seiner Frau in der Innenstadt.

Sein Atelier hat er im Keller, die Wohnung liegt im fünften Stock. Einen Aufzug sucht man in diesem Haus vergeblich. Aber das Treppensteigen hält ihn fit, sagt der 76-jährige Benjamin Katz.

Sie sind in Antwerpen geboren. Haben Sie neben der deutschen die belgische Staatsangehörigkeit?

Nein, nur die deutsche. Mein Vater war Berliner, als Belgier hätte ich Militärdienst leisten müssen.

In jeder Kurzbiographie über Sie wird erwähnt, dass Sie Jude sind und Ihr Vater von den Nazis ermordet wurde. Finden Sie das richtig oder falsch?

Religion interessiert mich nicht besonders. Sehen Sie doch nur, was die Religion in den letzten Jahrhunderten angerichtet hat. Klar, wenn es mir schlecht geht, sage ich: Lieber Gott, hilf mir doch. Aber dabei bleibt´s auch. Natürlich gab es in Belgien einige, die mir vorwarfen, dass ich nach Berlin zog. Aber ich hatte schnell Freunde dort an der Kunstakademie. Zum Beispiel Georg Baselitz.

Ihre Galerie Werner & Katz organisierte 1963 eine frühe Baselitz-Ausstellung. Sie geriet wegen nackter Haut zum Skandal.

Im Nachhinein völlig lächerlich. Die Prüderie damals war extrem, es gab einen Prozess nach dem anderen. Denken Sie nur an Jean Genet. Heute lachen da die Hühner drüber.

Ihre erste Kamera bekamen sie 1953. Können Sie sich an Ihre ersten Bilder erinnern?

Die habe ich sogar noch, wenn auch nicht die Negative. Es war eine Bakelit-Kamera. Das sind Fotos vom Kudamm – keine Menschen, sondern Gebäude, ein pinkelnder Hund war auch dabei.

Sie stehen in dem Ruf, die richtigen Momente zu erwischen.

Okay, der Satz stimmt. Aber man kann 24 Stunden jeden Tag magische Momente erwischen. Mir war immer wichtig, möglichst natürliche, unkonstruierte Situationen abzubilden. Inszenierte Portraitsitzungen liegen mir nicht.

Eine Lehre haben Sie nie gemacht.

Das stimmt, ich bin Dilettant. Aber meine Augen habe ich immer geschult. Als Kind schon mochte ich Leonardo da Vinci und de Chirico, und mein Internatszimmer war voll mit Kunstpostkarten von Manet, van Gogh, Degas. Ein Freund meinte mal, ich hätte einen Zirkel im Auge.

Sie arbeiten bis heute analog. „Digital ist mir zu einfach“, sagen Sie.

Ja, nur dann habe ich das Gefühl, richtig zu arbeiten. Außerdem gehe ich einfach gern in die Dunkelkammer.

Manipulieren Sie Ihre Bilder zuweilen, wie das in der digitalen Welt üblich ist?

Wenn eine Stirnpartie nicht stimmt, belichte ich manchmal nach. Aber mit der Leica, die ich seit 1995 habe, ist das nie mehr nötig gewesen – ein phantastisches Gerät.

Sie sind mit Ihrer Kamera auf Vernissagen und sonstige Ereignisse gegangen, haben also gearbeitet, wenn andere Freizeit hatten.

Ich habe nicht gearbeitet, sondern mich beschäftigt. Ein Maler muss morgens in sein Atelier, sonst kriegt er Depressionen. Und für mich ist die Fotografie mein Lebenselexier. In den 70ern habe ich für verschiedene Kunstzeitschriften gearbeitet. Meistens habe ich Künstler begleitet, die ich besonders schätzte: Baselitz, Lüpertz, Penck undsoweiter. Sehr gern habe ich die dann vom Atelier über den Aufbau in den Ausstellungsräumen bis zur Vernissage begleitet. So wie das etwa Henri Cartier-Bresson mit Matisse gemacht hat.

Ihre frühen Kölner Jahre haben Sie mal als „Zeit der Ateliers und Kneipen“ bezeichnet. Was haben Sie damit gemeint?

In Läden wie dem alten Roxy oder dem EWG auf der Aachener Straße war ich praktisch täglich. Da traf man dann Jürgen Klauke, Michael Buthe oder Udo Kier. Im Roxy habe ich damals auch meine Frau kennengelernt, und wir leben immer noch zusammen.

Wie gehen Sie mit unwirschen Reaktionen der Portraitierten um?

Das ist mir nie passiert. John Baldessari hat mich als Fotograf einmal mit Jacques Tatis Monsieur Hulot verglichen. Für mich war das ein Kompliment – ich habe immer versucht, eine gewisse Komik zu erzeugen. Sie können niemanden fotografieren, den Sie nicht mögen. Da bekommen Sie kein anständiges Foto hin. Letztlich ist eine Fotositzung so etwas wie ein Pas de deux.

Würden Sie den Kunstfälscher Beltracchi portraitieren?

Niemals, für kein Geld der Welt. Handwerklich mag er begabt sein, aber diese Überheblichkeit à la „Leonardo da Vinci ist einfach“: Der Mann kapiert nicht, dass in der Kunst Herzblut und Schmerz stecken. Leute wie Gerhard Richter oder Georg Baselitz haben sogar echte Hungerzeiten hinter sich.

Richter verkauft heute zu Millionenpreisen.

Ja, und macht sich lustig darüber. Das sind unseriöse Herrschaften, die solche Preise bezahlen. Völliger Blödsinn.

Sie haben Anfang 2016 den ersten Preis überhaupt in Ihrem Leben entgegengenommen. Warum nur den?

Ich habe ich nie für solche Auszeichnungen interessiert und mich nie beworben. Aber dieser Preis der Kunstausstellung NRW wird von Künstlern verliehen, nicht von Galeristen oder Museumsdirektoren. Da bin ich schon stolz drauf. Außerdem sagte man mir, so ein Preis gäbe einen kleinen Schub. Die meisten Menschen kaufen Kunst mit den Ohren, verstehen Sie.

Kennen Sie den Meisterdetektiv Benjamin Katz?

(lacht) Auf den stoße ich beim Googeln, ich habe auch schonmal ein Buch von ihm geschenkt bekommen. Finde ich toll.

Das ist eine Figur aus einem Kinderkrimi. Ein anderer Benjamin Katz taucht bei den Desperate Housewives auf, und es gibt auch einen, der übers Internet Feuerwehrstiefel vertreibt.

Aufgezogen werde mich manchmal mit der Namensgleichheit zu Alex Katz, dem berühmten New Yorker Maler. Ich habe ihn mal für die Galerie Jablonka portraitiert, ein sehr sympathischer Mensch. Seine Familie stammt übrigens wie meine aus Odessa.

Sie haben zahllose Menschen portraitiert. Auch sich selbst?

Habe ich oft gemacht, na klar. Man sieht, dass die Hülle immer älter wird, innen drin aber noch immer das Kind steckt. In der Straßenbahn wundere ich mich immer, wenn jemand für mich aufsteht. Au, denke ich dann, du bist ein alter Knacker. (lacht)

Sie sehen durch die Augen dieses portraitierten Selbst in sich hinein?

Und stelle dabei fest, dass ich ernster werde. Ich gehe auf die 80 zu, meine Unschuld ist ein wenig verschwunden. Ich wollte mir nie eine Hornhaut anschaffen, und allzu dick ist sie, glaube ich, auch nicht geworden. Aber je älter man wird, desto mehr alte Freunde sterben weg, zuletzt Theo Lambertin. Wie Marcel Duchamps schon sagte: „D'ailleurs c'est toujours les autres qui meurent“ – „Im übrigen sind es immer die anderen, die sterben.“

Und das Selbstportrait heißt heute Selfie.

Oh Gott, ja. Vor ein paar Monaten war ich mit Baselitz in Venedig, und überall liefen diese Menschen mit ihren Selfiestöcken durch die Gegend. Das ist so dämlich, unfassbar!

Mittwoch, 6. Juli 2016

Coloniales (62)

Warum das Stadtzentrum auf der Schäl Sick liegt

Man nehme eine handelsübliche Landkarte (Maßstab z.B. 1:100.000) und schneide Köln an der Stadtgrenze entlang aus. Sodann klebe man das Ganze auf ein festes Stück Pappe und gleiche die Ränder an. Balanciert man dieses nun auf einem Kuliknopf oder dem Zeigefinger, wo wird sich die Stadt wohl einpendeln? – In Deutz, genauer gesagt mitten im Tanzbrunnen. Ergo: Wer ab durch die Mitte will, muss über den Rhein fahren.


Der Beweis, von oben und von der Seite:





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