Mittwoch, 3. Dezember 2008

Coloniales (8)

Am Hindukusch

Das Kreiswehrersatzamt in Raderthal wird saniert, es ist asbestverseucht. Vermutlich deshalb wurden hier zuletzt zahllose Partys gefeiert, Open Air und mit DJ. Kein Problem, eigentlich. Mein Nachbar hat vier Töchter, da wird praktisch jeden zweiten Tag irgendwas begangen. Die Mädels stehen auf Independent und laut – wunderbar. Die Soldatenfeste ein paar Meter weiter fangen jedoch meistens schon mit Proletenmusik an, also: Nena, Matthias Reim und diese Schwarte, die sich DJ Ötzi nennt. Und mit dem geht´s dann auch in die zweite Runde. So unglaublich mies dessen Lied vom „Stern, der deinen Namen trägt“ daherkommt, so unglaublich ist auch die Tatsache, dass dieser Song inzwischen gecovert wurde. Der Refrain lautet nun: „Eine Frau, die mich nach Hause trägt“, und es geht um besinnungsloses Besaufen. Gegen 6 Uhr – diese Kameradschaftsfeste beginnen immer nachmittags – war der Ballermann-Faktor auf 100. Die Lieder basierten jetzt ausnahmslos auf Textbausteinen à la „Titten“ und „Du geile Sau“, auch der „Puff in Barcelona“ war bald erreicht.
Also fährt man da hin und beschwert sich, möglich nonchalant natürlich. Ich habe nicht gesagt: „Machen Sie bitte die Musik leiser, meine Kinder werden dadurch bei den Hausaufgaben gestört.“ Sondern: „Machen Sie bitte diese geschmacklose Idiotenmusik aus.“
„Über Geschmack lässt sich streiten“, meinte der Kommandant. Die einfachen Soldaten wirkten in ihren Springerstiefeln alle riesengroß und durchweg sehr fleischig. Nach meinem Einsatz wurde die Musik kurz ein bisschen leiser, bevor es dann doch wieder ab nach Barcelona ging. Und hier am Ende, wo man eigentlich eine finale Pointe erwarten sollte, folgt nun stattdessen ein ganz einfacher Aussagesatz: Wenn das die Typen sind, die Deutschland am Hindukusch verteidigen, dann Gute Nacht, Mutter.

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