Mittwoch, 29. Oktober 2014

Coloniales (48)

Kölsche Irrungen

1) Das Haus „Im Walfisch“ in der Salzgasse stand früher ein paar Meter weiter und wurde hierhin versetzt. Seit einigen Jahren firmiert es als Stammhaus der Sünner-Brauerei. Es stammt ursprünglich aus dem frühen 17. Jahrhundert, und damals war offenbar noch nicht allgemein bekannt, dass der namensgebende Meeresbewohner kein Fisch ist, sondern zu den Säugern gehört.


Kein Fisch, der Wal

2) Ein Kapitell im Kreuzgang von St. Maria im Kapitol zeigt zwei Greifvögel. Erstaunlicherweise essen diese Fleischfresser Früchte.

Trauben naschende Greifvögel

3) Hohenzollernbrücke (beidseitig) und Heumarkt (Südseite): Preußische Könige auf rassigen Rossen flankieren die Rampen der Brücke und den Platz. Pferde-Experten streiten bis heute darüber, ob die dargestellte Gangart der Tiere überhaupt existiert. Beim Reiterstandbild am Heumarkt kommen zwei weitere Makel hinzu: Der Oberkörper des Monarchen sei viel zu groß geraten, monieren die einen und die anderen, der Hintern des Gaules ende zu abrupt.

Künning zo jroß, Futt zo platt?

Am Walfisch stimmt übrigens noch etwas anderes nicht, nämlich die außen angebrachte Jahreszahl. Nach der Versetzung des Gebäudes verwandelte jemand die finale 9 in eine 6:


Mittwoch, 22. Oktober 2014

Thekentänzer (79)


Jessies Ausschnitt

Draußen gießt es aus
Kannen, drinnen
sitzt Jessie.

„Weißt du eigentlich,
wo ich herkomme? Aus
Bamberg nämmich!“

Für Josef ändert das
die Situation nicht
wesentlich. Er

Stiert weiter
abwechselnd in sein Glas und
Jessies Ausschnitt.

„Ne Kollegin von mir trägt
auch gern Hellgelb“,
sagt er, aber

da ist Jessie schon
durch die Tür.
Klatsch-

nass. Sogar der Regen ist heutzutage
für nichts mehr
gut.

„Belogen Betrogen zum hassen Erzogen“ - in der DDR konnten sie noch Tattoos.


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Mittwoch, 15. Oktober 2014

Deutsche Sprichwörter (4)

Der Bonner Philologe Karl Simrock (1802-76) edierte unter anderem eine umfangreiche Sammlung deutscher Sprichwörter. Hier eine Wochenauswahl zum Thema Trinken:

Es ertrinken mehr im Glas als in allen Wassern.

Lieber einen Darm im Leib gesprengt, als dem Wirt ein Tröpfchen geschenkt.

Je schöner die Wirtin, desto höher die Zeche.

Wenn das Fass leer ist, wischen die Freunde das Maul und gehen.

Gott gebe, Gotte grüße!
Bier und Wein schmecken süße.
Versauf ich auch die Schuh, behalt ich doch die Füße.

Currywurst macht Durst

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Mittwoch, 8. Oktober 2014

Thekentänzer (78)

Origami, Ikebana & der ganze andere Quark

„Ming Frau määt jetz Origami“, sagt
der Dicke mit dem orientalischen Messer auf dem Oberarm.

„Du meinst Ikebana, oder?“ fragt sein Kumpel, der
wahrscheinlich weiß, warum er so vorsichtig fragt, denn:

„Origami is doch, wat
m´r op en Pizza deit.“

Der Dicke schnauft kurz durch, dann
nickt er mit dem Kopf.

Ein gehöriges Quantum Zeit verstreicht, bis er
anhängt:

„Ich han dat allt ens
jerouch.“

„Wat? Origami?“
fragt sein Kumpel, „hät et jeschmeck?“

„Weiß ich nit mieh,“
sagt der Dicke, „ich

wor esu breit, mir hättste
och Päädsäppel en d´r Tabak grümmele künne.“

Rollenorigami für Fortgeschrittene


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Mittwoch, 1. Oktober 2014


Interviews (29)

Heute: Die Pianistin Olga Scheps

Olga Scheps wurde 1986 in Moskau als Tochter eines Musikprofessors und einer Klavierlehrerin geboren. Mit sechs Jahren wanderte sie nach Wuppertal aus und begann 1999 ihr Klavierstudium an der Kölner Musikhochschule. Sie errang Siege bei „Jugend musiziert“ und „Jugend spielt Klassik“. 2010 veröffentlichte sie ihr erstes Album (namens „Chopin“), dem zahlreiche weitere folgen sollten. Heutzutage hat sie Auftritte in allen Teilen der Welt und mit vielen namhaften Dirigenten und Orchestern. Bei Sony Classical erschien zuletzt ihre CD mit zwei Klavierkonzerten von Chopin in einer Kammerorchesterfassung.
Olga Scheps probt und wohnt im Eigelstein.

Während der sonnenbeschienene Eigelstein voller Leben ist, sitzt Olga Scheps in ihrem Proberaum am Piano. Für unser Interview jedoch macht sie ein Stündchen Pause, wir treffen uns in einem Café an der Torburg. So ruhig ihre Augen, so besonnen auch ihre Antworten.

Bernd Imgrund, Olga Scheps, Foto: Günter Meisenberg

Sie haben Ihre ersten sechs Jahre in Moskau verbracht. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Stadt?

Meine Eltern sind aus politischen Gründen ausgewandert, wir haben dann zuerst in Wuppertal gelebt. Mit Moskau verbinde ich zwar ein paar Kindheitserinnerungen, aber die dürften inzwischen weit entfernt von der Realität sein. Die Stadt hat sich in den letzten Jahren sehr stark gewandelt.

Fühlen Sie sich in Köln heimisch?

Ich bin vor gut zehn Jahren hier hingezogen und fühle mich als Kölnerin. Ich mag diese Unkompliziertheit und Offenheit der Menschen. Wenn ich von einer Reise zurückkehre, freue ich mich immer aufs Nachhausekommen.

Ist eher der Dom oder die Eigelsteintorburg Ihr Heimathaken?

Auf jeden Fall die Torburg. Hier ist die Musikhochschule nicht weit, und dementsprechend wohnen auch viele Freunde von mir im Viertel.

Die Kölner Musikhochschule ist äußerlich recht unattraktiv. Sehen Sie das auch so?

(lacht) Mir hat man mal erzählt, das sei Absicht, um die Studenten nicht vom Lernen abzulenken.

Empfanden Sie das Studium dort als qualitativ gut?

Bei den Instrumentalisten ist der nicht zuletzt Hauptfachlehrer das Entscheidende. Meiner war ganz, ganz toll. Pavel Gililov ist inzwischen nach Salzburg an die Hochschule Mozarteum gewechselt, aber er ist nach wie vor eine ganz wichtige Bezugsperson für mich, und so oft es geht fliege ich nach Salzburg..

Sie haben an Ihr Klavierstudium noch das „Konzertexamen“ gehängt, obwohl Sie längst gut beschäftigt waren.

Zum Klavierspielen gehört auch ein bestimmtes Wissen - z.B. über die Geschichte des Instruments, der Pianisten und der Komponisten. Außerdem finde ich, dass man zuendebringen sollte, was man anfängt. Ich fühle mich jedenfalls gut damit, mein Diplom zu haben.

Ihre Eltern sind ebenfalls Klavierspieler. War Ihr Weg vorgezeichnet?

Meine Eltern haben sich über die Musik kennengelernt und sind seit 35 Jahren verheiratet. Musik war bei uns alltäglich präsent. Meine Mutter ist Klavierlehrerin, mein Vater Professor, ich mache wieder etwas anderes. Aber die Klaviermusik verbindet uns alle.

Ist Klavierspielen körperlich anstrengend?

Ja, es kann anstrengend sein. Ich versuche meine Grenzen immer zu erweitern. Gewisse Aspekte kann man durchaus mit dem Leistungssport vergleichen. Je mehr man trainiert, desto besser wird man.

Man liest, Sie üben acht Stunden am Tag. Klingt geradezu proletarisch.

Naja, acht Stunden sind es meistens nicht. Manchmal übe ich tagelang, viele, viele Stunden. An Reisetagen übe ich oft nicht, weil ich keinen Flügel zur Verfügung habe. Ich freue mich dann, wenn ich wieder spielen kann, wann ich will, und dabei gucke ich nicht so viel auf die Uhr.

Die Kondition kann man auch beim Joggen um den Aachener Weiher trainieren.

In Köln gehe ich lieber ins Fitnessstudio, weil ich mir beim Laufen zu beobachtet vorkomme. Aber in Wuppertal bin ich viel gejoggt, die Wälder dort sind angenehm einsam. Auch für einen kurzen Wandertrip sehr zu empfehlen.

Sie spielen fast ausschließlich Noten von toten Menschen. Was für eine Art Kommunikation ist das?

Diese toten Menschen haben uns ihre Biographien und Kompositionen überlassen. Klassische Stücke leben dadurch weiter, dass man sie immer wieder neu interpretiert. Mich selbst interessiert immer sehr, wie der Komponist sich wohl gefühlt hat, in welcher Lebenslage er war, als er das jeweilige Stück schrieb.

Gibt Ihnen ein Stück von Mozart oder Schubert etwas anderes als die aktuellen Radiocharts?

Ich höre nicht nur Klassik. In jeder Musikrichtung gibt es spannende oder weniger spannende Songs oder Werke für mich. Sie erzählen alle mehr oder weniger von eben den Dingen, die die Menschen bewegen und betreffen. Klassik für „elitär“ zu halten, ist deshalb fraglich, finde ich.

Kennen Sie eine sinnvolle Definition des Unterschieds zwischen U- und E-Musik?

(lacht) Nein. Das gibt es ja auch tatsächlich nur in Deutschland. Aber die Diskussion darum, diesen Unterschied abzuschaffen, läuft ja auch schon seit Jahren.

Mancher Schlager behandelt sein Thema tiefergehend als die ein oder andere Oper.

Auch bei Opern kann man fragen, ob das nicht Unterhaltungsmusik ist. Die Oper war in vergangenen Jahrhunderten das, was heute Kinofilme und Fernsehsendungen sind. Sie können Kunstwerke sein und Unterhaltung, ich finde es schwierig, dort eine Grenze zu definieren.

Als Beispiel für bekannte Pianosongs in der U-Musik will ich nun mit Olga Scheps über „Ebony and Ivory“ von Paul McCartney/Stevie Wonder reden. Kennt sie jedoch nicht, und das ist auch verständlich: Die Pianistin wurde 1986 geboren, vier Jahre nach jenem Hit. Also erkläre ich:

Das ist ein Song, der die schwarz-weißen Klaviertasten als Metapher gegen Rassismus benutzt.

Okay, interessant. Damit habe ich die Tasten noch nie in Verbindung gebracht. Den Song muss ich mir mal anhören.

Was ist - ganz objektiv - an einem Steinway-Flügel besser als an anderen.

Sein Reichtum an Farben ist unvergleichlich. Ich habe auch schon an schönen Flügeln anderer Marken gesessen, aber an Steinway reichen sie einfach nicht ran.

Und um direkt das nächste Klischee abzuarbeiten: Gibt es typische Klavierfinger?

Kurze Nägel sind wichtig, und auffälliger Nagellack wäre schlecht, weil er abbröckelt beim Spielen. Was auffällt, wenn man drauf achtet: Pianisten haben auch immer recht muskulöse Rücken und Arme.

Sie hatten mal einen Fahrradunfall, bei dem Sie sich einen Finger verletzten.

Das war Horror, aber ich fahre weiterhin gern Fahrrad. Sowas wie Inline-Skaten spare ich mir allerdings, und eine Versicherung für die Hände habe ich inzwischen auch.

Warum nicht gleich so?

Weil ich fand: Wer zu sehr ans Unglück denkt, der zieht es an. Aber irgendwann habe ich auch eingesehen, dass es sinnvoll ist.

Sie spielen demnächst in der Kölner Philharmonie, die besten Karten werden 90 Euro kosten. Wie erklärt sich so ein Preis?

90 Euro? Hm, das ist bei jedem Veranstalter anders. Gut finde ich, dass man in Köln Ermäßigungen bekommt, als Studentin habe ich meistens nicht mehr als 10 Euro bezahlt. Schon 30 Euro wären für viele Studenten ein Grund, ein Konzert nicht zu besuchen, und so etwas finde ich schlimm. Ich finde jeder sollte sich das leisten können.

Sie treten demnächst in Südkorea auf. Wie reagieren die Leute dort auf Chopin oder Schubert?

In Südkorea war ich bislang noch nie. Aber meine Erfahrung mit Asien ist, dass das Klavier dort Kultstatus genießt und noch präsenter ist als hier. Allein in China gibt es 80 Millionen Klavierspieler. Das Publikum bei meinen Konzerten ist genauso gemischt wie hier.

300 Jahre alte chinesische Musik wäre mir vermutlich sehr fremd. Ist man in Asien vertraut mit europäischer Klassik?

Ja, das Interesse ist ganz verstärkt da. Wie auf Südkorea freue ich mich auch auf London, wo ich demnächst spiele - eine meiner absoluten Lieblingsstädte.

Sie haben mal gesagt, ihr einziger Plan B neben dem Klavierspielen wäre, sich einen Plan B auszudenken. Sind Sie inzwischen weitergekommen?

(lacht) Nein. Ich habe schon zu Schulzeiten darüber nachgedacht, vom Klavierspielen zu leben. Im 11. Schuljahr habe ich dann damit ernstgemacht: also das Abitur abgebrochen und Musik studiert. Es hat sich einfach richtig angefühlt, mein Leben komplett der Musik zu widmen. Und das tut es bis heute.