Mittwoch, 27. Juni 2012

Am Aachener Weiher

Geschichten aus 1111 Nächten (23)

Am Aachener Weiher

Der Heilige Willy hatte einen seiner besonders heiligen Tage. Beschwingt von ein paar leckeren Likörchen beschloss er, seinem Volk eine Freude zu bereiten und zugleich seinen Ruhm zu mehren. Also machte er sich auf zum Aachener Weiher, wo unter sengender Sonne gegrillt wurde, was das Zeug hielt.
„Warst du schon einmal hier?“ fragte er einen über seinem Wegwerfaluset schwitzenden Jüngling.
„Nein“, antwortete dieser.
„Hier, eine eiskalte Flasche Bier.“
Nebenan aalte sich eine blonde Schönheit in der Sonne.
„Warst du schon einmal hier, mein Kind?“
„Ja“, antwortete die Maid.
„Hier, eine eiskalte Flasche Bier.“
Auch der faule, rot- und rotznasige Anton lag irgendwo zwischen halbversenften Würstchenschalen und einem vergrasten Haufen Kartoffelsalat. Gerade hatte er wohlig wegnicken wollen, als des Heiligen Willys Vorgehen seine Neugier erregte. Nun rollte er sich behäbig vor ihn hin:
„Wie kommt es denn, Meister, dass Ihr jedem das Gleiche offeriert, egal, wie seine Antwort ausfällt?“
Da beugte sich der Heilige Willy zu ihm herab und sagte:
„Hier, eine eiskalte Flasche Bier.“

Da hilft auch kein Bier mehr


Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

Mittwoch, 20. Juni 2012

Geschichten aus 1111 Nächten (23)

Der reiche Kneipier

In Lindweiler lebte einst ein kleiner kölscher Kneipenwirt, der nur ein Ziel hatte: reich zu werden. Pfennig für Pfennig sparte er, ohne sich jemals etwas zu gönnen. Sein Brot war das eingeschweißte vom Aldi, seine Klamotten kaufte er bei KiK, und die Kölschgläser für seine Gäste klaute er sich in Biergärten zusammen. Dreißig Jahre lang stand er an seinem elenden Zapfhahn, ohne je eine einzige Freude empfunden zu haben. Mit Beginn des 31. Jahres jedoch leerte er all seine Sparstrümpfe und stellte fest: Ich bin reich!
Der kleine Kneipenwirt änderte schlagartig sein Leben. Ging zum besten Friseur des Viertels, zur Maniküre und zum plastischen Chirurgen. Aß im Le Moissonnier und bestellte sich feinste Kleider bei Hugo Boss. Und um mal richtig einen draufzumachen, fuhr er nach Düsseldorf.
Als er am folgenden Tag unter einem eleganten Borsalino, im weißen Anzug und mit einem vergoldeten Stöckchen über die Kö stakste, erfasste ihn der Porsche Targa einer halbblinden Millionärsgattin. Der Schock war tödlich, sofort wurde er von neugierigen Gaffern umringt. Ein letztes Mal erhob er die schwache Stimme, gezeichnet von Schmerz, die Augen voller bitterer Tränen, und rief zum Himmel:
„Warum? … Warum hast du mich heute mit dem Tode bestraft, mein Gott?“
Zum großen Erstaunen der Umstehenden öffneten sich in diesem Moment die Wolken, und das feiste Gesicht des heiligen Willy erschien am Firmament. Und der antwortete:
„Um die Wahrheit zu sagen, mein Lieber, ich habe dich nicht erkannt.“



 Rambazamba


Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

Mittwoch, 13. Juni 2012


Fundstücke (18)

Die Frau des Apothekers

Kneipe, Altstadt
Blondierter Mittvierziger: „Hörma, Kleiner: Wenn wir zwei auf die Piste gehen und finden dieselbe Lady gut. Wat meinste, wer die kriegt?“
20-Jähriger: (schweigt)

Die Frau des Apothekers
Auch wir Jüngeren wagten das große Abenteuer und rutschten, von einem Sitz auf den anderen wechselnd, langsam immer näher zu ihr hin. Sie aber schaute keinen an, rauchte langsam durch die Maschen ihres Hutschleiers und spitzte dabei ihre vollen Lippen. Mit nahezu schielenden Augen blickte sie starr auf die Leinwand, während wir uns keuchend und mit heftig pochendem Herzen eifrig an ihren Schenkeln zu schaffen machten.“
(aus: Federico Fellini: „Fellini über Fellini“, über“)

Efeu
„Fett ist bei alten Frauen das, was bei Trümmern der Efeu ist: Es verbirgt die Ruine und hält sie gleichzeitig zusammen.“
(aus: Gustave Flaubert: Reise in den Orient; Flaubert war damals 27)

Kneipe, Altstadt
Blondierter Mittvierziger: „Isch krieje die. Un dann kannste an de Thek jonn un dir noch ene Batida de Coco bestellen. Du Flönz.“
20-Jähriger: (schweigt)

Neumarkt
Schnorrerin: „Haste ma ne Maak?“
Arschloch: „Klar, tanz mir was vor.“
Schnorrerin: „Nö.“

Pornobäcker im Kölner Westen

Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

Mittwoch, 6. Juni 2012

Thekentänzer (56)

15 Büchsen Gaffel

Kaum sitzt er neben mir, fängt er auch schon ein Gespräch an:
„Man gönnt sich ja sonst nichts“, sagt er. Dann nimmt er einen kräftigen Schluck aus seinem Glas und atmet genießerisch aus.
„Ich hab 38 Jahre gearbeitet, immer auf Montage. Aber meinst du, ich würd ne Rente kriegen? Meine Beine sind kaputt. Meine Arme sind kaputt. Weißt du, was als einziges noch geht?“
Er sieht mich an, mit seinen rotunterlaufenen Augen, und irgendwo unterm Ziegenbart verzieht sich ein Paar aufgeplatzter Lippen. Dann hebt er demonstrativ sein Bierglas und führt es an den Mund.
„Bier ist doch der einzige Trost, der einem bleibt. Gleich muss ich ins Krankenhaus, weil ich meine Medikamente verloren hab. Keine Ahnung, wo. Im Marienhospital im Kunibertsviertel haben die mich letztens ne ganze Woche kostenlos dabehalten. Das war früher ein Armenhospital. Ich habe keine Krankenversicherung, weißt du.“
Die Kellnerin zapft unsere nächsten beiden Guinness. Noch immer sitzt hier niemand sonst, aber es ist ja auch erst kurz nach 12 Uhr mittags. Die Dubliners erzählen, recht passend, von den „Seven drunken nights“.
„Ich lebe jetzt seit zwei Jahren auf der Straße. Aber ich habe einen guten Schlafsack! 18 Grad minus machen mir nichts aus. Die sind sogar besser für mich als Hitze. Wegen meiner Atembeschwerden.“
Seine Kippen dreht er superdünn, die transparenten Rizlablättchen gehen aus, bevor der wertvolle Tabak verqualmt.
„Deshalb rauch ich auch nie mit Filter. Weil man da noch mehr von husten muss. Früher gabs für mich nur Rote Hand. Das ist noch eine Zigarrette! Selbst Reval ist Kinderkram. Nur Rote Hand!“
Die Kippe liegt auf Stand-by im Aschenbecher, während er in seiner Jacke fummelt. Sein Kleingeld zählt er mit ruhigen Fingern.
„Letztens war ich am Gürzenich, Hinterausgang, da kamen die Bringse raus. Als die mich sahen, haben die in den Kofferaum gegriffen. 15 Dosen Gaffel haben die mir geschenkt. Die sind schwer in Ordnung, die Jungs.“
Offenbar reicht das Geld nicht für ein drittes Glas, aber er trägt das mit Fassung. In der Tür dreht er sich noch einmal um.
„Hab ich mit meinen Leuten auf der Domplatte geteilt. Ich trink doch keine 15 Büchsen Bier alleine. Obwohl: Ich hab schon ganz anderes geschafft.“

 Wir haben schon ganz anderes geschafft


Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.