Mittwoch, 25. Mai 2011

Thekentänzer (45)

Trixi hatte ein süßes Näschen

Sie: „Okay, lies mal vor!“
Er: „Trixi hatte ein süßes Näschen, aber ihre Telefonnummer wollte sie mir nicht geben …“
Sie: „Das ist ein totaler Macho-Anfang.“
„Wieso das denn?“
„Na, schon dieses ´aber´.“
„Was soll denn an einem ´aber´ falsch sein?“
„Ja, weil du damit einen Zusammenhang herstellst.“
„Welchen denn, wenn ich fragen darf?“
„Die hatte ein ´süßes Näschen´, ABER wollte ihre Telefonnumer nicht rausrücken. Damit stellst du die Nase in einen Zusammenhang zum Nichtherausrücken.“
„Ja klar tue ich das. Weil ich wollte ja der ihre Nummer, damit ich die süße Nase wiedersehe.“
„Das sagst du damit aber nicht! Sondern dass alle mit „süßen Näschen“ dir gefälligst ihre Nummer zu geben haben.“
„Alle? Alle aber mal noch lange nicht!“
„Doch, genau das ist die sprachliche Logik hinter diesem Scheiß.“
„Logisch soll das sein? Son Quatsch, zum Beispiel gibt es ja auch Ischen, die haben vielleicht eine hübsche Nase, aber von denen will ich die Nummer gar nicht.“
„Stellst du dich eigentlich extra so blöd?“
„Überleg doch mal: Dann haben die meinetwegen keine hübschen Finger oder gehen ganz krumm, dann interessiert mich die süße Nase nämlich gar nicht mehr.“
„Du Depp, und dann auch noch, dass du die Trixi nennst.“
„Aber die hieß wirklich Trixi!“
„Is klar, glaub ich nicht. Und was heißt überhaupt ´süß´? Da fängt´s doch schon an.“
„Ja, weil die war eben süß, die Nase. Irgendwie.“
„Also hast du an der geknabbert oder was?“
„Nee, aber dafür wollte ich ja die Telefonnummer von der, was ist denn dadran so schwer zu verstehen?“
„Weil ´süß´ ist ein total abgenudeltes, dämliches Machoattribut, das ist von 1950.“
„Verstehe ich nicht, aber weißt du was?“
„Hm?“
„Du hast recht, ich ändere den Anfang.“
Er macht sich einige Minuten lang Notizen.
Sie: „Finde ich toll von dir, wirklich. Da gibt’s nicht viele Macker, die in so Sachen Einsicht zeigen.“
Er: „Ich schreibe einfach: Trixi hatte ein süßes Näschen, und ihre Telefonnummer habe ich jetzt auch.“

Süßes Näschen



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Mittwoch, 18. Mai 2011

Thekentänzer (44)

Maik aus Sachsen-Anhalt

Maik ist Ende 40, sieht aber 20 Jahre älter aus. Seine Lippen ein schiefer, kurzer Strich, seine Zähne braune Stumpen und dahinter eine Zunge, die einen fast vollkommen unverständlichen Dialekt intoniert.
„Dahinten, die Bushalte, das Wartehäuschen. Da würd ich meine Finger nicht in den Mülleimer stecken.“
Maik schnappt sich sein Köstritzer und schielt verschwörerisch über den Glasrand. Dann legt er den Handrücken unter die Nase und schnieft.
„Alles voll Spritzen da, ich sags dir. Aber ich kenne die Umschlagplätze von denen. Ich kenne die alle.“
Sein Dorf hat etwa 150 Einwohner, die meisten Häuser stehen leer, DDR eben. Friedlich fließt die Unstrut durchs Land.
„Aber wenn du was sagst, ist klar. Die machen dich kalt, da steckt ne Menge Geld hinter.“
Auf dem Schornstein des Nachbarhauses nistet ein Storchenpaar. Drinnen in der Kneipe läuft den ganzen Tag Storchenfernsehen. Vom Kirchturm aus beobachtet eine Kamera das Geschehen im Nest, der beste Sender der Welt.
„Die kommen seit Neunzehnzweiundsiebzig. Und dann sind die flügge, verstehst du. Springen ausm Nest zum ersten Flug, und britzel und Ende. Hängen die da in den Stromleitungen, hatten wir schon oft.“
Der zweite Storch landet, der andere fliegt los. Ein dickes Auto fährt vorbei.
„20 Jahre alt, nix geleistet im Leben, aber nen nagelneuen BMW: Wie soll das denn gehen? - Na, nur mit dem Dealen, ist doch klar. Was soll ich sagen, seit Mutter tot ist, schlaf ich in der Wohnstube. Was soll ich denn oben mit dem Schlafzimmer? Unten Küche und Wohnstube, das reicht mir völlig. Klar lüfte ich oben, sonst verkommt das Haus ja. Ich geh jeden Tag hoch und lüfte ordentlich durch.“
Maik raucht Selbstgestopfte und ist seit 1991 arbeitslos. Sein Chemiewerk schloss direkt nach der Wende.
„Ich bin ja allein, ich verheize nur Holz. Hol ich ausm Wald, nur was aufm Boden liegt, da sagt der Förster nix. Als Soldat war ich in jedem Puff, wo ich vorbeikam. Also die Nutten damals, wie ich bei der Armee war. Ich sag dir.“
Der Storch sortiert Äste aus dem Nest, nimmt sie in den Schnabel und schleudert sie mit einer ruckartigen Kopfbewegung über die Brüstung.
„Das ist das Weibchen“, sagt Maik, „das ist da oben wie im richtigen Leben: Der Mann kommt immer zuerst, baut dem Weibchen das Nest, und dann schmeißt die alles raus, was ihr nicht passt. Wie im richtigen Leben.“
„Quatsch nicht rum, Kamerad“, sagt der Wirt, als er mit neuen Humpen anrückt. Der BMW röhrt zum vierten, fünften Mal vorbei.
„Für mich gibt’s ja nur Dunkelhaarige. Ne Blonde käm mir gar nicht ins Haus. Auch nicht ne blond gefärbte Dunkelhaarige, die schon erst recht nicht, wo man dann den dreckigen Haaransatz sieht. Aber ich hatte wirklich mal ne Freundin, in Leipzig. Immer wenn in Leipzig Messe war, durfte ich nicht zu der. Da kommen so Onkels, hat die Tochter mir dann mal erzählt, und die streicheln mich hier und da.“
Maik kneift die Lippen noch etwas fester zusammen, genauso die Augen.
„Wo ist das Amt? Hab ich mich da gefragt. Aber ich wusste ja nicht, wo das ist. Das Amt. Und wenn man was sagt, wenn man sich da mal beschwert. Man kennt das ja.“
Maik schweift ab, erzählt vom „Amt“. Dass er schon ans Abwassersystem angeschlossen ist, während Nachbars noch in die Klärgrube kacken. Dass er nur mit Holz heizt und in der Wohnstube schläft. Er wartet, bis der Wirt wieder zapfen geht, blickt ihm hinterher und dreht sich dann jäh um.
„Naja, ich bin dann zu dem Mädchen hin das nächste Mal. Die war ja ganz verschüchtert war die. Also sag ich der: Vor dem Onkel Maik brauchst du keine Angst zu haben. Weil der Onkel Maik macht sowas nicht. Und ich hab ihr auch was Süßes mitgebracht.“


In der DDR


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Mittwoch, 11. Mai 2011

Deutschlandreisen (8)

Die Hallertau und der Weizen-Bock

Hopfen wächst an solchen galgenartigen Stangen, und zwar wie der Teufel: acht Meter in zwei Monaten, manchmal 30 Zentimeter am Tag.


Hopfen ist schwer zu lagern, deshalb wurde er ursprünglich überall angebaut. Irgendwann jedoch blieb die bayrische Hallertau übrig, die inzwischen ein Drittel des Welthandels bedient. In der alten Zeit brachte man die Ernte noch mit dem Holzkarren ein.


Die wertvollen Dolden, die übrigens nur an weiblichen Pflanzen wachsen, trennten sodann die Hupfenzupferinnen vom Gerank.


Und damit in jeden Sack möglichst viel hineinging, ließ sich der Hopfentreter in den Sack hinab, wurde mit Dolden überschüttet und stampfte herum und stauchte zusammen. Ein seltsamer Job, wie dieses Foto zeigt.


Über das fertige Produkt machen sich dann zum Beispiel diese Jungs her.


Wo man das alles lernt? - Im Deutschen Hopfenmuseum in Wolnzach/Hallertau (s. www.hopfenmuseum.de), das übrigens offenkundig wie ein Hopfenstangenfeld gebaut ist.


Nur was das Ganze jetzt mit dem FC zu tun, versteht kein Mensch.



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Mittwoch, 4. Mai 2011

Deutschlandreisen (7)

Schillers Nase

Friedrich Schiller stammt aus Marbach, und da steht auch das nach ihm benannte Nationalmuseum. Sein Denkmal dort auf der Schillerhöhe wurde aus eingeschmolzenen französischen Kanonen des Krieges 1870/71 gegossen.


In seinen jungen Jahren soll Friedrich ein kleiner Bonvivant gewesen sein. Die offene Bluse hier, so sagt man, sei damals recht gewagt gewesen.



Und um 1800 herum, der Dichter war damals bereits 41, trug er diese Kniestrümpfe, deren Längsstreifen seinerzeit angeblich der letzte Schrei waren.


In seiner Wohnung stand diese aufreizende, beinahe lebensgroße Statuette. Das ursprünglich fleischfarbene Pin-up-Girl trug den anzüglichen Namen „Die Frierende“.


Aber Schiller hatte es jenseits dessen auch mit seiner Mama, die ihm Briefe mit Rezepten wie dem folgenden schrieb:

Qütten Hüppen ohne Feuer und Eissen zu Machen

Erstlich nimt man Etlich Schöne Zeigtige Qütten, reibt solche mit einem Dug ab, thuts in ein Häffele, giest waßer da rüber, lest allgemach Sieden Biß die Haut Herunder geht, dan wans zu schnell Sieden so springens gern auff und werden wässerig, als dan wird die schelen Sauber Herunder gezogen, und mit einem gutten Messer daß Marck fein in ein Sauber schüssele geschapt, daß Keine stückle oder Knölle giebt.

Wenn Schiller selber schrieb, dann kragelig, krumm und schief. Nämlich so:


Und wenn man sich seine Totenmaske genauer ansieht, dann war auch seine Nase nicht so gerade, wie sie immer dargestellt wird.





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