Mittwoch, 25. Juli 2012

Thekentänzer (58)

Cilia grinst

Cilia redet nicht viel. Und wenn sie spricht,
dann leise und langsam. Sie passt nicht
in diese abgewichste Bude hier, aber, hm,
wer will hier schon reinpassen.

Am hübschesten ist sie in ihrer roten Lederjacke.
Die stammt aus den 80ern, hat dezente
Schulterpolster und sitzt auf den Hüften auf. Wie bei
Michael Jackson im Thriller-Video.

Cilia sagt, dass sie am liebsten Dosenbier trinkt.
Wegen der alten Zeiten. Dabei kommt sie deinem Ohr
so nah, wie es ihre Stimme verlangt, und dann
weicht sie ganz schnell wieder zurück.

Sehr süß.

Manchmal, sagt sie, geht sie zum Rewe, weil es
dort noch Hansa-Pils in Büchsen gibt. Und
sogar in der alten 0,33er-Einheit. Nullfünferdosen
sind scheiße, sagt Cilia.

Cilia sagt, man kann die Dosen
heute nur noch einzeln kaufen. Das
Sixpack im Plastikgeflecht mit den
sechs runden Ringen ist ausgestorben.

Und sie sagt, es muss „Dosenbier“, aber
„Bier in Büchsen“ heißen. Sie grinst
dabei ein bisschen neurotisch und weiß genau,
wie sie wirkt.

Dosenbier in Büchsen

Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

Mittwoch, 18. Juli 2012

Geschichten aus 1111 Nächten (24)

Das Nichts

Drei sehr gläubige Kölner hatten in der Altstadt einen über den Durst getrunken: der schielende Jean, der knollennasige Anton und der heilige Willy. Nun saßen sie kreuzdicht im Taxi und verhandelten die großen Themen der Schöpfung.
„Wenn ich an Gott denke“, seufzte Anton, „dann muss ich zugeben, dass ich wirklich sehr wenig wert bin.“
Jean unterdrückte seinen Schluckauf mit einem beherzten Räuspern und erwiderte:
„Wenn du alte Nase wenig wert bist, was bin dann ich? Dann bin ich ein Nichts!“
Der heilige Willy hatte sich während dieses hochkonzentrierten Gesprächs zum Fenster gedreht, um heimlich an seinem Flachmann zu ziehen. Nun jedoch, die Herren passierten gerade St. Maria im Kapitol, schaltete er sich entschlossen ein:
„Ihr elenden Salbaderer, was deucht euch, wie nichtig ihr seiet. Wenn du, Jean, ein Nichts bist, wo stehe dann ich? Ich will es euch sagen: Weniger als nichts bin ich. Ich rangiere unter allem Vorstellbaren.“
Zufrieden lehnte sich der heilige Willy zurück und verschränkte die Arme über der mächtigen Plauze. Aber er hatte seine Rechnung ohne den Taxifahrer gemacht. Dieser nämlich, ein Düsseldorfer, drehte sich nun zu seinen Gästen herum und sagte:
„Wenn Sie tatsächlich weniger als nichts sind, was bin dann ich? Dann gibt es doch sicher noch nicht einmal ein Wort, um mich zu beschreiben. Dann existiere ich ja gar nicht!“
Da sahen sich die drei Kölner an und seufzten:
„Was bildet dieser Kerl sich ein?“

Alles nichts

Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

Mittwoch, 11. Juli 2012

Thekentänzer (57)

Dünnbier und Arbeitskampf

„Früher durfte man im Stahlwerk noch trinken. Wir bekamen das Zeug von den Krupps sogar gestellt. War allerdings Dünnbier, überhaupt kein Wumm dahinter. Also haben wir das in Wassereimer zum Kühlen gestellt und gewartet, bis das Etikett abgeschwemmt war. Und dann die Flaschen gegen ordentliche ausgetauscht.
Ich war 30 Jahre bei Krupp, habe da als 14-Jähriger angefangen. Als die Stahlkrise losging, Anfang der 80er, war ich 50. Überleg mal: 50 Jahre alt, eine Frau, zwei Kinder. Auto, Wohnung, kranke Mutter. Das Übliche. Da bleibt dir nichts.
Hier im Teichmanns war schon der Kaiser Wilhelm. Der hat das Werk eingeweiht und dabei seinen Spaß gehabt. Legt seine nagelneue goldene Uhr auf den Amboss und sagt dem Arbeiter: Jetzt zeig mir doch mal diese komische Chose namens Hydraulik. Der Arbeiter lässt den Hammer fahren, stoppt ihn millimetergenau vor der Uhr. Und bekommt sie geschenkt.
Nachher hat der Kaiser noch einen Absacker genommen. Hier im Teichmanns, das ist erwiesen. Das kann man nachlesen.
Hat ja dann nichts geholfen, der ganze Arbeitskampf. ´87 war Schluss, 88 ist meine Frau gestorben. Aber ich war auch vorher schon immer beim Teichmanns. Der Alte, Frieder Teichmann, war einer von uns. Arbeitsunfall, und dann eben eine Kneipe aufgemacht. „Doppelbestattung“ haben wir das genannt, wenn immer zwei Schichten aufeinandertrafen. Um 6, um 14 und um 22 Uhr, die Früh-, Spät- und Nachtschicht. Für die einen ging´s auf Heim an, für die anderen zur Maloche. Aber alle hatten Durst. Das Teichmanns war eine Goldgrube, glaub´s mir.
Heutzutage, das ist doch alles Mist. Unser Werk haben die abgebaut, Schraube für Schraube. das steht jetzt irgendwo in China. Im Teichmanns machen die am Wochenende Schlagerpartys, nur damit ein paar Leute kommen. Früher, zur Doppelbestattung, standen hier ein paar hundert Fahrräder vor der Tür. Heute sitzen wir zum Frühschoppen höchstens mal zu fünft beieinander. Und ein Bier und ein Korn sind billiger als vor 30 Jahren, jetzt frag dich mal, wieso.
Manchmal stehe ich vor unserem alten Werkstor, und mir kommen die Tränen. Dann gehe ich nicht direkt zum Teichmanns, sondern erst durch die Werkstraße. Da brauche ich Mut für, könnte ich nicht jeden Tag machen. Hier wurde der härteste Stahl von der Welt produziert, glaub mir das. Aber heutzutage ist ja alles nur noch aus Plastik.“



Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

Mittwoch, 4. Juli 2012

Straßenkämpfer (22)

Grünseidene Jacke, silberne Lederboots

Jede Alte wird doch wahnsinnig, wenn
Ihr Typ so affengeil rumläuft.
Grünseidene Jacke
Silberne Lederboots, da
Kommen sie doch alle
Angerannt.
Mir fehlt aber auch
Rein gar nichts, da
Kommen sie schon wieder
Angerannt.

Spiel das noch mal!
Zieh das
Nochmal an und
Dann wieder aus und schüttel
Die Haare nochmal so wie ein
Hecheln, s´ist
Angerichtet, Baby.

Was ich nicht weiß
Hat mich noch nie verletzt
Wovor ich Respekt habe
Raffst du nicht,denn
Ich bin primitiv, ich
Nehme, was du mir gibst, seis Liebe
Seis Leben.
Was ich durchziehe, hast du
Noch nich mal probiert, ich scheiß
Auf mein Leben und
Frag mich ja nicht,
warum.
Primitiv, ich leb
Primitiv, weil ich liebe und lebe

Is das nich
Ne schöne Welt?
Du bist gut drauf!
Ich bin irre!
Wir starten voll durch.
Die Reifen greifen,
es drückt dich in´n Sitz
das Leben ist
wundervoll.

Noch ein Blick übern Hafen
Die Arme werdn schwer am Lenker, sieh
Das bist du da hinten
Der mit dem König rumschlendert, und vielleicht
Verliebt der sich ja auch bald mal wieder.

Vielleicht.
Vielleicht.
Vielleicht verlieb ich mich
Sogar in dich und
Schreib dann
Ein Lied drüber.

Flower Power

Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.