Mittwoch, 29. April 2009

Thekentänzer (13)

Tlhutlh heißt Trinken

„Pagh, pagh, pagh“, sagt der Typ links an der Theke. Immer wieder: „Pagh, pagh, pagh.“
„Hast du nen Dachschaden?“, frage ich, denn je lauter ich die Musik drehe, desto lauter macht er: „Pagh, pagh, pagh.“
„Das ist klingonisch“, erklärt er mir endlich. „Ich lern grad Klingonisch, irgendwie.“
„Und weißt du auch, was das heißt?“
„Null“, sagt er. „Das heißt dreimal null.“
Richtig gelacht darüber hat nur die kleine dralle Frau, die schon seit acht Uhr auf ihrem Hocker sitzt. Fünf Becks, fünf Saure, fuffzig Fluppen, und dann pöbelt sie plötzlich nach rechts rüber:
„Jerôme, du alte Flasche.“
Jerôme, im Begriff, einen weiteren Jameson zu kippen, zuckt zusammen.
„Wie sieht´s denn aus, Alter, hm? Letzte Woche haste mir doch noch erzählt, wie scharf du auf mich bist.“
Jerôme scheint kleiner zu werden, mindestens um einen Kopf.
„Nga'chuq“, sagt der Typ vom anderen Stern. Und das ist natürlich klingonisch und heißt „Sex“.
„Ich kenne die Frau nicht“, sagt Jerôme.
„Jetzt tu mal nicht so, du elende Pfeife“, sagt die Dralle und boxt ihm auf den Oberarm. Mit der anderen Hand bestellt sie zwei Saure.
Ein riesengroßer Nordafrikaner fällt durch die Tür und baut sich hinter den Hockern auf: „Nix los in der Stadt“, sagt er. „Total tote Hose überall.“
„Scheiße“, sagt Jerôme.
„Nee echt“, sagt der Riese, „ich war schon in fünf anderen Läden. Überall nur so Kanaken wie ihr hier.“
„Ich brauch dich gar nicht, weißt du das überhaupt?“ Die Frau funkelt den völlig eingeschücherteten Jerôme jetzt böse an. „Ich bin nämlich schon längst vergeben.“
Alle lachen.
„Hlq“, macht der Klingone, „Hlq, Hlq, Hlq.“ Weil er dabei seine leere Flasche schwenkt, kann ich mir den Grunzlaut diesmal selber übersetzen.
„In Österreich ist das ein kompletter Studiengang“, sagt er, als ich sein neues Bud auf die Theke stelle. „Da kannst du Klingonisch ganz in echt studieren.“
„Wär das nix für dich?“, frage ich.
Jerôme trinkt einen letzten Whiskey und will zahlen. Die kleine Frau ist zurück auf ihren Barhocker geklettert und versinkt in Schweigen. Der Klingone gibt mir einen Sauren aus, dann ich ihm einen. Danach wieder er mir einen. Bald ist er total chech, und ich auch.
Am nächsten Tag: schlimme QuHvaj.



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Mittwoch, 22. April 2009

Straßenkämpfer (5)

Klein, dick, Brille

In den Osterferien führe ich eine Grundschulklasse durch einen Kölner Park. Und da ist dieser kleine, dicke, bebrillte Junge, mit dem in der Pause niemand spielen will. Also schnappe ich mir einen Fußball und gehe mit ihm kicken.
„Ich kann auch ein paar super Tricks“, sagt der Junge. In Wirklichkeit ist er gnadenlos untalentiert. Vorhin, als ein kleiner Waldhügel überklettert werden musste, habe ich ihn bei der Hand genommen. Hoch war er gekommen, aber der Abstieg machte ihm Angst. Hinzu kam, dass er ein Paar grüne Plastikschlappen an den Füßen trägt.
„Die hat mir meine Mami geschenkt“, sagt er.
Ich lasse ihn seine Tricks üben und setze mich ein bisschen zu der begleitenden Erzieherin.
„Woran“, fragt sie mich, „erkennt man die Kinder aus dem Neubaugebiet?“ Und gibt die Antwort gleich selbst: „Das sind die mit den bunten Kleidern, die die Blümchen sammeln.“
Das sind auch die mit den in Streifen geschnittenen Möhren zum Dinkelbrot, während der kleine Dicke in seiner Tupperdose nur eines hat: Schokowaffeln.
„Mein Papi hat eine neue Frau“, erzählt er. „Und dass er nie wiederkommt, hat er gesagt, hat die Mami gesagt.“
Wir wechseln vom Fuß- zum Federball. „Entscheide dich doch mal, ob du mit links oder rechts schlagen willst“, sage ich, nachdem ich den hundertsten Ball aufgehoben habe.
„Ich weiß aber nicht ...“, sagt er.
„Mit welcher Hand schreibst du denn?“
Der Junge betrachtet seine Hände. „Das fällt mir gerade nicht ein“, sagt er.
Als wir zu dem kleinen Waldstück kommen, hebe ich eine Buchecker auf. „Weiß jemand, was das ist?“, frage ich.
„Das sind diese Dinger aus den Tüten von Weihnachten, wo man die Schale aufbrechen muss“, sagt der Junge.
„Der meint Pistazien“, erklärt eines der Neubaugebietsmädchen kichernd.
Der Federball ist futsch, der Junge sagt, er habe ihn aus Versehen ins Gebüsch geschlagen. Wir suchen eine Weile zwischen den Brennnsesseln herum, erfolglos.
„Eines unserer Kinder ist an Kleptomanie erkrankt“, erzählt die Erzieherin. Welches, das darf sie nicht sagen.



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Mittwoch, 15. April 2009

Surfin´ Cologne (4)

Der 2. Oktober 1818

In der Raderthaler Schultze-Delitzsch-Straße stehen ein paar neogotische Häuser. Die Neogotik ist eine Epoche des 19. Jahrhunderts, der wir unter anderem den Weiterbau des Kölner Doms im Jahr 1842 verdanken. Ihr Gründungsvater, der Architekt und Professor Conrad Wilhelm Hase, ging davon aus, die Gotik sei eine urdeutsche Erfindung und außerdem dermaßen pures Mittelalter, dass man sie als volksseeliger Romantiker unbedingt wiederbeleben müsse.
Hase wurde am 2. Oktober 1818 geboren, dem selben Tag, an dem Goethe einen Brief an Johann Salomo Christoph Schweigger schrieb. Daraus überliefert sind jedoch nur die folgenden Zeilen, die keine zuverlässigen Rückschlüsse auf den Inhalt zulassen: „auf's freundlichste zu begrüßen finde eine schöne Gelegenheit. Herr Osann, ein junger Mann.“
Um die Spur weiterzuverfolgen, hält man sich also besser an jenen Schweigger. Der Physiker und Chemiker lebte von 1779 bis 1857 und habilitierte kurioserweise auf der Basis einer Doktorarbeit über Homer, bevor er sich den Naturwissenschaften zuwandte. Man schrieb das Jahr 1808, als er verschiedene Elektrometer entwickelte. In ebenjenem Jahr, dies nur nebenbei, wurde der spätere Genossenschaftsfunktionär Hermann Schultze-Delitzsch geboren (und noch nebenbeier: Schweigger stammt aus Erlangen, Delitzsch aus Delitzsch, und Delitzsch und Erlangen spielen heutzutage beide in der 2. Handball-Bundesliga).
1808, und damit sind wir wieder auf dem Weg nach Köln, wurde der italienisch-katholische Fundamentalist Bartolomeo Pacca von Papst Pius VII. zum Minister gekürt. Er hatte sich im Streit mit dem nachrevolutionären Frankreich als treuer Hardliner des Heiligen Stuhls erwiesen. Bald darauf setzte Napoleon ihn deshalb fest und schickte ihn für mehrere Jahre in die Verbannung. Nach dem Sturz des Kaisers jedoch gelangte Pacca zurück in Amt und Würden, und es war just der 2. Oktober 1818, als er zum Kardinalpriester von San Lorenzo in Lucina aufstieg. Und wo hatte seine Karriere begonnen? – In Köln am Rhein, wo er am 24. April 1786 zum Nuntius ernannt worden war.
Während sich Pacca also gegen die Franzosen durchsetzte, verlor die Neogotik diesen Kampf. Um 1900 herum gewann in Deutschland nämlich die – absolut zutreffende – Meinung Oberhand, die Gotik sei eigentlich westlich des Rheins erfunden worden, stamme also vom gallischen Erzfeind. Und möglicherweise hätten auch ein paar rudimentäre Etymologie-Kenntnisse die Renaissance dieses Baustils verhindert. Das italienische Adjektiv „gotico“ bedeutet nämlich so viel wie „fremdartig“, „barbarisch“ und ist mithin ein Schimpfwort. Abgeleitet wurde es vom Germanenstamm der Goten.



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Mittwoch, 1. April 2009

Coloniales (14)

Der Grinkenschmied, oder: Wo der letzte Heinzelmann haust

Bekanntermaßen endet die Geschichte der Heinzelmännchen mit ihrer Flucht. Die neugierige Schneidersfrau hatte sie des Nachts in ihrem Keller überrascht, und da man sie nun einmal erblickt hatte, sah man sie danach nie wieder.
Natürlich kann niemand in Köln zufrieden sein mit diesem Ende, erledigten diese Zwerge doch zuzeiten alle liegengebliebenen Arbeiten. Außerdem gehörten sie zu Köln wie der Dom und 4711. Einen poetischen Kompromiss fand schließlich der Autor und Heimatforscher Franz-Peter Kürten (1891-1957). Er wollte herausgefunden haben, dass zumindest ein Heinzelmann seiner Heimat treu geblieben sei. Der Grinkenschmied nämlich habe in Höhenhaus Asyl gefunden, in einer Höhle am Emberg, genannt „Aan de sibbe Bäum“. Von dort aus hatte er seine geliebte Domstadt immer im Blick.
Bei Grinken handelt es sich um jene metallenen Bänder, die um die hölzernen Reifen von Bauernkarren gespannt wurden. Dem Grinkenschmied, so wird behauptet, habe man lediglich das Material vor seine Werkstatt legen müssen, um am nächsten Morgen das fertige Produkt abzuholen. In Höhenhaus griff man die Fortsetzung der alten Legende gerne auf. Im Mai 1979 wurde dem Grinkenschmied ein Denkmal gesetzt. Seine bronzene Tafel steht in einer eigenen Nische am Rande des Wupperplatzes, dem zentralen Treffpunkt des Ortes. Der Heinzelmann mit den rgoßen Augen und dem Vollbart schwingt den schweren Hammer seines Gewerbes, unter ihm warten Arbeitsmaterial und Amboss auf den Schlag.
Einmal im Jahr wird der Höhenhauser Dorfgnom symbolisch zum Leben erweckt. Im Rahmen eines Festzuges trägt man ihn sodann durch die Straßen, bevor er für drei Tage über das Kirmestreiben wacht. Danach, so muss man sich das wohl vorstellen, kehrt er glücklich und zufrieden in seine Höhle zurück.



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Thekentänzer (12)

The Green Lobster

Ein irischer Kellner erklärt einem englischen Touristen die Stadt Köln:

Kellner: Die sind wie wir in Cork, you know. Die sind sehr stolz auf ihre Stadt.
Tourist: What was it in German again?
Kellner: Köln. Cologne is Köln. Und sie singen die ganze Zeit. They got their own songs, you know. Wobei, genau genommen haben sie die meisten Melodien bei uns geklaut.
Tourist: (lacht)

Ein deutscher Mann tritt ein, Mitte 40, Marke: einst trinkender Künstler, heute künstelnder Trinker.

Trinker: Häff ju siss riel Guinness from aut of se Büchse?
Kellner: WHAT???
Trinker: Büchse. Dose. Mit den Kapseln. Cäppsels, weißt du? Gutt staff, lecker.
Kellner: Wir finden hier frisch gezapftes Bier besser. Aber an der Schildergasse gibt es den English Shop, der hat alles.
Trinker: Danke für den Tipp. Dann werd ich da mal hingehen.

Aus den Boxen schallt der Wild Rover, gesungen von den Dubliners.

Kellner: This song was also germanized. They sing “At the north sea coast” or something like that. It´s terrible.
Tourist: Yes, sure.
Kellner: What else have you seen from the city?
Tourist: We went to the Green Lobster yesterday.
Kellner: The Green Lobster?
Tourist: Ja, oder so ähnlich.
Kellner: Okay, du meinst das Blue Shell.
Tourist: Genau, so hieß der Laden.
Kellner: Very old Kölsch-Pub.
Tourist: Is it?
Kellner: You know, Kölsch is the only language you can drink.
Tourist: Sounds funny enough.
Kellner: But it´s true!
Tourist: You know what?
Kellner: What?
Tourist: I´ll have one.
Kellner: A Kölsch?
Tourist: Yes.
Kellner: Alright so.



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