Mittwoch, 18. März 2009

Coloniales (13)

Der Platzjabbeck, oder: Die Fratze vom Rathausturm

Mit dem Platzjabbeck ist es ähnlich wie mit dem gegenüber hängenden Kallendresser: Über beide kursieren historisch widerlegbare Vorurteile. So wird man über die seltsame Fratze immer wieder hören, sie verspotte den Rat. Aber wie sollte das angehen, wo doch der Kölner Rat selbst im Jahr 1445 die Rechnung für diese Figur bezahlte und sie sodann am ehrwürdigen Ratsturm anbringen ließ? Und wie passt der vermeintliche Spott zu der Tatsache, dass die heute zu jeder vollen Stunde herausfahrende Zunge erst 1913 installiert wurde?
Nein, zur Ergründung des Platzjabbeck sollte man vielmehr bei seinem Namen anfangen. Während die erste Silbe („Platz“) lediglich auf den vor ihm liegenden Alter Markt verweist, stammt „beck“ vom französischen „le bec“, was soviel wie Schnabel, Mund bedeutet. Das kölsche Wort „Jappe“ wiederum bezeichnet einen – zum Beispiel beim Gähnen – weit aufgerissenen Mund. Und dieser wiederum rekurriert auf eine im Mittelalter sehr lebendige Sage um Karl den Großen. Er habe, so heißt es, seine drei Söhne aufgefordert, ihre Münder so weit wie möglich aufzusperren. Die Apfelstücke, die er den beiden Folgsamen unter ihnen hineintat, standen für ihre zukünftigen Anteile am Reich. Eine analoge Symbolik vermittelt der sogenannte „Schnapphans“ am Jenaer Rathaus.
Die Moral von der Geschicht´ ist simpel: Wer im richtigen Moment zuschnappt, der bekommt auch, was er möchte. Aber der Kölner Platzjabbeck stand auch noch für etwas anderes. 1396 besiegelten die Zünfte und Gaffeln ihren Sieg über die bis dato herrschenden Patriziergeschlechter mit dem Verbundbrief, der ersten Stadtverfassung. Als äußerliches Symbol dieses Triumphes wurde der Rathausturm errichtet (1407-14). Der furchteinflößende Kerl mit dem Schlapphut, den aufgerissenen Augen und dem wilden Bart markiert also vor allem das neue, etwas zu großspurige Selbstbewusstsein des Bürgertums.



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