Mittwoch, 29. Dezember 2010

Thekentänzer (38)

Onkel Hubert ist tot

Ein etwa 50-jähriger Mann mit russlanddeutschem Akzent hat eine Frage: „Haben Sie hier richtige Guinness-Gläser?“
Die irische Kellnerin antwortet: „Ja“, und zeigt ihm eines.
„Wieviel kosten die?“
„5 Euro.“
Typ mit russlanddeutschem Akzent: „Dann nehme ich zwei, können Sie mir die einpacken?“
„Ja.“
Rechts an der Theke stehen zwei ältere Pärchen. Die Frauen trinken kleine Kilkennys, die Männer große Guinness. Einer der Männer ist ein furchtbarer Schwätzer, der keinen anderen zu Wort kommen lässt: „Jetzt hör mir mal zu: Mit dem Calmund kann man doch keinen normalen Sex machen, das kannst du mir doch nicht erzählen. Der hat ja dieses junge Ding, ich sach dir was: Die kann sich doch höchstens auf den draufsetzen, aber ich weiß noch, wie der Overath noch gespielt hat, da taugte der FC noch was, mit dem Calmund wären die besser gefahren.“
Aus den Boxen singt Chris de Burgh, dass man den Fährmann nicht bezahlen sollte, bevor man am anderen Ufer ist. Die Kellnerin wickelt zwei Pintgläser in die Sun.
Typ mit russlanddeutschem Akzent: „Gibt es die auch in kleiner?“
„Ja, als Half Pints.“
„Dann nehme ich lieber zwei davon.“
„Sie wollen die großen jetzt doch nicht?“
„Nein, die sind mir zu groß.“
Der Schwätzer hat indes das Thema gewechselt: „Warum spielen die hier eigentlich nicht mal was Irisches, nur diesen Amimist, also wirklich, für Fußball interessiere ich mich ja nur wegen meiner Tante Else, die hat mich da drangebracht, das habe ich dir bestimmt schon mal erzählt. Pass auf: Die hatte ihren Mann verloren im Krieg, meinen Onkel Hubert, und damals gab es den FC ja noch gar nicht, weil die sind ja dann erst fusioniert.“
Die Kellnerin wickelt die Pintgläser aus und verpackt stattdessen die Half Pints.
Typ mit russlanddeutschem Akzent: „Und was kosten die?“
„Auch 5 Euro.“
„Aber da passt doch nur die Hälfte rein!“
Die Kellnerin erwidert nichts - das ist der größte Moment dieses Einakters. Dann hat sie fertiggepackt.
„Zehn Euro dann bitte.“
Typ mit russlanddeutschem Akzent: „Danke.“
Der Alte nimmt den Beutel entgegen, geht zur Tür, dreht sich dann aber noch einmal um: „Also für den Preis hätte ich dann gern auch noch ein paar Bierdeckel.“
Der Schwätzer trinkt einen Schluck. Seine Frau kuckt dem Schluck hinterher. Gerade jetzt fällt ihr nichts ein, das sie in diese Pause hinein sagen könnte. Auch das andere Paar wirkt wie erstarrt. Die Kellnerin wirft dem Rußlanddeutschen eine Handvoll Bierdeckel in die Tüte, und anstatt nun endlich zu gehen, sagt dieser elende Mensch: „Noch paar mehr, bitte!“


Ein Hoch auf Onkel Hubert (Gästebuch des Marine-Ehrenmals in Laboe/Kieler Bucht)

Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

Keine Kommentare: