Mittwoch, 20. Juli 2016

Kölner Gespräche (54), heute: Mirko Lüdemann von den Kölner Haien

Mirko Lüdemann wurde 1973 in Weißwasser in der ehemaligen DDR geboren. Der Eishockeyspieler begann seine Karriere beim ES Weißwasser, wechselte 1991 nach Kanada und 1993 zu den Kölner Haien. 132 Einsätzen in der Nationalmannschaft stehen über 1.000 für die Haie gegenüber. Damit ist er Rekordspieler des Vereins, mit dem er zweimal Deutscher Meister wurde. Im April 2016 beendete er seine Karriere als Aktiver und wechselte in den Geschäftsbereich der Haie. Seine Trikotnummer 12, mit der er 23 Jahre auflief, wird dann nicht mehr vergeben. Mirko Lüdemann wohnt mit seiner Frau und Tochter in Sülz.

Herr Lüdemann, worüber wollen wir sprechen?

Übers Tontaubenschießen.

Das kenne ich nur als olympische Randsportart, die meistens morgens um halb 5 läuft.

Ja, leider. Denn das ist ein durchaus anspruchsvoller Sport - nicht unbedingt von der Bewegung, aber vom Ablauf her.

Tontaubenschießen erfordert den ganzen Mann?

So würde ich es nicht ausdrücken. Aber sagen wir: Man muss schon zielen können, und zwar mit beiden Augen.

Normalerweise visiert man beim Schießen mit einem Auge über Kimme und Korn. Warum brauchen Sie zwei?

Wenn das linke Auge zu ist, sehen Sie weniger, ganz einfach. Fliegt die Tontaube nach links, müssen Sie ihren Flug vorhersehen und nicht auf, sondern vor sie zielen. Beim Tontaubenschießen ist also jeder Schuss ein Schuss ins Blaue.

Darum geht´s?

Vorhalten, das ist es, was man am Anfang lernen muss. Man visiert die Taube zwar zunächst an, aber den Schuss muss man ein Stück vor sie setzen, um sie im Flug zu erwischen.

Haben Ihre Gewehre einen guten Sound?

Das knallt schon ordentlich. Beim ersten Mal habe ich den Fehler gemacht, ohne Ohrenschützer aufzutauchen. Danch hatte ich drei Tage lang ein Pfeifen im Ohr. Da hatte ich anfangs sogar richtig Schiss, dass da was kaputtgegangen ist.

Sie und Ihre Sportskameraden schießen mit Schrot. Damit trifft man doch alles.

Bis zu einer gewissen Entfernung schon. Aber bei 20, 30 Metern hört es dann auf.

Kennen Sie sich mit der Ballistik von Schrotpatronen aus?

Ich weiß jedenfalls, dass man sich auf 50 Meter problemlos hinstellen kann. Bis dahin ist der Schrot so verflogen, da tun Sie sich nicht mehr weh.

Was bedeutet das für den Schützen?

Dass man die Tontaube so schnell wie möglich runterholen sollte. Bei Olympischen Spielen werden Sie feststellen: Die Profis drücken praktisch sofort ab.

Was für einen Menschenschlag trifft man am Tontaubenschießstand?

Querbeet jeden, Männer wie Frauen. Leute eben, die Spaß daran haben, ein bisschen in der Luft rumzuballern. Oder sagen wir es ernster: Menschen, die mit sportlichem Hintergrund schießen möchten. Der besondere Kick ist vielleicht, dass wir nicht auf Scheiben zielen, sondern auf ein bewegliches Ziel.

Wie sind Sie zu Ihrem seltsamen Hobby gekommen?

Das war zuhause in Weißwasser. Kurz nach der Wende war dort ein ehemaliger russischer Schießstand umgebaut worden. Anfangs haben wir uns mit ein paar Jägern getroffen. Dann sind wir nach hinten auf die Trapbahn und haben uns gedacht, so, jetzt lassen wir mal ein paar Scheiben fliegen. Ich selbst mache das jetzt seit acht, neun Jahren.

Warum sind Sie dabeigeblieben?

(überlegt länger) Ich denke, es ist das Hochgefühl in dem Moment, wo man die Taube trifft.

Adrenalin?

So weit würde ich nicht gehen. Aber am Anfang trifft man halt gar nichts. Und sich allmählich zu verbessern, ist sehr befriedigend.

Konnten Sie sich mit den erwähnten Jägern von Weißwasser messen?

Ein richtiger Jäger schießt natürlich besser als Leute wie ich. Mit den Tontauben üben die für richtige Enten, wobei letztere, glaube ich, sogar noch ein bisschen schneller sind.

Und was heißt „besser“?

Von zehn Tauben trifft ein guter Jäger acht. Heutzutage komme ich im Schnitt auf sechs bis sieben. Aber ein Neuner war auch schon dabei.

Schonmal ein Turnier mitgemacht?

Nein, zumal man dafür Sportschütze sein müsste. Für mich ist das nur ein Hobby.

Dennoch sind Sie von Haus aus Berufssportler. Ist Tontaubenschießen für sie eher ein Mit- oder Gegeneinander?

Mein sportlicher Ehrgeiz ist dabei begrenzt. Ich will einfach nur eine schöne Zeit mit meinen Kumpels haben und bin froh, wenn ich die ein oder andere Taube treffe.

Es gibt verschiedene Modi beim Tontaubenschießen. Manchmal flattern auch Doubletten auf.

Stimmt, beim Skeetschießen. Die Scheiben kommen obendrein aus verschiedenen Richtungen. Da habe ich mich bisher noch nicht rangetraut. In der Heimat schießen wir nur Trap, da fliegen die Tauben einzeln. Woher sie kommen, weiß man da allerdings auch nicht. Es gibt immer fünf mögliche Positionen, also Abschussstellen.

Waren Sie mal mit auf einer richtigen Pirsch?

Einmal war ich tatsächlich dabei. Mit auf dem Hochsitz, aber leider kam nichts vorbei.

Das heißt, Sie hätten keine Probleme damit gehabt, auf richtige Tiere zu schießen?

Ich hätte gar nicht gedurft, nur der Jäger, mit dem ich unterwegs war. Dementsprechend habe ich auch kein eigenes Gewehr. Eine Weile hatte ich geplant, die nötigen Scheine zu machen. Aber da geriet ich dann in einen Konflikt mit meiner Frau. (lacht)

Weil sie an Bambi und die armen kleinen Wildschweine dachte?

Nein. (lacht) Sie dachte wohl eher an unseren nächsten Streit und dass ich dann runter in den Keller gehe.

Wo schießen Sie heute?

Wir hatten immer die Möglichkeit, in Troisdorf auf den Schießstand zu gehen. Einmal im Monat war ich da mit einem Kumpel, aber seit zwei, drei Jahren ist der geschlossen. Jetzt beschränkt sich mein Tontaubenschießen auf die Urlaube in der Heimat einmal im Jahr.

Lebt auf dem Schießstand von Weißwasser noch ein Stück vom alten Ostblock?

Nein, das ist alles komplett umgebaut, von den Russen sieht man da nichts mehr.

Wenn man aus Weißwasser kommt: Ist man Weißwasserer?

Weißwasseraner!

Sie haben nach der Wende in Kanada gespielt und leben seitdem 23 Jahre im deutschen Westen. Wie empfinden Sie demgegenüber Ihre Weißwasseraner Heimat?

Da ist es so ruhig geblieben wie früher, und das ist schön so. Früher bin ich mit meinen alten Freunden noch regelmäßig um die Häuser gezogen bis zum nächsten Morgen. Aber seit wir alle Familie haben, sind wir etwas zurückhaltender geworden.

Heutzutage wird eher in der Datsche gegrillt?

Datschen brauchen wir nicht, bei uns zuhause sind die Grundstücke größer als hier. Da hat man Platz. Aber gegrillt wird gern, und manchmal gehen wir auch angeln. Das Kölner Leben ist im Vergleich hektischer.

Wobei der Kölner ja nicht von Hektik, sondern von Lebensfreude spricht.

(lacht) Ja, klar, kann man so oder so sehen. Als ich hier angekommen bin, dachte ich nur: Hilfe, Polizei. Nur Autos, nur Lärm, so viele Menschen. Und dann habe ich auch noch auf der Luxemburger gewohnt.

Und zum ersten Karneval haben Sie sich in der Bude eingeschlossen?

Karneval habe ich die ersten rund 15 Jahre gar nicht miterlebt, weil ich zu der Zeit immer mit der Nationalmannschaft unterwegs war.

Im Rahmen Ihres Jobs, über den wir heute nicht reden, waren Sie ja ohnehin jede Woche mindestens einmal verkleidet.

Genau, das hat mir dann auch gereicht. (lacht)

Sehen sie sich gern Western an, oder Kriegsfilme?

Als Kind habe ich natürlich Winnetou gesehen. Soldat James Ryan war, glaube ich, mein letzter Kriegsfilm.

Old Shatterhand träfe so eine Tontaube ohne zu zielen aus der Hüfte.

Selbst der hätte seine Schwierigkeiten.

Klären Waffen Konflikte?

Eigentlich nicht, siehe Amerika. Ich würde dieses Waffengesetz, nach dem sich jeder alles besorgen kann, abschaffen. Dabei kommen einfach zu viele unschuldige Menschen ums Leben. Wir haben es in letzter Zeit oft genug erlebt. Aber ich fürchte, bei der starken Waffenlobby dort wird das in den nächsten Jahren nichts.

Was lernt man beim Tontaubenschießen fürs Leben?

Dass man nicht auf Menschen schießen sollte.

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