Mittwoch, 3. September 2008

Straßenkämpfer (3)

Sabrina ist komisch geworden

Es muss Monate her sein, dass diese Rundmail ankam: „Wer hilft mit beim Aufbau fürs Sommerfest?“ In der Schule meiner Tochter habe ich bisher noch keinen sozialen Finger gekrümmt, und ich war auch erst ein Mal bei einem Elternabend. Also schrieb ich zurück: „Ich.“

Zwei Tage vor dem Fest kam dann die Koordinationsliste, die besagte: „Aufbau 11-14 Uhr: Bernd Imgrund; Betreuung des Standes für Fruchtsäfte und Salate 15-16.30 Uhr: Bernd Imgrund; Abbau 17-19 Uhr: Bernd Imgrund.“ Et kütt, wie et kütt, sagt man sich dann als Kölner und lächelt grimmig in sich hinein.

Samstagsmorgens um 11 stehe ich also pünktlich auf der Platte. Eine Vertreterin der Elternpflegschaft gibt Anweisungen, wie die Tische zu platzieren seien. Es sind aber noch gar keine Tische da, stattdessen stehen mir zwei Jungs im Weg. Beide sind etwa 15, tragen ihre Haare schulterlang und Heavy-Metal-T-Shirts. Sie wirken genauso desorientiert wie ich, aber als Erwachsener weiß man sich ja zu helfen.

„He, ihr Zwei“, sage ich. „Wie wär´s, wenn ihr mal ´n paar Tische holen würdet?“

Die Jungs schlagen sich ihre Haare aus der Stirn und sehen mich an, als hätte ich sie morgens um 5 geweckt. Aber dann schlappen sie los.

„Ein Konterbierchen wäre jetzt gut“, höre ich den einen im Weggehen sagen.

„Jou, ´n kaltes Becks“, meint der andere, und ich beschließe, ihn später über die Vorteile von Kölsch (frischer, leckerer, billiger) aufzuklären.

Sie apportieren den Tisch, und ich stelle ihn ins Glied der anderen.

„Nein, nein“, höre ich die Stimme der resoluten Pflegschaftsfrau. „Da kommt die Bonkasse hin, da wird gedoppelt. Und dann muss da eine Gasse freibleiben, sonst kommt da doch niemand durch!“

Es ist verdammt heiß für 11 Uhr morgens. Und so eine Vollholzschulbank ist schwerer und sperriger, als man annehmen sollte. Aus dem Augenwinkel sehe ich die beiden Metalfreunde, die sich in den Schatten eines abgelegenen Baumes verkrümelt haben. Konterbierchen, denke ich, mit nem Becks im Motörhead ging´s mir jetzt wahrscheinlich auch besser. Ich verschnaufe ein wenig, warte vor allem, bis die strenge Frau weg ist, und lifte den Tisch dann noch einmal. Er doppelt jetzt den vor ihm stehenden, aber ich realisiere sofort, dass da was nicht in Ordnung ist. Trotzdem zucke ich zusammen, als ich in meinem Rücken die altbekannte Kommandostimme höre: „Also das geht jetzt natürlich gar nicht“, schnarrt sie. „Der ist doch viel höher als der andere, das sieht man doch. Und dann sollen da ja auch noch Tischdecken drauf, wie soll das denn gehen?“

Als ich den elenden Tisch auf ihre Anweisung hin nach hinten zur Schulwand trage, fällt mir mein weiterer Tagesplan ein: Fruchtsaftstand, Salatbar, Abbau. Ich bin plötzlich sehr deprimiert. Es ist 20 nach 11, und ich habe das sichere Gefühl, die schaffen das hier auch ohne mich. Beim Rausgehen sehe ich noch einmal die Metaller. Trotz der Entfernung könnte ich schwören, dass sie mich beobachten und hinter vorgehaltener Hand kichern. Das ist unangenehm, und außerdem könnte mich jeden Moment die Pflegschaftshand packen und zurück zu dem Tisch zerren. Aber irgendwann bin ich tatsächlich auf neutralem Boden.

Auf dem Laternenmast, an dem mein Fahrrad lehnt, steht ein Spruch: „Sabrina ist total komisch geworden.“

Finde ich auch.

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