Mittwoch, 12. November 2008

Coloniales (6)

Kölsch AG im Kölner Süden

Vor ein paar Wochen rief die Akademie för uns kölsche Sproch an. Ob ich nicht eine Kölsch AG leiten wolle. Prima Idee, fand ich, und seitdem sitze ich jeden Dienstag vor einer Horde Grundschüler im Kölner Süden.
Nun bin ich allerdings nicht gerade der erfahrenste aller Lehrer. Meinen ersten Fehler beging ich bei der Vorbereitung zur ersten Stunde. Singe ich mit denen doch erstmal ein Liedchen, dachte ich mir. Und entschied mich für die FC-Hymne. „Mir stonn zo dir“, schöne Melodie, ergreifend simpler Text, da steht doch sicherlich jeder drauf.
Aber dann stellte sich heraus, dass sich nur sieben von zwölf Gören für Fußball interessieren. Und unter denen waren wiederum zwei Bayern-Fans, einer von Schalke und eine von Gladbach.
„Dann singst du eben immer ´Borussia Mönchengladbach´, wenn da ´FC Kölle´ steht“, sagte ich letzterer. Das kommt zwar silbenmäßig nicht ganz hin, aber da musste sie durch. Ist ja schließlich nicht mein Bier, wenn gebürtige Kölner auf so einen Zeckenverein abfahren.
Als kontraproduktiv erwies sich auch die Idee, Instrumente mitzunehmen. Eine einzige dauerbetriebene Handtrommel kann den Unterricht komplett zum Erliegen bringen, ganz zu schweigen von Rasseln und dem elenden Rhythmus-Ei. Aus irgendeinem Grund haben sich die Kinder zudem von Anfang an um die Triangel gebalgt. Manche kommen extra früher in den Klassenraum, um mir zu sagen, dass sie heute unbedingt dieses an sich doch recht eintönige Dreieck beackern wollen. Den einzigen Ausweg sah ich darin, fortan nach jeder Strophe und jedem Refrain die Instrumente wandern zu lassen. Dass dieses Verfahren dem Liedfluss, der Konzentration, ja, eigentlich allem, was mit Musik zu tun hat, äußerst abträglich ist, brauche ich hier nicht ausführlicher zu erläutern.
Irgendwann begann die Klasse, sich im Raum zu bewegen. Wie an unsichtbaren Fäden gezogen. Ich glaube, das fing an, als ich einem Mädchen erlaubte, einen Lemuren an die Tafel zu malen. Plötzlich waren drei Schüler mit der Kreide zugange, zwei wechselten auf die Fensterbank und einer legte sich entspannt auf den Boden. Jetzt ist eine Portion Autorität gefragt, sagte ich mir und bat eindringlich darum, sich wieder auf die Plätze zu begeben. Aber dann grinsen die einen so an, als wollten sie sagen: Is ja gut, Onkelchen, Kölsch kann man doch auch im Liegen lernen. Und wenn du uns schön in Ruhe lässt, singen wir am Ende auch nochmal das FC-Lied mit.
Ähnlich machtlos fühle ich mich inzwischen auch am Ende der Stunden. Ich packe dann immer eine Tüte Haribo-Konfekt aus, also Lakritze, süße Himbeeren, die Trapeze mit dem Eierschaum undsoweiter. Mag ich selber gern, klar. Eigentlich soll sich natürlich jeder nur ein Teil nehmen, aber seit einmal eine behauptete, da hätten drei aneinandergeklebt, fahren die alle diese Taktik. Seit letzter Woche bin ich deshalb dazu übergegangen, mir immer ganz schnell als Erster was aus der Tüte zu klauben.
Das war auch der Tag, an dem ich nach dem Unterricht unerlaubt abbog und prompt angehalten wurde. Die Polizistin hatte lange blonde Haare und altrot lackierte Fingernägel.
„Macht 20 Euro“, sagte sie.
„30 hab´ ich gerade verdient“, antwortete ich geknickt und erzählte ihr von der Kölsch AG.
„Dat fingen ich jod“, schwenkte sie um, „dann belassen wir´s für heute bei einer Verwarnung.“
Und wollte noch nichtmal Lakritz dafür.



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