Mittwoch, 19. November 2008

Kunstwerker (1)

Finnische Beine

Internationale Performance-Künstler in der Orangerie: Die Finnin hat hübsche Beine. Mit schwarz bestrumpften, tintengetränkten Füßen läuft sie über einen Papierteppich, dann bohrt sie sich hölzerne Schaschlikspieße zwischen die Zähne. Ihr Geld verdient sie als Mathematik-Professorin, aber jetzt braucht sie erstmal einen Weißwein: „That´s performance“, sagt sie, „you build up something and then you destroy it.“
Der Ungar hat Fettblöcke auf einem Tisch verteilt, sie mit einem Messer zersäbelt und final verschmiert. Dann legt er eine Endlosleine in die Hände der Zuschauer und spinnt so ein Netz. Brav halten alle die Schnur, bis der verstrickte Ungar sich fallenlässt. Anstrengend, plötzlich. Die Finnin heißt Irma Optimist, und Przemyslaw, der Pole, hatte nach einem deutschen Autor gefragt. Der war dann ich, the writing waiter.
Und so sitzen wir also zusammen am Tisch und schreiben eine Viertelstunde lang. Zwei Kameras laufen, die Zuschauer schweigen. Irgendwas. Ich soll über irgend etwas schreiben, hat Przemyslaw gesagt. Also schreibe ich über finnische Beine, fluppt auch ganz gut. Hölzchen, Stöckchen, ein paar Gedankensprünge, und schon sind fünfzehn Minuten vorbei.
Przemyslaw schaut mich an, nickt, wir sind fertig. Verbeugung, Applaus, „I wanted to show that nothing is always something”, sagt Przemyslaw. Und dass er mir jetzt unbedingt ein Bier ausgeben muss.
Zurück hinter der Theke: Weißwein für Irma O., Wodka für alle. Die Flasche stammt von Janusz, dem anderen Polen, dessen Stunt irgendwie in die Hose gegangen ist. Aber die Scherben sind weggefegt, auf der Bühne arbeiten jetzt zwei Korsen. Malen einen weißen Kreidekreis, bedecken ihn mit gemahlener blauer Kreide und legen längliche bunte Kreidestücke im Kreis aus. Ich stelle mir die beiden auf Korsika vor, der Abend, an dem sie sich die Nummer ausgedacht haben: Okay, Philippe, was hältst du davon, wenn ich dann einen großen Sack mit kleinen Spielzeugfiguren in den Kreis schütte? – Super Idee, Jean, und ich kicke die dann alle weg und schmeiße noch was Kleingeld hinterher. – Genau so machen wir´s, Philippe, aber lass das gute Kraut nicht ausgehen.
Irma ist inzwischen in Hochform. „Wir Finnen reden nicht viel“, sagt sie, seit geraumer Zeit das Gegenteil beweisend. Die Polen kippen den Wodka, die Korsen fegen die Kreide auf. „Sag mal, mein Freund“, fragt Irma, „worüber hast du vorhin eigentlich geschrieben?“


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