Mittwoch, 21. Januar 2009

Coloniales (11)

Der Kallendresser – Faulheit, Rache und Eifersucht

Nach dem Kallendresser am Alter Markt befragt, werden neun von zehn kundigen Kölnern antworten, die Figur mit dem blanken Hintern sei eine Anspielung auf die bedenklichen hygienischen Gepflogenheiten der mittelalterlichen Stadt. Das ist aber falsch!
Tatsache ist, dass die von Ewald Mataré geschaffene Plastik auf ein altes Wandrelief zurückgeht, das ursprünglich ein paar Meter weiter hing – am dem Krieg zum Opfer gefallenen Haus Nr. 40. Dieses Relief wiederum soll einen Dachdeckermeister des frühen 18. Jahrhunderts verewigt haben, der einen Streit mit dem Bauherrn mit den Worten beendete: „Ich dress üch jet in de Kall.“ Zuweilen liest man jedoch auch von einem dort oben gewohnt habenden Handwerker, den die Faulheit dazu brachte, seine Notdurft in die Kalle, also in die Regenrinne zu verrichten. Andere Auslegungen vermuten wiederum, hier sei es ursprünglich um Rache gegangen. Ein Schneider aus dem Dachgeschoss habe einem allzu lauten Musiker aus der Etage darunter einen derben Streich gespielt, heißt es. Und eine eher in Richtung Eifersucht gehende Deutung handelt von zwei Jungmännern, die in dieselbe Maid verliebt waren.
Ins Politische driftet die Genese, wo das gegenüberliegende Rat- und nahegelegen Gotteshaus des hl. Martin ins Spiel kommen. Demnach hätten entrüstete Bürger jenen Wandschmuck als Zeichen des Protestes gegen die Klüngeleien der städtischen und klerikalen Machthaber anbringen lassen. Ein Übeltäter war, so behaupten diese Quellen, in die Immunität von Groß St. Martin geflüchtet, nur um vom dortigen Abt schmählich dem städtischen Büttel ausgeliefert zu werden.
Die historische Wahrheit ist nicht mehr zu ermitteln, wohl aber, wem die Kölner die Wiederbelebung dieser Legenden zu verdanken haben. Es war der Architekt und Brauchtumspfleger Jupp Engels, der das Trümmergrundstück Nr. 24 nach dem Krieg erwarb und der sodann Mataré den Auftrag für den kupferblechernen Blankzieher gab.



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