Mittwoch, 14. Januar 2009

Thekentänzer (9)

9 Cent

Die Theke ist voll und die Kellnerin hübsch. Im Fernsehen läuft Manchester - Chelsea, ManU führt 2:0, das ist gut. Als endlich einer zahlt, besetze ich flink seinen Hocker.
Der Typ sah ranzig aus, er hinterlässt einen vollgerauchten Aschenbecher und ein Häufchen Geld. 9 Cent genaugenommen, einen 5er, einen 2er und zwei 1er. 9 Cent, die dieser stillose, verschissene Kerl offenbar als Trinkgeld für die Kellnerin gedacht hat.
Und dann nebenan die beiden, rechts unterhalb des Fernsehers. Machen so schleimig aneinander rum, streicheln sich die Schultern, die Oberschenkel und haben diesen glückselig-dämlichen Ausdruck auf dem Gesicht. Und immer zwischendurch lächeln sie sich völlig verstrahlt an oder liegen sich mit geschlossenen Augen wie tot in den Armen.
Die 9 Cent stören mich, die sind mir peinlich. Anfangs habe ich sie ein bisschen von mir weggeschoben und gedacht, die räumt die Lady gleich einfach mit ab. Hat sie aber nicht. Der Aschenbecher ist geleert, aber das erbärmliche Häufchen Kupfergeld liegt noch immer anklagend vor mir. Es sagt: Ja, lieber Bernd, solche Mitmenschen gibt es, ihrer viele gar, und ein Drittel aller Schweizer hält die biblische Schöpfungsgeschichte für wahr, kein Wunder, dass die Welt vor die Hunde geht.
Und die Kellnerin denkt sich dasselbe, und deshalb rührt sie die Münzen nicht an.
Das trostlose Schmusepärchen lässt nun kurz voneinander. Anscheinend ist ihnen für einen Moment eingefallen, dass sie sich hier in der Öffentlichkeit befinden. In einer Kneipe zudem. Der männliche Klettenteil – kurz rasierte Glatze, randlose Deppenbrille – bestellt zwei Kölsch. Als die Kellnerin sie abstellt, getraut er sich tatsächlich zu sagen: „Schreib die auf mich.“
Als Berbatov kurz vor dem Ende das 3:0 für Manchester schießt, geht es mir wieder ein bisschen besser. Das Pärchen scheint den Schlusspfiff auf sich zu münzen und schlüpft in seine Parkas. Leider wechselt nun aber auch die Bedienung hinter der Theke. Niemand mehr da, der bezeugen kann, dass die elenden 9 Cent nicht von mir sind. Mir scheint, die neue Kellnerin hat auch schon einen ziemlich irritierten Blick darauf geworfen. Also tue ich, was ich vielleicht schon vor einer Stunde hätte tun sollen: Ich stecke das Geld ein.
Wurde noch ein prima Abend, ehrlich. Fragt Andy Cremer!


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