Mittwoch, 3. Juni 2009

Thekentänzer (14)

Von einer, die auszog, kein einziges Bier zu bezahlen

Wie die sich schon aufbaut, kaum dass sie den Barhocker erobert hat. Legt auf die Theke: ein total zerfleddertes Päckchen Tabak, das wahrscheinlich irgendwer irgendwo vergessen hat, wo es starken Umwelteinflüssen ausgesetzt war; ein angefressenes Feuerzeug, mit dem mindestens zweitausend Flaschen Bier geöffnet worden sind; eine relativ neue Tüte mit Minifiltern und einen kleinen, irritierenden Handspiegel.
Und natürlich sieht sie gut aus. Groß, mindestens einsachtzig, blond, Walküre.
Als erstes verfällt ihr der alte Knabe aus dem Orient, der sonst immer nur zum Würfeln hier herkommt. Von den beiden Bieren, die er bei mir ordert, stellt er eins kommentarlos vor die Frau. Ihr „Danke“ bringt ihn in das avisierte Gespräch, und bald schon kann er ihr erzählen, dass er mitten in einer unglücklichen Ehe steckt. Nach dem dritten Glas jedoch scheint er Angst vor den möglichen Konsequenzen seines Handelns zu bekommen. Jedenfalls geht er erstmal nach nebenan. Falafel essen oder so.
Wie vorauszusehen war, ist dies der Zeitpunkt für den komischen Kauz am Fenster. Beim Reinkommen trug er einen Cowboyhut mit irgendwelchen Lederapplikationen, der nun neben ihm auf dem Tresen liegt. Genauso wie die Nischenzeitschrift zum Thema „Rafting“, die er beim Hinsetzen wie absichtlich aus seiner Brusttasche gezogen hat. Bevor die blonde Frau kam, hat er mir von seiner Idee für eine Porno-Komödie erzählt. Ausführlich und sehr detailliert, aber davon vielleicht ein andermal. Im Laufe dieses Abends wird er jedenfalls ausschließlich Gerri Zitrone trinken, aber mehrere Kölsch bestellen.
Die Frau, machen wir´s nicht allzu dramatisch, tut nichts Aufreizendes. Sie schnorrt auch nicht oder biedert sich irgendwie an. Sie ist einfach nur da. Andererseits: Walküren sind Todesengel, das Altnordische „valr“ bedeutet soviel wie „die auf dem Schlachtfeld liegenden Leichen“.
Der alte Würfler legt, bevor er die letzte Verbindung Richtung Meschenich nimmt, seinen Kopf an ihre weitaus höhere Schulter. Ich muss zapfen, glaube aber, dass sie ihm zum Abschied einen Kuss auf die ziemlich kahle Stirn gehaucht hat. Mal sehen, ob der je wiederkommt.
Der Porno-Comedian tippt sich quer durch den ganzen Laden bis zu ihr hinüber an die Hutkrempe. Eine Geste, auf die er wahrscheinlich sein ganzes Leben lang gewartet hat.
Und irgendwann bricht auch die Frau auf, deren Namen ich nicht kenne, weil sie nie einen Deckel gemacht hat.
„Was bin ich dir schuldig?“ fragt sie.



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