Mittwoch, 18. August 2010

Straßenkämpfer (14)

Wenn Herbert um den Block geht

Es gab Jahre, in denen Herbert sehr glücklich gewesen war. Die Zeit auf der Bohrinsel. Die kurze Ehe mit Marie, zumindest die ersten Monate. Und natürlich das Jahr nach dem Lottogewinn, als er die halbe Million durchgebracht hatte. Aber wie er so dalag, auf dem schmalen Bett mit Blick auf den schäbigen, kariert bezogenen 70er-Jahre-Küchenstuhl, fühlte er sich todunglücklich. Das Zimmer war ihm vom Sozialamt zugewiesen worden, nachdem er sechs Wochen auf der Straße verbracht hatte. Nachdem er mit Erfrierungen in ein Krankenhaus eingeliefert worden war und man ihm zwei Zehen hatte abnehmen müssen. Das Klo lag auf dem Flur, er teilte es sich mit fünf anderen Männern, deren zwei, seine Nachbarn, er immer hörte, wenn sie, wie er es auch tat, in ihr Waschbecken urinierten.
Herbert steckte sich eine weitere Zigarette an und beschloss, danach noch einmal um den Block zu gehen. Das Haus lag mitten im Studentenviertel, da war immer viel los. Und fast jede dieser Studentinnen war hübsch wie ein Model. Herbert brauchte keine Magazine mehr, die waren sowieso zu teuer. Er brauchte nur einen Gang um den Block und ein Gesicht. Das trug er dann zurück nach Hause, wo er es für eine halbe Minute mit Küssen und Schweinereien bedachte. Danach steckte er sich eine neue Zigarette an.

Von Herbert gepflückte Blume, die die Studentin, der er sie schenkte, achtlos wegwarf


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