Mittwoch, 28. Juli 2010

Thekentänzer (32)

Delphine

Auf dem Alter Markt spielt der schlechteste Straßenmusiker aller Zeiten. Er lehnt am Jan von Werth-Brunnen und jault „Wellenreiter“ von BAP:

„N´Ovend, Wellenreiter, sach, wie jeit et dir? Hühstens ad ens Zweiter oder Dritter, ävver miehstens nit ens Nummer 4, löufs du pausenlos der Trends wie ne Komparse hingerher, echt, dat dät mich öden, un zwar schwer.“

Während ein Pulk US-amerikanischer Touristen interessiert zuhört, nähert sich von der Kleinen Budengasse her eine Indiogruppe. Drohend schwingt einer der bunten Teppichträger seine Panflöte. Zwischen den Tischen der Biergärten klackert ein Stelzenmann übers Pflaster, wie gut, dass ich drinnen sitze.
„Sagst du mir deinen Namen?“ fragt der Kellner.
„Hartmut“, sagt einer der beiden anderen Gäste. Und weil er aus der DDR kommt, spricht er es „Hortmüt“ aus. So ganz schüchtern.
Der andere Trinker ist Mitte 20, Typ Südkurve beim FC. Vor ihm steht ein Glas Whisky-Cola, und vorm offenen Fenster stakst eine großgewachsene Frau vorbei. Im Gehen nimmt sie ihren Kaugummi aus dem Mund und steckt ihn in eine Tupperdose.
„Die Alte da, die käm mir jetz grade recht, ey“, sagt der Proll.
„Ich war mal auf einer Miss-Wahl“, sagt Hartmut. „Da hatten die auch alle so Beine bis zum Hals.“
Der Proll reagiert nicht, sondern starrt weiter dort hin, wo die Frau soeben verschwunden ist.
„Da war ich auch ein andermal, da haben die da eine Delphinschau gemacht.“ Hartmut wirkt stolz.
„Delphine sind schwule Haie“, sagt der Proll, ohne sein Gegenüber anzusehen.
Hartmut lacht ein bisschen. Als die Tür aufgeht, denkt jeder für einen Augenblick, es ist die Frau mit den langen Beinen. Stimmt aber nicht, es ist der Gitarrenmann vom Brunnendenkmal. Er bestellt ein Bier und fragt, ob er uns einen spielen soll.
„Nee, lass mal“, sagt der Proll und wächst damit in meiner Achtung.
Hartmut wirkt ein bisschen enttäuscht, traut sich aber nichts zu erwidern. Über uns rotiert der Ventilator, draußen frisst die Sonne den letzten Schatten, und die Indios singen Guantanamera. Von rechts, wo unser Blickfeld durch den Fensterrahmen begrenzt ist, taucht nun die Frau auf. Sie geht in die Hocke, um eine Münze in den Indioschlapphut zu legen. Ein Knie nah am Boden, das andere aufwärts gerichtet. Ihr Rock spannt über dem Hintern, und während sie die Augen zu den Musikern hin aufschlägt, scheint sie etwas Freundliches zu sagen.
„Da könnt ich verrückt werden“, nuschelt der Proll in sein Glas hinein, und Hartmut antwortet: „Also, ich mag Delphine!“


Schwule Adler


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