Mittwoch, 20. April 2011

Geschichten aus 1111 Nächten (6)

Der heilige Willy und das Bäuerlein aus dem Vorgebirge

Ein bitterarmes Bäuerlein stand auf seinem Acker im Vorgebirge, irgendwo hinter Knapsack. Seine sonnenverbrannte, knollige Nase erinnerte an die Kartoffeln, die es hier dereinst zu ernten gedachte. Vorerst jedoch stand die Saat an, und das Bäuerlein wühlte mit bloßen Händen die harten Erdkrumen um.
Und wie es da so zwischen den Furchen herumkroch, riss plötzlich der Himmel auf, ein Unwetter brach los, und der Blitz erschlug des Bäuerleins einzige Kuh.
„Warum tust du mir das an, heiliger Willy?“ schrie es und streckte die dürren Arme gen Himmel. „Warum strafst du mich so? Du siehst doch, dass es mir wahrlich schon schlecht genug geht.“
Der heilige Willy hatte am Vorabend dionysisch gezecht und deshalb einen fürchterlichen Schädel. Irgendein Getränk schien ihm zudem schlecht bekommen zu sein, denn er saß bereits den kompletten Vormittag auf dem Klo. Deshalb gab er dem Bäuerlein auch keine Antwort auf seine Klagen.
Monate und Jahre zogen ins Land. Das Bäuerlein, verarmter und zerlumpter denn je, bestellte weiterhin seinen ausgemergelten Acker. Stets zum vereinbarten Zeitpunkt erschien seine Frau, sein Sonnenschein, um ihm ein Schüsselchen mit von Holzmehl angereicherten Kartoffeln zu bringen. Und eines Tages, man befürchtet es längst, verfärbte der Himmel sich schwarz, ein furchtbarer Blitz durchbohrte die Wolken und tötete des Bäuerleins Frau.
Und so sank er auf die Knie, der untröstliche Landmann, rang die Hände und schrie zum heiligen Willy hinauf:
„Warum nur! Was habe ich dir denn getan? Ich bin arm und fromm, ein treuer Katholik. Warum hast du meine Frau erschlagen, heiliger Willy, ich bitte dich, so antworte mir doch.“
Da öffnete sich die dichte, düstere Wolkendecke einen Spalt breit. Ein gleißendes Licht schoss daraus hervor und die arg verquarzte, gleichwohl donnernde Stimme des heiligen Willy verkündete:
„Du hast mir gar nichts getan, Bäuerlein. Aber von Zeit zu Zeit gehst du mir eben ein bisschen auf die Nerven.“

Das Vorgebirge bei Knapsack. Hier arbeitet man hart und lebt gottesfürchtig.


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