Mittwoch, 31. August 2011

Geschichten aus 1111 Nächten (10)

Das erste Kölsch

Anton war 12 Jahre alt geworden, als der Hl. Willy entschied: „Es ist an der Zeit, dass du dein erstes Kölsch trinkst. Lass uns zum Sünner gehen.“
Anton fürchtete sich ein wenig vor dem Gerstensafte, denn, einmal daran gerochen, schien er ihm doch gar zu eigenartig. Andererseits wollte er den Buben seines Alters in nichts nachstehen, und seinem Lehrer widerspricht man ohnehin nicht. Also willigte er ein und beschloss insgeheim, sich nichts anmerken zu lassen.
„Nun sag schon“, drängte der Hl. Willy, „wie findest du das Kölsch? Schmeckt es dir gut, wie sich das für einen Kölner gehört?“
Den kleinen Anton schüttelte es heftig, aber er antwortete tapfer: „Ja, Hl. Willy, ich finde es außerordentlich lecker.“
Der Hl. Willy lächelte listig und wohl auch ein wenig boshaft, um dann weiter auf den Jungen einzudringen: „Dann sage mir doch, mein Sohn: Wo befindet sich der Geschmack? Im Bier oder auf deiner Zunge?“
Anton dachte lange nach. Beinahe ohne es zu bemerken, nahm er gar noch einen Schluck des garstigen Getränks, um seine Sinne zu befeuern. Endlich erwiderte er: „Der Geschmack entspringt wohl einer gegenseitigen Abhängigkeit zwischen dem Bier und meiner Zunge, denn letztere, ohne ersteres, könnte doch wohl kaum ...“
Der Hl. Willy verdrehte die Augen, baute sich vor dem Kleinen auf und unterbrach ihn brüsk: „Du Viollidiot! Wonach suchst du? Das Kölsch ist gut. Und das genügt.“

Brauhaus Sünner, um 1900, Deutzer Freiheit


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