Mittwoch, 23. November 2011

Thekentänzer (51)

Der IT-Spacken

Jerôme hat endlich seinen Stalker angezeigt. Und hadert trotzdem mit sich:
„Ich bin der einzige Typ, der von einem dicken, alten Mann verfolgt wird.“
Der dicke, junge Mann, der neben ihm sitzt, findet das aufregend:
„Bist du etwa prominent?“
Und dann wiehert er los, ein fürchterliches Lachen aus der Comedy-Kiste.
„Also ich, ne? Ich heiße Karl-Ernst und bin überhaupt nicht prominent. Ich mache IT-Outsourcing. Also ich erzähle den Firmen, die mich beauftragen, wie sie am besten Leute entlassen können.“
„Du bist ein Schwein“, sagt Jerôme. „Aber wahrscheinlich ein verdammt reiches.“
Offenbar fühlt Karl-Ernst sich dadurch so geschmeichelt, dass er einen Schritt weiter geht: „Seid ihr hier an Rückmeldungen von Kunden interessiert?“
„Nein“, sage ich.
„Nein“, sagt Jerôme.
„Weil nämmich die Musik hier. Die ist voll Selbstmord.“ Und da lacht er schon wieder.
„Das ist Tom Waits“, sage ich.
„Kenne ich nicht, jedenfalls, Tom Astor wär mir lieber. Der macht wenigstens Stimmung.“
Gut, dass in dem Moment zwei Frauen hereinkommen. Karl-Ernst fühlt sich nun heimisch: „Wenn eine Frau allein eine Kneipe betritt, sollte man sie respektvoll allein lassen“, sagt er respektlos laut. Dann geiert er wieder. Aber die Mädels ignorieren ihn ausgesprochen effektiv.
„All inclusive, hab ich zum ersten Mal gemacht“, sagt die eine. „Ägypten is so supa.“
„Und? Ein Cocktail nachm nächsten, nehm ich an“, sagt die andere.
„Zum Beispiel, wenn der Postbote klingelt“, sagt Karl-Ernst. „Dann denk ich immer, ich muss jetzt meinen Papa an die Tür holen. Dabei bin ich doch 32!“
„Ja“, sagt Jerôme, „das kommt vom Tom-Astor-Hören.“
„Da waren eigentlich nur Deutsche“, sagt die Ägypten-Reisende. „Außer einem Pärchen, die waren Schweizer. Glaub ich.“
„Oder wenn ich ein Bier bestelle: Dann werd ich immer rot, weil ich denke, ich darf das noch gar nicht.“
„Und dann hab ich halt den Daniel kennengelernt, der war so süß. Zwischen zwei Caipis, echt, am Strand, ich glaub, ich ruf den mal gerade an.“
„Ja, tu das“, sagt die Freundin und liest den Spruch über der Theke: „Liebe Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin.“ Als sie kichert, zuckt Karl-Ernst zusammen. Er greift sich an die Brust, streicht die Haare glatt, sieht Jerôme panisch an, lacht hysterisch auf und reimt:
„Eigentlich wollte ich immer Polizist werden. Aber weißt du, ich habe so eine extrem starke Homophobie. Deshalb mach ich jetzt eben nur IT.“

Als Polizist weiß man, wo es langgeht




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