Mittwoch, 11. Juli 2012

Thekentänzer (57)

Dünnbier und Arbeitskampf

„Früher durfte man im Stahlwerk noch trinken. Wir bekamen das Zeug von den Krupps sogar gestellt. War allerdings Dünnbier, überhaupt kein Wumm dahinter. Also haben wir das in Wassereimer zum Kühlen gestellt und gewartet, bis das Etikett abgeschwemmt war. Und dann die Flaschen gegen ordentliche ausgetauscht.
Ich war 30 Jahre bei Krupp, habe da als 14-Jähriger angefangen. Als die Stahlkrise losging, Anfang der 80er, war ich 50. Überleg mal: 50 Jahre alt, eine Frau, zwei Kinder. Auto, Wohnung, kranke Mutter. Das Übliche. Da bleibt dir nichts.
Hier im Teichmanns war schon der Kaiser Wilhelm. Der hat das Werk eingeweiht und dabei seinen Spaß gehabt. Legt seine nagelneue goldene Uhr auf den Amboss und sagt dem Arbeiter: Jetzt zeig mir doch mal diese komische Chose namens Hydraulik. Der Arbeiter lässt den Hammer fahren, stoppt ihn millimetergenau vor der Uhr. Und bekommt sie geschenkt.
Nachher hat der Kaiser noch einen Absacker genommen. Hier im Teichmanns, das ist erwiesen. Das kann man nachlesen.
Hat ja dann nichts geholfen, der ganze Arbeitskampf. ´87 war Schluss, 88 ist meine Frau gestorben. Aber ich war auch vorher schon immer beim Teichmanns. Der Alte, Frieder Teichmann, war einer von uns. Arbeitsunfall, und dann eben eine Kneipe aufgemacht. „Doppelbestattung“ haben wir das genannt, wenn immer zwei Schichten aufeinandertrafen. Um 6, um 14 und um 22 Uhr, die Früh-, Spät- und Nachtschicht. Für die einen ging´s auf Heim an, für die anderen zur Maloche. Aber alle hatten Durst. Das Teichmanns war eine Goldgrube, glaub´s mir.
Heutzutage, das ist doch alles Mist. Unser Werk haben die abgebaut, Schraube für Schraube. das steht jetzt irgendwo in China. Im Teichmanns machen die am Wochenende Schlagerpartys, nur damit ein paar Leute kommen. Früher, zur Doppelbestattung, standen hier ein paar hundert Fahrräder vor der Tür. Heute sitzen wir zum Frühschoppen höchstens mal zu fünft beieinander. Und ein Bier und ein Korn sind billiger als vor 30 Jahren, jetzt frag dich mal, wieso.
Manchmal stehe ich vor unserem alten Werkstor, und mir kommen die Tränen. Dann gehe ich nicht direkt zum Teichmanns, sondern erst durch die Werkstraße. Da brauche ich Mut für, könnte ich nicht jeden Tag machen. Hier wurde der härteste Stahl von der Welt produziert, glaub mir das. Aber heutzutage ist ja alles nur noch aus Plastik.“



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