Mittwoch, 20. März 2013

Geschichten aus 1111 Nächten (35)

Ausflug nach Kobern-Gondorf

Der heilige Willy war mit seinen alten Freunden Anton und Jean zu einer Zechtour an die Mosel aufgebrochen. An jeder Tränke auf dem Weg legten sie einen Stopp ein, und folglich waren die Drei, als sie in Kobern-Gondorf anlangten, schon nicht mehr ganz nüchtern. Dennoch sprach man den heiligen Willy, mit seinem Bart und der Plauze immerhin eine beeindruckende Erscheinung, sofort an:
„Sag uns, Meister aus der großen Stadt: Was treibst du für ein Gewerbe?“
„Ich bin Arzt“, antwortete Willy aus einer Laune heraus und stieß dabei zwischen „z“ und „t“ vernehmlich auf.
Sofort führte man ihn in das Haus, in dem die aktuelle Weinkönigin schwer krank darniederlag.
„Alle Ärzte zwischen Koblenz und Trier haben wir zu Rate gezogen“, jammerten die Einheimischen. „Aber keiner konnte unserer armen Weinkönigin helfen.“
Willy untersuchte die sieche Jungfrau eingehend und fragte schließlich:
„Habt ihr elenden Bauern hier Äpfel, Kartoffeln, Zwiebeln und Blutwurst?“
Zwar war man arm in jenen Tagen, und es fehlte an beinahe allem. Dennoch trug man dem Willy zusammen, was er gefordert hatte. In der nächsten halben Stunde gab er verschiedene Anweisungen, die in einen gigantischen Teller Himmel un Ääd mündeten. Willy begann zu essen, als handele es sich um eine ausgezeichnete Medizin. Und er hörte nicht auf, bis der Teller restlos geleert war.
Im nächsten Augenblick lief der Bürgermeister herbei und schrie:
„Was machst du denn da, du heilloser Arzt? Unsere Weinkönigin ist tot!“
Willy wischte sich die Hände am speckigen Wams ab und goss sich den letzten Rest Spätlese in den Hals.
„Wenn ich nicht gegessen hätte“, sagte er, „dann wären wir jetzt beide tot.“


Dick, Satt, Clever


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