Donnerstag, 4. April 2013

Thekentänzer (65)

Wo die Kippen wippen

Das junge Pärchen mit den bunten Haaren bestellt zwei Kölsch. Beiden steckt eine Perle in der Zungenspitze.
„Macht ihr eigentlich Billardgeräusche beim Lullen?“ fragt der Fettsack mit der Glatze. Beim Reinkommen hatte er sich lange am Türrahmen festgehalten. Erst rechts, dann links. Der Kellner zapfte ihm trotzdem ein Kölsch.
Das Pärchen spricht offenbar kaum Deutsch. Der Junge fotografiert das Mädchen mit seinem Handy. Dann fotografiert das Mädchen den Jungen. Beide halten sich ihr Bierglas an den Mund. Gegenüber vor der Schwulenkneipe schunkeln zwei dürre Kerle in ausgebleichten Schlauchjeans, unter den Schnäuzern wippen die Kippen. Die Sonne hat genug für heute und verzieht sich weiter gen Westen. Oder so ähnlich.
„Ja gut, ich bin Ungar. Aber vor allem Banater Schwabe.“ Und so ein Banater Schwabe redet anscheinend gerne und viel. Über seinen Softwarejob. Über sein ultradünnes Ultrabook. Über die Donauschwaben. Und über seine bescheuerte Trompete.
„Einmal haben wir mit unserer Blaskapelle in Bad Tölz gespielt. In einem Bierzelt. Da sind wir Dritter geworden.“
„Ich hätte euch auf den letzten Platz gesetzt“, sagt der Dicke. „Schon allein wegen deinem beschissenen Deutsch, du Penner.“
Danach erzählt er von seinen eigenen Messeerlebnissen. Nürnberg, Waffenmesse, wie er da die Stände mit aufgebaut hat und vorher draußen die Demonstranten vermöbelt.
„Waffenmesse, das ist das einzig Wahre, verstehst du. Da blasen sie dich weg, du Blasmusikant!“ Und dann lacht er sich heiser.
Wieviel Zeit ist eigentlich vergangen? Drüben stehen schon wieder, noch immer die Schwulen und rauchen. „Ich probiere jetzt auch mal so ein Kölsch“, sagt der Banater Schwabe, schließt sein Notebook und schiebt die Teetasse zurück auf den Tresen. Der Fettsack und er sind jetzt Freunde. Das Mädchen am Fenster knipst ihren Macker, wie er sich Bier in den Hals kippt. Die Lampen unter der Decke müssten unbedingt runtergedimmt werden. Alles ist hier bierfarben, bierfarbenes Licht, bierfarbene Wände, bierfarbene Menschen. Eigentlich, so sagt man sich, wär jetzt so langsam mal Zeit zu gehen. Aber das Pärchen geht nicht, der Ungar geht nicht und der Fettsack schon gar nicht. Irgendwo über den Dächern klingelt eine Glocke.
„Gibt´s ja gar nicht“, sagt der Dicke. „Schon wieder sieben Uhr?“

Irgendwie kommt man immer nach Hause


Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.



Keine Kommentare: