Mittwoch, 15. Mai 2013

Geschichten aus 1111 Nächten (38)

Drei Lichter

Der triefnasige Anton hatte sich von seinem zusammengeschnorrten Geld ein Fläschchen leckeres Gilden Kölsch gekauft. Als er es bis zur Neige geleert hatte und aufstand, fielen ihm zwei 10-Cent-Stücke aus der löchrigen Hose. Eine Welle der Rührung überlief ihn, wie immer, wenn sein kölsches Herz ein Zeichen des Himmels zu sehen glaubte. Und wie das bei diesem Menschenschlag so ist, trieb es ihn schnurstracke in die nächste Kirche.
Der heilige Willy beobachtete den armen Sünder, wie er sich am Eingang zwei Opferkerzen nahm und seinen erbärmlichen Gotteslohn in die Geldbüchse drückte. Anton entzündete das erste Kerzchen, ging zu einem Bild des Gekreuzigten und stellte es zu seinen Füßen ab. Als er sich danach auf den Weg zu einer düsteren Seitenkapelle machte, wurde Willy immer neugieriger darauf, was der Anton wohl im Schilde führe. Er folgte ihm also und sah, wie das zweite Kerzchen vor eine furchterregenden Darstellung des Teufels platziert wurde.
„Ja sag einmal, Gottloser, wieso opferst du denn dem Leibhaftigen?“
„Nun ja“, antwortete der Anton, „so hat es mir mein Mütterlein selig beigebracht. Dem lieben Gott schenke ich ein Licht, auf dass er mir Gutes tue. Und dem Deibel eines, damit er mir nichts Böses tue.“
Und da ging auch dem heiligen Willy ein Licht auf.


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