Mittwoch, 25. September 2013

Thekentänzer (69)

Dorky Day

Der Mann mit dem Schnäuzer und der 70er-Jahre-Jeansjacke tritt ein und setzt sich genau vor das einzige Glas einer im übrigen leeren Theke.
„Und selbst wenn du Jennifer Aniston wärst: Steh sofort von meinem Hocker auf!“ sagt der Karohemdträger, der gerade vom Klo wiederkommt.
„Oh, Entschuldigung“, jammert der Schnäuzer, „aber weißt du, ich bin fremdgesteuert.“
Dem irischen Kellner schwant, dass das keine so ganz leichte Schicht wird heute Nachmittag. Aber das große Bier für Mister Fremdgesteuert hat er schon angezapft.
Auf den Alter Markt scheint die Herbstsonne. In den Biergärten ballern die Bürgersleut, in den Mülleimern buddeln die Berber. Ich sitze lieber im Dunkeln der Bar.
Draußen geht der schwule Syrer vorbei, der mir letztens die Haare geschnitten hat.
„Darf ich ein kleines bisschen Hairspray verwenden?“ hatte er gefragt, bevor er die Dose über meinen Kopf leerte.
„Darf ich die Augenbrauen ein bisschen kürzen?“ war der letzte Satz, den meine Brauenhaare hörten.
Dass zum Schluss die grauen Haare zu tönen waren, formulierte er dann schon gar nicht mehr als Frage. Und seitdem laufe ich so rum ...
„Warst du beim Friseur?“ fragt mich der Kellner.
„Machst du Witze?“ gebe ich zurück.
Im Fernseher werden die Tore der letzten Champions-League-Woche wiederholt. Die drei Frauen hintendurch bestellen eine neue Runde G´n´T. Der Fremdgesteuerte hat zu einem großen Selbstgespräch angesetzt. Er redet nicht, sondern deklamiert, mit rudernden Armen, kreisendem Kopf und stampfenden Füßen.
„Kennst du den Dorky Day?“ frage ich den Kellner. „In ´Fan man´, dem Roman von William Kotzwinkle, wacht der Protagonist mit der Eingebung auf, heute sei Dorky Day. Was dann passiert, erklärt er schlüssig dadurch, dass er mehrere Seiten lang schreibt: ´Dorky dorky dorky dorky dorky ...´ Verstehst du?“
Der Kellner wirft einen Blick auf den salbadernden Fremdgesteuerten, einen zweiten auf jenes fünfte Pint, das vor mir steht. Auch der Typ mit dem Karohemd wirkt nicht so, als suche er Arbeit.
„Okay“, sagt der Kellner, „heute ist also Dorky Day?“
„Allerdings“, sage ich, „und by the way: Trinkst du eins mit?“

Dorky-Day-„Frühlokal“ in Bremerhaven

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