Mittwoch, 9. Oktober 2013

Geschichten aus 1111 Nächten (43)

Die Blume

Über mehrere Tage hatte der heilige Willy geheimnisvoll getan mit seiner Kirche im Vringsveedel. Eines Morgens jedoch weckte er den Anton aus dem Schlaf und forderte ihn auf mitzukommen. Es gehe um nichts weniger als ein Wunder und ein Fläschchen Wein.
Anton war nun nicht gerade der hellste aller Kölner, und außerdem hatte er den Abend zuvor in einer üblen Kaschemme am Großen Griechenmarkt verbracht. Unwillig wie ein geprügelter Hund folgte er dem heiligen Willy.
In der Kirche angekommen, fand sich Anton inmitten einer Zauberlandschaft wieder. Abertausende künstliche Blumen, Kräuter und Grasbüschel schmückten das Gotteshaus, Anton fühlte sich wie in einem der wohligen Träume aus der vergangenen Nacht.
„Und jetzt kommt mein Rätsel“, hob der Willy an: „Nur eine einzige Blume hier ist echt. Wenn du sie mir zeigen kannst, bekommst du eine ganze Flasche Messwein.“
Anton blinzelte über seinen gewaltigen Kolben hinweg durch den Raum, unterschied jedoch kaum mehr als die vielen Farben. Aber weil er wusste, dass des Willys Messwein ein außerordentlich lieblicher Tropfen war, jagte er ein paar Neuronen durchs gepeinigte Hirn.
„Mir ist fürchterlich heiß“, sagte er schließlich zum heiligen Willy, „könntest du vielleicht ein Fenster öffnen?“
Willy tat wie ihm geheißen, und es geschah, was Anton sich ausgedacht hatte: Eine Biene flog herein und setzte sich auf die einzig echte Blume.

Noch viele weitere Gäste besichtigten danach das Blumenmeer des heiligen Willy. Antons Geschichte jedoch ging in der Stadt von Mund zu Mund und führte die Kölner zu folgenden Erkenntnissen:

1) Es ist schwierig, einer wie der Anton zu sein.
2) Es ist noch schwieriger, die Biene zu sein.
3) Es ist am allerschwierigsten, jene Blume zu sein.

Erkennen Sie den einzigen echten?

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