Mittwoch, 19. Februar 2014

Geschichten aus 1111 Nächten (49)

Millionär werden

Der nicht besonders helle Anton verstaute seine Obstkisten im Handkarren und war im Begriff, den Markt zu verlassen. Da trat ein Klettenberger Schnösel auf ihn zu, der gerade am Stand nebenan ein ökodynamiches Vollkornbrot für 8 Euro 50 gekauft hatte.
„Mein Lieber, warum packen Sie denn schon Ihre Ware ein?“
„Ganz einfach: Weil ich genug eingenommen habe.“
„Ja, aber was tun Sie denn nun mit dem Rest des Tages? Und morgen, wenn kein Markt ist?“
„Das geht Sie zwar nichts an, aber: Ich treffe mich mit meinem alten Freund Jean auf ein Bierchen. Oder auch zwei. Morgen schlafe ich aus und gehe dann ein bisschen angeln am Rhein. Dann werde ich wohl eine kleine Siesta machen, ein paar Schritte durch Köln spazieren, ein Kerzchen im Dom anzünden und mich schließlich wieder mit Jean auf ein Kölsch treffen. Oder zwei. Sie sehen also, ich habe ein ausgefülltes Leben.“
Der Klettenberger aber sagte: „Ich bin BWLer und könnte Ihnen helfen. Würden Sie länger auf dem Markt stehen, könnten Sie mehr Obst verkaufen. Vom Erlös könnten Sie Ihren Stand vergrößern und vielleicht auch noch Eier und Honig anbieten. Irgendwann dann gehört Ihnen der halbe Markt, wenn Sie fleißig so weitermachen. Und dann ziehen Sie nach Berlin, erobern die Hauptstadt und leiten von dort aus Ihr Obstimperium.“
Anton strich sich durch den Dreitagebart, kratzte sich am Kopf und fragte dann: „Wie lang wird das dauern?“
„So ungefähr 15 bis 20 Jahre, denke ich.“
„Und was dann?“
Der BWLer lachte und sagte: „Dann gehen Sie mit Ihrem Unternehmen an die Börse, verkaufen Ihre Anteile erfolgreich und machen Millionen damit.“
„Millionen, oho! Und dann?“
„Dann können Sie zum Beispiel in ein lebhaftes Städtchen wie Köln ziehen, lange ausschlafen, im Rhein angeln, ein Kerzchen im Dom anstecken, sich mit Ihrem alten Freund Jean auf ein Kölsch treffen ...“


Reichtum ist nicht alles, oder?

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