Mittwoch, 18. Juni 2014

Interviews (29)

Heute: Der kölsche Spanier José Gayarre

José Gayarre wurde 1974 in Navarra/Spanien geboren. Er studierte Recht und Wirtschaft in Madrid und Bilbao. Sein Soziales Jahr absolvierte er in der Slums von Santo Domingo (Dominikanische Republik) als Lehrer. Ende 1999 kam er nach Deutschland und hat sich seitdem auf das Gebiet der Social Media Communication spezialisiert. Sehr erfolgreich wurde sein Internetportal Destino Alemania, mit dem er spanische Migranten bei der Integration in Deutschland und speziell in Köln unterstützt. Für diese Klientel geht auch einmal wöchentlich seine private Radiosendung „Funk Radio“ durch den Äther.
José Gayarre, der zudem als freier Spanien-Redakteur bei der Deutschen Welle arbeitet, wohnt im Griechenmarktviertel.

Großes Hallo im Café Sur am Martin-Luther-Platz: José Gayarre hat lange in der Südstadt gewohnt, und in diesem argentinischen - also spanischsprachigen - Café ist er bekannt wie ein bunter Hund. Ein guter Einstieg für ein Gespräch über seine zweite Heimat Köln.

Sie waren kürzlich in Barcelona, wie ist dort die Atmosphäre?

Die Demonstranten dort fordern eine unabhängige Republik Katalonien. Das ist ein bisschen unpassend, denn zur Zeit hat Spanien bekanntlich ganz andere Probleme.

Ist die Stimmung aggressiv?

Gottseidank noch nicht, so radikal wie die Basken damals sind die Katalanen nicht. Aber die Situation kann durchaus eskalieren.

"Wenn die Rosen erblühen in Malaga/ ist für uns unser Sommer der Liebe da" (Cindy & Bert): Das Café Sur im Morgengrauen

Wenn jemand angesichts dieser Umstände nach Deutschland auswandern will, kommen Sie ins Spiel.

Das stimmt. Unsere Website destinoalemania.com ist ein Portal für Spanier in Deutschland. Wir sammeln Informationen und geben sie weiter.

Was heißt das im Einzelnen?

Da geht es um ganz praktische Auskünfte zum Bleiberecht oder etwa zuletzt zur Europawahl. Wir bieten sogar für Deutsche Unternehmen eine Jobbörse, damit sie spanische Fachkräfte direkt rekrutieren können. Dafür gibt es inzwischen auch Redaktionen in Berlin, München, Hamburg und anderswo.

Was müssen Spanier vor allem lernen, wenn sie nach Deutschland kommen?

Zunächst einmal geht es um elementare Dinge wie die Wohnungssuche. Die soziale und kulturelle Integration steht hintan, also: Man sieht die Kölner feiern, aber was das Dreigestirn ist, versteht man erst viel später. Auch da hilft Destino Alemania weiter.

Kölner gehen um 7 einen trinken, Spanier erst um 11?

(lacht) Genau. Und die Deutschen sind tatsächlich pünktlicher. Auf und nach der Arbeit wiederum hängen spanische Kollegen viel enger zusammen, wie Freunde.

Und was wäre umgekehrt für einen Deutschen in Spanien wichtig?

Dass in Spanien alles ein bisschen anders funktioniert. Nicht schlechter oder besser, sondern anders. Oder zum Beispiel auch, dass Nordspanier reservierter als die im Süden sind. Im Süden ist man kontaktfreudiger, aber oft auch oberflächlicher. Ich sage immer, das Rheinland ist das Andalusien Deutschlands.

Welche Art Menschen holt sich bei Ihnen Informationen?

Wir nennen unser Konzept „Mobilität 2.0“. Das spielt aufs Internet an, aber auch darauf, dass Deutschland in den letzten Jahren die zweite Welle spanischer Einwanderung erlebt - nach den Gastarbeitern der 1960er. Die meisten Leute sind jung und Akademiker, aber es kommen auch viele Bauarbeiter, die seit dem Zusammenbruch des Gewerbes in Spanien keine Arbeit mehr finden.

Welchen Ruf hat Deutschland heutzutage in Spanien?

Einen gespaltenen. Die einen sehen Angela Merkel als Raubritterin, die Europa beherrschen will. Andererseits hat die deutsche Wirtschaft einen guten Ruf, hier findet man - eher als in Spanien - gute und anständig bezahlte Arbeit.

Jenseits vom Wirtschaftlichen - schätzt man Deutschland auch in sozialer oder kultureller Hinsicht?

Das entwickelt sich. Einige Sachen funktionieren hier einwandfrei, besser als in Spanien, und das schätzen wir sehr. Genauso, dass Kultur und Kunst hier großgeschrieben werden. Vor allem Berlin ist da in aller Munde. Und alle mögen die persönliche Freiheit, die hier erlebt werden kann. In Spanien hingegen sind die sozialen Regeln noch deutlich strenger.

Steht auch Köln in einem bestimmten Ruf?

Wir arbeiten daran! Vor kurzem erst war ich in einer spanischen Sendung eingeladen und habe ohne Ende Werbung für Köln gemacht. In unserem Film wurde gezeigt, wie lebhaft, wie mediterran es hier auf den Straßen, in den Cafés und Biergärten zugeht. Das ist für Spanier ein ziemlich neues Bild von Deutschland.

Sie haben im Marketing von BMW Spanien gearbeitet. Sind Sie deshalb nach Deutschland gekommen?

Nein, ich war ein überzeugter Europäer, wennfür mich auch nicht gerade Frankreich als direkter Nachbar und Rivale in Frage gekommen wäre. Eigentlich wollte ich zunächst nach Freiburg ziehen, weil ich dort schon einmal gewesen war.

Aber?

Meine Schwester meinte, vergiss es! Du musst nach Köln, da ist es noch viel schöner. Und sie hatte recht.

Wie haben Sie das festgestellt?

Wir sind hier im Sommer angekommen und haben Köln zunächst per Rad erkundet: am Rhein entlang, um den Aachener Weiher, durch den Volksgarten. Überall war Leben, einfach toll. Und die Deutschen hier fanden wir gar nicht so streng wie das Klischee von ihnen. Sondern meistens lustig und nett, aus José wurde immer schnell der „Jupp“.

Wie homogen ist die spanische Gemeinde in Köln?

Die alten, hier gebliebenen Gastarbeiter sind meistens recht konservativ. Die Jüngeren hingegen sehen sich als Europäer. Man gibt sich durchaus gern als Spanier zu erkennen, aber deshalb muss man nicht direkt mit den Kastagnetten klappern. Die lernen lieber kölsche Lieder in der Zeit.

Das „Spanien-Lied“ von den Bläck Fööss.

So etwas, genau. (lacht) 

"Jedes Jahr em Sommer jeit dat Spillche widder loss/ met Sack un Pack noh Spanien, weil et do jo nit vill koss" (Bläck Fööss): das Esquina am Severinskirchplatz






Köln hat kein Spanisches Kulturinstitut. Gibt es dennoch spanische Treffpunkte hier?

Soziale Netzwerke, so manche katholische Kirche und der Verein Köln-Barcelona zum zum Beispiel. Aber auch Bars wie das La Esquina am Severinskirchplatz sind beliebte Treffpunkte. Ich glaube, die Spanier hier empfinden sich noch nicht so stark als Gemeinde wie etwa die Iren. Auch wir von Destino Alemania arbeiten daran, sie in Köln sichtbarer zu machen.

Was hingegen existiert, sind spanische Restaurants. Sind die so spanisch wie die chinesischen chinesisch?

Das ist sehr unterschiedlich. Viele haben sich dem deutschen Geschmack sehr stark angepasst, oder sie kochen noch wie in den 1980ern. Einige wenige präsentieren moderne spanische Küche, aber was einem da schmeckt, muss man selbst herausfinden.

Deutsche Kulinarik auf spanischer Ferieninsel

Sie selbst sind aus Navarra, einer Region, um die sich das Baskenland und Restspanien streiten. Spürt man die starken regionalen Unterschiede Spaniens auch hier in Köln?

Das wird immer weniger. Als Auswanderer hat man andere Sorgen, da interessiert einen eher die lokale Politik der neuen Heimat. Wenn du einen Basken zwei Monate in ein kleines Dorf im Sauerland steckst, tanzt der Flamenco - aus Heimweh und obwohl der Tanz kein baskischer ist.

Sieht man die Basken in Spanien eher wie die Bayern, die Ostfriesen oder die Kölner hierzulande?

Ganz klar: Wie die Bayern! (lacht)

Wenn der FC nächstes Jahr in der Europaliga gegen Bilbao oder San Sebastian spielt: Für wen halten Sie?

Für den FC natürlich! Der gehört hier schließlich zur Religion. Wenn die dann irgendwann in der Champions League auf Barcelona treffen, muss ich allerdings überlegen.

Und wer wird Weltmeister?

Ganz schwierig zu beantworten. Deutschland hat gute Möglichkeiten, aber ich glaube nicht wirklich daran. Auch Spanien sehe ich nicht wieder vorne. Also wird es wohl Brasilien werden.




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