Mittwoch, 18. Februar 2015

Interviews (32)

Heute: Dirk Lottner

Dirk Lottner wurde 1972 in Köln geboren. Nach der Realschule absolvierte er eine Lehre als Handelsfachpacker (heute: Lagerist). Bei Rot-Weiß Zollstock fing er als 6-Jähriger an, bei Fortuna Köln wurde er 1992 zum Fußballprofi. Über Bayer Leverkusen (1997/98) gelangte er schließlich zum 1. FC Köln, wo er bis 2004 spielte. Zwei Mal stieg er mit der Mannschaft in die erste Liga auf. Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn arbeitete er als Trainer, vor allem im Nachwuchsbereich des FC. Seit November 2014 leitet er seine eigene Fußballschule in Hürth: www.lotteskicker.de.
Dirk Lottner hat mit Jerome einen 23-jährigen Sohn aus erster Ehe. Er lebt mit seiner Frau Sarah und der gemeinsamen Tochter Leni-Mayra (6) in Rondorf.

Es ist recht kühl in Köln. Waren Sie im Schnee oder in der Sonne?

Weder noch. Ich habe noch nie auf Skiern gestanden. Als aktiver Spieler habe ich im Winter mal einen Strandurlaub gemacht, aber das bringt mir nichts. Hinzu kommt, dass einen Tag nach Weihnachten meine Mutter Geburtstag hat, zwei Tage danach meine Schwiegermutter und am nächsten Tag mein Vater. Und dann ist ja schon Silvester, da bleibt nicht viel Zeit. (lacht)

Welche Kindheitserinnerungen verbinden Sie mit dem Winter in Zollstock, wo Sie aufgewachsen sind?

Da denke ich vor allem an die „Busenberge“. So nannten wir die beiden Trümmerhügel gegenüber dem Kombibad, auf denen wir immer Schlitten gefahren sind. Weitere Ausflüge führten uns zum Kalscheurer Weiher, da gab es auch zwei schöne Berge.

Was bedeutet die Winterzeit für einen Fußballprofi?

Vor allem Regeneration! Früher war die Winterpause noch relativ lang ...

... es gab noch keine Rasenheizungen und ähnliches ...

... genau, da ging es erst Mitte Februar wieder los. Das verlangte allerdings auch nach viel Disziplin, in dieser Zeit musste man verstärkt auf sein Gewicht achten.

 Foto: Costa Belibasakis

Sie galten in Ihrer Profizeit als eher lockerer Spieler, der auch mal Fünfe gerade sein lässt.

Das stimmt schon, aber da wurde auch viel übertrieben.

Der Lottner raucht und trinkt Bier, hieß es.

Nun ja, da bin ich nicht der einzige Leistungssportler, auf den das zutrifft. Als langjähriger Kapitän stand ich natürlich unter besonderer Beobachtung. Aber es war auch nicht so, dass ich mir nach dem Spiel zwanzig Kölsch in den Kopf gekloppt hätte.

Es gibt Beispiele wie Uli Borowka von Werder Bremen, der als Profi Alkoholiker war.

Da bin ich wirklich ganz weit von entfernt. Ich trinke keine Schnäpse und mische mein Kölsch immer mit Cola, weil ich das besser kontrollieren kann.

Diätcola, nehme ich an.

(lacht) Nein, so genau nehme ich´s dann doch nicht.

Sie werden im März 43, im Profifußball hat sich manches geändert. Müssen junge Spieler heutzutage Streber sein?

Streber nicht, aber die Disziplin spielt tatsächlich eine viel größere Rolle. Früher bei Fortuna Köln oder auch unter Christoph Daum in Leverkusen durfte auf der Rückfahrt im Bus noch geraucht werden, da hat sich keiner beschwert. Mancher hat sich sogar auf dem Weg vom Hotel zum Stadion, also vor dem Spiel noch eine angesteckt. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.

Der Nachwuchs heute wächst anders auf?

Vor allem die Nachwuchs-Leistungszentren haben für eine deutliche Professionalisierung gesorgt. Die Jungs dort haben praktisch ausnahmslos das Ziel, später Profi zu werden. Und dementsprechend leben die dann auch.

Warum haben Sie als kleiner Junge bei Rot-Weiß Zollstock und nicht bei der größeren Fortuna angefangen?

Als ich 6 war, sind wir von der Volksgartenstraße nach Zollstock in die Kendenicher gezogen. Hundert Meter weiter, am Ende der Straße, lag der Fußballplatz.

War Ihnen damals Hans Schäfer ein Begriff? Der Weltmeister von ´54 hat ja auch in Zollstock angefangen mit dem Kicken.

Ich kannte ihn über meinen Vater, der auch jahrelang Fußball gespielt hat. Übrigens wohnte bei mir in der Parallelstraße Dirk Heinen, der spätere Torhüter von Bayer Leverkusen. Mit dem habe ich auch jenseits des Vereins viel bei uns auf der Wiese trainiert.

Wie würden Sie den Verein Rot-Weiß Zollstock beschreiben?

Ein klassischer Veedelsclub, der leider zur Zeit ernsthafte Probleme hat. Es gibt ein neues Vereinsheim, aber hier spielen nur noch ganz wenige Jugendmannschaften. Eigentlich sollte dieser Verein viel mehr junge Spieler aus dem Bereich Zollstock, Raderthal, Sülz etc. anziehen.

Ein seltsamer Verein ist auch Fortuna Köln, wo Sie insgesamt zwölf Jahre spielten und 1992 Ihre Profilaufbahn begannen.

Ich kenne noch den alten Fortuna-Aschenplatz an der Fritz-Hecker-Straße, wo heute Arminia 09 spielt. Da gab es früher nicht mal einen Zaun, wir konnten dort jederzeit kicken gehen. Und von der Umkleide musstest du zwanzig Meter durchs Freie, um zu den Duschen zu kommen - auch im Winter. Einerseits war´s kultig, andererseits hat man bei der Fortuna die Talente nie wirklich gefördert.

Jean Löring war immer stolz auf seine große Jugendabteilung.

Ja, damit hat er sich gebrüstet. Aber man hat dort nie aktiv versucht, Spieler in den Lizenzbereich zu hieven.

War der „Schäng“ eigentlich nett?

Ja, auf jeden Fall! Wenn du mit dem am Verhandlungstisch saßest, war er ein knallharter Geschäftsmann. Aber jenseits dessen war er sehr väterlich und hat sich sehr um mich gekümmert.

War das nötig?

Naja, ich war jung, habe mit 19 schon geheiratet und bin Vater geworden - bei 2000 DM Grundgehalt. Da kann man schon ein bisschen Unterstützung brauchen. Was die familiäre Einbindung in den Verein angeht, war Jean Löring seiner Zeit um Jahre voraus.

Tragisch bei der Fortuna ist bis heute der schlappe Zuschauerzuspruch. Warum ist Fortuna nicht das St. Pauli Kölns?

Da bin ich überfragt, diese Frage steht schon seit Jahrzehnten unbeantwortet im Raum. Für uns als Spieler war das schon manchmal sehr bedrückend, vor ein paar hundert Leutchen zu spielen. Da war man froh, wenn Aachen oder Duisburg ankam und mit seinen Auswärtsfans mal richtig Stimmung machte.

Was sehen Sie mit einem gewissen Abstand als Highlight Ihrer Karriere an?

Schon mit Fortuna Köln war es immer mein Ziel, in die erste Liga aufzusteigen. Hat sieben Jahre lang nicht geklappt, also musste ich wechseln. Der erste Aufstieg 2000 mit dem FC, unter Ewald Lienen, ist sicherlich meine prägendste Erinnerung.

Da hatten Sie schon die Erfahrung „Bayer Leverkusen“ hinter sich.

Ja, das war ein notwendiger Umweg, um zum FC zu kommen. Andererseits war das eine große Zeit für mich. Von der kleinen Fortuna in dieser Top-Mannschaft zu landen, war großartig. Immerhin habe ich dort 1998 sogar Champions League gespielt - in Monaco, Lissabon und bei Real Madrid, gegen das wir dann ausgeschieden sind.

Sie haben nie außerhalb des Rheinlands gespielt. selbst Ihr entferntester Club, der MSV Duisburg, liegt am Rhein. Gab es nie andere Angebote?

Doch, sicher. Aber mein Ziel war tatsächlich immer, einmal für den 1. FC Köln zu spielen. Jenseits dessen war mir stets die Familie, mein Umfeld sehr wichtig. Ich bin ein bodenständiger Typ, auch für Duisburg habe ich mich ganz bewusst entschieden. Da leben einfache, normale Leute, das passt zu mir.

Wie früher in Zollstock?

Meine Nachbarn und Spielkameraden von früher sind bis heute meine Freunde und mit mir im selben Kegelclub. Wir versuchen, uns uns alle zwei bis drei Monate zu treffen - im Zollstocker Refugium, einer Kneipe an der Vorgebirgsstraße.

Sie waren jahrelang Trainer im Jugendbereich des FC. Dann gab es 2013 eine längere Niederlagenserie mit der U21, und Sie wurden entlassen.

Das hat wirklich geschmerzt, daran habe ich gut ein halbes Jahr geknabbert.

Was waren die Gründe?

Auch beim FC-Nachwuchs geht es letztlich ums nackte Ergebnis. Nach Außen hin redet man zwar gern vom Vorrang der Talentförderung. Aber wenn der Tabellenplatz mal nicht stimmt, greifen auch in diesem Bereich die branchenüblichen Mechanismen.

Sie hätten sich selbst also nicht entlassen?

Definitiv nicht! Wer genauer hingesehen hat, kannte die wahren Gründe der Entlassung.

Der schlechte Umgang des FC mit alten Helden hat leider Tradition, man denke an Littbarski oder Häßler ...

Dazu möchte ich mich nicht weiter äußern.

Im November 2014 haben Sie in Hürth eine eigene Fußballschule eröffnet. Hätte es auch ein Bistro oder Wettbüro sein können?

Auf keinen Fall. Ich habe mein Leben lang Fußball gespielt, das ist meine Welt. Mir macht die Arbeit mit jungen Spielern extrem viel Spaß. Und mit meiner Fußballschule kann ich nun das ein oder andere davon weitergeben, was ich selber in 16 Jahren Profifußball und achtjähriger Trainertätigkeit erfahren habe.

Aber perspektivisch würden Sie auch wieder als Trainer arbeiten?

Im Moment hängt die Schule an meinem Namen, ich leite jede einzelne Trainingseinheit selbst. Aber wenn sich das stabilisiert hat, werde ich sicher wieder auf Angebote horchen.

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