Mittwoch, 22. Oktober 2008

Thekentänzer (4)


Frauenschuh und Fruchtmumien


Ein früher Nachmittag im Corkonian am Alter Markt: Ziemlich leer ist es hier noch, und um nicht allzu sehr wie ein Säufer zu wirken, habe ich mich mit der Kölnischen Rundschau gewappnet. Von draußen weht das Herbstlaub durch die offenen Flügeltüren. Die Kellnerin pflückt ein paar Blätter vom Teppich, dann setzt sie sich wieder an ihr Buch: Das Bildnis des Dorian Gray, von Oscar Wilde. Wer den Roman kennt, der weiß, dass ich jetzt in den Spiegel hinter der Theke blicken muss. Ich altere, und das ist gut so.

Links neben mir sitzen ein paar Engländer. Jedes zweite Wort ist Chelsea, Liverpool, Arsenal oder Manchester. Fulham hat gegen Sunderland 0:0 gespielt, sagt die Rundschau. Aston Villa gegen Portsmouth und Bolton gegen Blackburn auch, daran sieht man mal wieder, dass die englische Liga jenseits der Milliardärsclubs total öde ist. Dann also mal lieber ein neues Guinness bestellt und vom Sport- zum Magazinteil gezappt: Das männliche Knabenkraut wurde zur Orchidee des Jahres 2009 gekürt. Es liebt lichte Wälder und wird von Wildschweinen bedroht. Der Frauenschuh ist in Sachsen schon ausgestorben. Pünktlich um 5 springt das Glockenspiel vom Rathaus an: „Horch, was kommt von draußen rein“, scheppert es.

„I hate it“, sagt die Kellnerin und legt „Angie“ auf. Noch ein Feinsliebchen.

Im Herbst empfiehlt es sich, Leimringe um die Obstbäume zu legen, lese ich in der Gartenecke. Das hält die Frostspanner-Weibchen davon ab, ihre Eier in die Fruchtmumien zu injizieren. Als ich beim Hägar-Strip anlange, kommen zwei Deutsche herein. Beide tragen lächerliche Sonnenbrillen.

„Tu eirisch Bier“, sagt der Eine.

„Guinness?“, fragt die Kellnerin.

„Nooh dark Bier. Hell Bier!“

„Kilkenny?“

„Nooh, nooh, giff ass se Hausbier.“

Die Kellnerin schnappt sich zwei Halblitereimer und füllt sie mit Kölsch auf.

„Ssänk ju“, sagt der Depp, „wie go autseit, wie masst paff-paff“, und dabei hält er sich eine imaginäre Fluppe an den Bart.

Nach dem fünften Pint sehe ich noch einmal in den Spiegel. Ich altere nun schneller als Dorians Portrait, und Fruchtmumien sind diese vorzeitig verschrumpelten Früchte, die voller Erreger stecken. Aber bevor ich hier einen Zusammenhang herstellen kann, rettet mich mein Horoskop: „Sie strahlen vor Glück und Zufriedenheit. Venus verwöhnt Sie sehr. Erledigen Sie aber dennoch Ihre Arbeit.“

Was hiermit getan wäre!

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