Mittwoch, 8. Oktober 2008

Thekentänzer (3)

Holy Mackerel

Eine Kneipe am Ende der Welt, also im Südwesten Irlands: An der Theke steht ein Maler mit seinen beiden Brüdern. Der Maler hat am Morgen 14 seiner Bilder verkauft, für 21.000 Euro. Die Drei feiern seit dem Mittag und sind nicht mehr ganz nüchtern.
`For Fuck`s Sake`, sagt der jüngste Bruder, Anfang 60, vergilbter Zauselbart. `Für die blöde Mona Lisa würde ich keinen einzigen Cent ausgeben.` Er greift zu seinem Glas und trinkt heftig. `Das ist doch nur ein grinsendes Weib`, schiebt er dann nach.
Der Maler antwortet mit einem landestypischen Ausruf des Erstaunens: `Du kapierst aber auch gar nichts. Holy Mackerel!`
Beim Versuch, mir die Redewendung zu übersetzen, lande ich bei `Heiliger Bimbam` und bin unzufrieden, unterschlägt dies doch gänzlich die kulturhistorische Bedeutung der Makrele. Schließlich handelt es sich bei diesem Fisch um das heimliche Nationaltier der Iren. Und um ein überaus interessantes obendrein.
Stets im Frühjahr brüten die Makrelen zu Millionen vor der Westküste der Insel. Ein einzelnes Weibchen kann bis zu 450.000 Eier auswerfen, die sodann ziellos in der Strömung treiben. `Pelargisch` nennt man dieses Verhalten in der Fachsprache. Darüber hinaus besitzen die Makrelen zwei Eigenheiten, die sie zu exzellenten Schwimmern machen. Da sie über keine Schwimmblase verfügen, können sie ohne langwierigen Druckausgleich durchs Wasser schießen. Noch stromlinienförmiger werden sie durch die Fähigkeit, ihre beiden Oberflossen bei Bedarf im Rücken versenken zu können. Das schützt sie vor ihren natürlichen Feinden, nicht jedoch vor Anglern. Makrelen reagieren auf alles, was nur irgendwie glänzt, mit der entsprechenden Rute zieht man nicht selten gleich sechs auf einmal an Land. Der irische Anglerverband ruft deshalb über Hinweisschilder zum Maßhalten auf: `Fangt nur so viele, wie ihr essen könnt`, heißt es dort.
Es ist Oktober, die Makrelen ziehen nun allmählich gen Norden. Irgendwo im Atlantik werden sie sich auf 300 Meter Tiefe fallenlassen und sodann sechs Monate in vollkommener Bewegungslosigkeit verharren. Auch in der kleinen Kneipe ist es ruhig geworden. Draußen hat sogar der Wind nachgelassen, das irische Brüdertrio schweigt. Rechts über ihrem Kopf hängt ein gerahmter Zeitungsausschnitt von 1905. Er besagt, dass ein örtliches Fischerboot am Vortag einen neuen Makrelenrekord aufgestellt hat: 79.000 Fische an an einem Tag. Die Mona Lisa könnte man dafür auch zu heutigen Preisen nicht kaufen. Für ein paar Pints jedoch reichte dies allemal.

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