Mittwoch, 16. September 2009

Coloniales (23)

Kammerjäger Ostermann

Willi Ostermann steht in Köln auf einer Stufe mit seinem Namensvetter Millowitsch und der heiligen Ursula. Seine Lieder gelten als Evergreens, wenn nicht gar als Hymnen, und in der Altstadt wurde ihm ein denkmalgekrönter Platz gewidmet. Aber hat der Mann all dies auch wirklich verdient?
Ostermann starb 1936. Angeblich ist er erst 1934 in die NSDAP eingetreten. Das stimmt vermutlich genauso wenig wie die Behauptung, dass er mit den Nazis nichts am Hut hatte. Seit 2007 sind seine Werke „gemeinfrei“, das heißt, jeder darf sie nach Belieben veröffentlichen und kopieren. Das ausführlichste Archiv zum heiligen Willi hat die Kölschband „De Kallendresser“ aufgebaut und ins Netz gestellt (www.kallendresser.de). Dort findet man auch einen Hinweis auf Ostermanns Gedichtband „Plattkölsche Kriegsgedichte“. Es ist einer von insgesamt lediglich zweien, auf die man bei der Google-Eingabe „Willi Ostermann“ + „Plattdeutsche Kriegsgedichte“ stößt. Und hier wie da wird lediglich der Titel angeführt, ohne Hinweis auf den Inhalt dieses Büchleins oder gar den Abdruck eines der Poeme.
Den erwähnten Band bekam ich von Volker Gröbe, viele Jahre Vorsitzender der Akademie för uns kölsche Sproch. Das Buch stammt aus dem Jahr 1914 und heißt mit vollem Titel: „Plattkölsche Kriegsgedichte über die großen Ereignisse im Jahre 1914“. Ostermann war damals bereits berühmt, erfolgreich und wohlhabend. Auch war er kein junger Stürmer mehr, sondern ging auf die 40 zu. Ich erwähne dies, um deutlich zu machen, dass das gleich folgende Gedicht nicht der widerwärtige Auswuchs eines kriegslüsternen Heißsporns oder frustrierten Künstlers ist. Sondern das Werk eines erwachsenen, chauvinistischen Volkshelden.
Aber lesen Sie selbst, wie Ostermanns Willi sich (in der Original-Rechtschreibung) seinerzeit die Entsorgung der russischen Kriegsgefangenen vorstellte:

Russe!

(Russen hintereinander gefangen am 30., 31. August und 4. September 1914)

En dreßigtausend Russe
Am Mondagmeddag hat
Eet deutsche Heer gefange,
Su heeß et en d´r Stadt.

Doch schon am selbe Ovend
Schlog en Tepesch mer ahn,
Dat et kein dreßigtausend.
Nä, sechszigtausend Mann.

Un dann des andren Morgens
Ich nix mie sage kund,
Wie jet vun sibbzigtausend
Dann en d´r Zeidung stund.

Die sin noch jitz am zälle,
Un mich nit wundre soll,
Wenn Engk diss Woch mer höre,
Das Hunderttausend voll.

Wat mäht mer no, ich froge,
Met all däm fremb Gemöß,
Dat Ungeziefer födere,
Beß dat se engelöß?

Beß jetz han Kammerjäger
För Russe sich bewäht.
Die sollen se vertilge,
Mie sin se doch nit wäht.


Darauf ein dreifaches: „Ich mööch zo Fooß noh Kölle jonn“!


Wer an diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch erinnert werden möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

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