Mittwoch, 27. Januar 2010

Thekentänzer (24)

Duisburg?

Die linke der beiden Frauen wird anstrengend, das ist schon beim Reinkommen klar.
„Na, Schatzikellner, wat ziehst du denn fürn Gesicht? Biste ganz alleine hier?“
Über den bröckeligen Wimpern trägt sie einen blonden Dutt – Bergheimpalme sagte man da früher für.
„Wat is, redest du nich mit jedem?“
Und dann fängt es draußen an zu schneien, und die Chancen schwinden, dass so bald noch jemand kommt. Die Frauen sitzen an der Theke und unterhalten sich über ihre Kinder. Beide sind alleinerziehend und haben mit ihren Männern offenbar arge Nieten gezogen. Die Verhaltensauffällige spricht jedenfalls von ihrem Klaus nie ohne den Nachsatz „der Arsch“. Ihre Freundin muss schon nach dem ersten Kölsch zur Toilette.
„Ist das nich toll, so nette Gäste zu haben?“
„Hmm.“
„Früher ham sich die Kellner noch um Damen gekümmert, die allein in der Wirtschaft saßen.“
„Ja, was kann ich denn für dich tun?“
„Hoho, jetzt pass aber mal gut auf, du Rangeher!“
Vorhin beim Dönertürken lief ein Reklamekanal. Zuerst ging es um Pistolen. Der Mann zielte mit beiden Händen auf einen imaginären Feind, dann drehte er sich zackig um neunzig Grad und hielt voll auf die Kamera drauf. Der nächste Spot handelte dann von genoppten Hausschlappen. „Die sind prima für die Durchblutung der Fußsohlen“, sagte die Offstimme vermutlich. Aber war ja alles auf Türkisch.
„Sind die Mädels da öfters hier?“ fragt Jerôme. Auf seinem Mantelkragen schmilzt der Schnee.
„Wenns nach mir geht, nicht.“
„Egal, pass auf: Wenn du dir das nächste Mal einen hobelst, dann setzt du dich vorher so lange auf deine Hand, bis die eingeschlafen ist.“
„Okay, mach ich. Aber wieso?“
„Weil man dann echt denkt, es wär jemand anders!“
Irgendwo in der Stadt blökt das erste Martinshorn. Der reflektierende Schnee verstärkt die Rot- und Gelbtöne der Kneipenlichter. Im Regal klafft eine Lücke, irgendwer hat tatsächlich diesen Himbeer-Obstler allegemacht.
„Herr Kaschemmenwirt! Wir nähmen dann noch zwei Bud, wenns recht ist“, ruft die Bergheimpalme.
„In Duisburg wohnt der jetzt, in Duisburg!“ empört sich ihre Freundin.
Die Bergheimpalme nimmt die beiden neuen Flaschen entgegen und berührt dabei meine Finger. Sie streicht sich eine Strähne ihres aufgelösten Dutts hinters Ohr und zieht sich eine weitere rote Gitanes aus der Packung. Und bevor sie das Streichholz anzündet, sagt sie etwas frappierend Originelles, nämlich:
„Gibt es das noch, Duisburg?“


Wer diese Kolumne zukünftig jeden Mittwoch zugeschickt bekommen möchte, schreibe eine Mail an thekentaenzer@netcologne.de, Stichwort: Die Köln-Kolumne.

Keine Kommentare: