Dienstag, 20. April 2010

Thekentänzer (27)

Kerzen, Kölsch und Leverkusen

Die beiden Jungs tragen Bayern-Schals, und klar: Die waren beim Spiel in Leverkusen. Ist 1:1 ausgegangen, dieses Match, und schon ein Weilchen vorbei. Und vorher, also heute Mittag, haben sie auch schon ein bisschen was getrunken.
„In Leverkusen kannst du nichtmal ne vernünftige Currywurst essen“, sagt Markus, die Zunge so schwer wie sein bayrischer Akzent.
„Mach uns mal zwei von diesen Kölsch“, sagt Ludger. „Und zwei Whisky-Cola.“
„Wie seid ihr denn ausgerechnet in dieser Kneipe hier gelandet?“ frage ich.
„Im Internet stand, dass hier gut is“, antwortet Markus. „Und dass hier gute Musi läuft.“
„Ah so“, sage ich, hole den Jim Beam aus dem Regal und lasse die Flasche direkt unten stehen.
Vor dem Fenster hat ein jugendlicher BMW-Fahrer Schwierigkeiten mit dem Einparken. Seine Kumpels steigen aus und lachen, während sie ihn einweisen. Wie Blitze zucken die Autoscheinwerfer dreimal durch den Kneipenraum.
„Ihr müsstet hier mal besseres Licht machen“, sagt der dicke Brillenträger, der mir schon beim Eintreten verdächtig vorkam. Er trinkt zu jedem Becks einen braunen Tequila.
„Da hinten sitzen zwei Jungs, denen gefällt´s hier richtig gut“, bescheide ich ihn.
„Die zwei Deppen mit den Schals?“
„Genau, und die finden auch das Licht super.“
Ludger wirkt inzwischen ein bisschen wackelig. Seine Schultern liegen fast auf der Theke.
„Noch zwei Whisky-Cola und zwei von diesen Kölsch“, sagt er zum Aschenbecher.
„Und wir pennen auch nicht in Leverkusen“, sagt Markus. „Wir haben uns extra ein Zimmer in Köln genommen.“
„Klar“, ergänzt Ludger, „in Leverkusen ausgehen geht gar nicht.“
„Vielleicht könnte man ja wenigstens mal paar Kerzen anmachen oder so“, sagt der Dicke.
„Die Kneipe gibt es schon länger, als du geradeausgehen kannst“, sage ich.
„Ich kann schon lange nicht mehr geradeausgehen“, sagt der Dicke, und da ist er mir plötzlich doch ein bisschen sympathisch. Zumal er gleich der einzige Gast sein wird.
„Wir bezahlen dann ma“, sagt Markus. Ludgers Ellbogen sind abgerutscht, sodass ihn nun nur noch sein auf dem Tresen liegender Kopf am Umfallen hindert. Wangen und Mundpartie sind grotesk verzerrt, es schäumt auch ein wenig.
„12,60“, sage ich.
„Mach 20“, sagt Markus, legt sich Ludgers Arm über die Schulter und bugsiert ihn filmreif zur Tür.
Irgendwo da draußen herrscht angeblich die bulgarische Mafia. Vor dem Türkencafé parken die Autos in Zweierreihen. Die beiden Marokkaner winken, als sie vorbeigehen, manchmal trinken sie hier ein paar Bier. Der Dicke mit der Brille sieht aus wie Rainer Werner Faßbinder.
„Wie is denn jetz mit Kerzen“, fragt er. In seinem Blick glaube ich einen Hauch von Ironie zu entdecken. Kann aber auch vom Tequila kommen.


„Ein Foto mit Symbolkraft: Leverkusen ist die Stadt der Arbeit und mit einem enormen Freizeitwert.“ (aus: Ulrich Schütz, Johannes Hahn: Leverkusen)


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