Mittwoch, 27. April 2016

Kölner Gespräche (49): Heute: Martin Perscheid, Cartoonist

Martin Perscheid wurde 1966 in Wesseling geboren. Nach dem Fachabitur machte er eine Ausbildung zum Druckvorlagenhersteller. Perscheid zeichnete schon als kleiner Junge. Seit dem 1990ern erscheint die Erfolgsserie „Perscheids Abgründe“ in deutschlandweit über 50 Zeitungen und Zeitschriften. Seine Bücher werden vom renommierten Comic-Verlag Lappan herausgegeben. Zuletzt erschienen: „Wieso hat Facebook unser Profil gelöscht?“
Martin Perscheid lebt mit seiner Frau und den beiden Söhnen in Wesseling.


In Perscheids Garten

Wesseling, das heißt: viel Industrie und eine fürchterliche 70er-Jahre-Innenstadt. Was hat der Ort noch zu bieten?

Nichts. (lacht) Die vorherrschende Windrichtung sorgt übrigens dafür, dass der ganze Mief nach Köln zieht. Mir ist vor allem das soziale Umfeld wichtig, in das ich hier, tja, hineingeraten bin.

Sie sind in Wesseling aufgewachsen. Wollten Sie hier nie weg?

Ich habe zwischendurch mal in Köln gewohnt, aber das war mir zu groß und zu voll.

Inwiefern?

Als Großstädter muss man überzeugter Fußgänger oder Bahnfahrer sein. Ich bin aber motorisiert aufgewachsen und will meinen eigenen Parkplatz.

Gibt es einen Lieblingsort, an dem Sie leben möchten?

Hitze kann ich schonmal sowieso nicht ab. Ansonsten bedeutet mir das Umfeld nicht viel, Sonne und Regen sind für meine Arbeit unwichtig. Hauptsache ich fühle mich gut.



Als Motorradfahrer friert man schnell und ist sein eigener Stoßdämpfer. Warum fahren Sie trotzdem mit Leidenschaft?

Ich bin da reingeboren. Mein Vater hat schon vor meiner Geburt Motorräder repariert und verkauft, Werkstatt und Wohnhaus waren eins. Als Kind war das sehr spannend für mich.

Sind Sie ein guter Schrauber?

Ich denke schon, vor allem ein sorgfältiger.

Sie könnten auch, sagen wir, eine Kurbelwelle austauschen?

Das ist ja noch das geringste. Aber bearbeiten Sie mal einen Zylinderkopf, da wird es dann richtig knifflig!

Wann fahren sie Motorrad?

Viel zu selten, seit wir Kinder haben. Meine Touren schaufele ich mir frei, die werden schon in der Vorbereitung regelrecht zelebriert. Und dann geht es für einen Tag in die Eifel, die liegt für mich ja fast vor der Tür.

Freiheit, Abenteuer, harte Männer - was halten sie von den gängigen Bikerklischees?

Es gibt kaum einen anderen Kreis, in dem sich die jeweiligen Untergruppen so verachten wie bei den Motorradfahrern. Die Tourenfahrer sehen auf die Sportler herab, und die lachen wiederum über die Chopper.

Grüßen Sie Harleys?

(lacht) Jedenfalls grüße ich keine Roller.

Ihre berühmteste Cartoon-Reihe heißt „Perscheids Abgründe“. Die Doppeldeutigkeit ist Absicht, nehme ich an.

Den Titel habe ich zusammen mit meiner Agentur Bulls gefunden. Zumal man ja sagt, dass mein Humor recht abgründig sei.

Was ist für Sie abgründiger Humor?

Wer in den Abgrund stürzt, hat einen gewissen Punkt überschritten. Danach geht es abwärts, und das kann lustig werden. Spott ist ein wichtiges Element im Cartoon.

In der TV-Welt gibt es Comedians und Kabarettisten. Ist das bei den Zeichnern ähnlich?

Es gibt die politischen Cartoonisten, die vor allem Tageszeitungen bedienen. Andere wollen vor allem unterhalten. Uli Stein etwa hat glaube ich noch nie etwas Politisches gezeichnet.

Sie sind über die Jahre deutlich politischer geworden. Liegt das an Ihnen oder Ihren Kunden?

Ich denke, an mir. Manche Themen springen mich heute stärker an als früher, und dann muss ich dazu was machen. Ich sage mal nur: Erdogan.

Gehören Sie zu den Clowns, die selber nicht lachen?

Ja. Ich bin als Person nicht besonders unterhaltsam.

Was ist Ihr erster Zeichen-Impuls: Spaß oder Ärger?

Meistens Ärger. Zuletzt zum Beispiel die Mütter, die ihre Kinder abholen und vor der Schule den Motor laufen lassen.

Ihr liebstes Opfer ist „der Depp“. Wer ist das eigentlich?

Der Depp ist universal. der steckt in uns allen, auch in mir. Viele meiner Cartoons gehen auf eigene Missgeschicke zurück.

Für viele Ihrer Kollegen war Loriot der Größte. Für Sie auch?

Auf jeden Fall. Loriots Großer Ratgeber war das einzige Cartoonbuch, mit dem ich während meiner Kindheit in Berühung kam. Habe ich schon im Vorschulalter verschlungen. Ich habe immer gern gezeichnet, und es war verlockend, das mit Humor zu verbinden.

In der Kasseler Galerie Caricatura läuft noch bis Juni eine Perscheid-Ausstellung. Der Cartoonist in der Galerie: Merkt man daran, dass man alt geworden ist?

Das merke ich bei ganz anderen Gelegenheiten. (lacht) Die haben vor zehn Jahren schonmal so eine Schau veranstaltet, und es ist schön festzustellen, dass ich offenbar noch immer gefragt bin.

Wie beurteilen Sie, ob Ihre jüngste Zeichnung wirklich lustig ist?

Tue ich mich nicht selten schwer mit. Manchmal schlagen die für mich unwitzigsten Sachen bei anderen Leuten total ein. Vieles hängt auch von der Tagesform, von der Laune ab. An einem schlechten Tag habe ich vielleicht Ideen, finde aber keine davon gut.

Habe Sie Kontrolleure? Ihre Frau oder Kumpels etwa?

Nein, bei denen kann sich auch nicht drauf verlassen, dass die den richtigen Riecher haben. Manchmal muss man sich eben durchringen, schließlich muss ich mein wöchentliches Pensum erfüllen.

Man liest immer, Sie arbeiteten für 50 Zeitschriften. Was ist denn Ihr wahres Pensum?

Im Laufe der Jahre kamen sicherlich 50 zusammen, wobei nicht jede ihren eigenen Cartoon bekam. Aber die Verlage sparen inzwischen gerne beim Unterhaltungsteil. Zur Zeit zeichne ich sechs Cartoons pro Woche, rund 250 im Jahr.

Und was tut ein erfahrener Künstler wie sie gegen einen ideenlosen Tag? Eine Runde auf dem Motorrad drehen? Eine Flasche Wein killen?

Alkohol hilft schon mal gar nicht. Schlechte Tage muss man einfach gelten lassen. Manchmal beißt man sich durch, und die zündende Idee kommt irgendwann spät abends.

Wir treffen uns hier am frühen Nachmittag. Hatten Sie heute schon einen guten Einfall?

Nein, aber dafür gestern drei, die ich heute noch reinzeichne: einen zum Thema „Blonde deutsche Frau von Araber belästigt“, einen über Bestattungsunternehmen und einen zu Blasenkathetern.

Schönen Dank, ich wollte schon immer ein Interview führen, das mit diesem Wort endet: Blasenkatheter. 




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